massenhaft an der Oberfläche vertreten, dass sie unvermeidlich in das Netz gerathen mussten. Sie
stimmten in jeder Hinsicht, z. B. auch im Vorhandensein zahlreicher Zooxanthellen und im gänzlichen
Mangel von Dictyochen, mit den übrigen an der Oberfläche gefischten Exemplaren überein. Anders
verhält es sich mit den 8 Kolonien von Sphaerozoum acuferum, von denen eine sogar im Eimer des ver-
schliessbaren Netzes gefunden wurde. Sowohl dieses Exemplar, als auch 6 mit dem offenen Netz gefischte
entbehrten ganz der gelben Zellen und enthielten mehrere oder sehr viele Dictyocha-Skelete. Nur in
einer Kolonie, die mit dem offenen Netz gefischt war (Solaro, 11. X., 1200 m.), konnte' ich zahlreiche
gelbe Zellen und nur ganz vereinzelte Dictyochen constatiren.
Aus den vorliegenden Untersuchungen ergeben sich folgende Resultate:
V o r lä u f ig k a n n man n u r v o n d r e i R a d io la r ie n m it S i c h e r h e it b e h a u p t e n , d a ss
s ie w ä h r e n d des S e p tem b e r u n d O k to b e r in T ie f e n v o n 600 m. im M itte lm e e r le b e n .
Es sind Aulacantha scolymantha, Coelodendrum ramosissimum und Spongosphaera streptacantha. Die beiden
ersten Arten scheinen nach der Tiefe zu (bis 1200 m.) nur wenig abzunehmen; Spongosphaera dagegen
scheint in grösseren Tiefen als 600 m. nicht mehr, oder nur ganz' vereinzelt vorzukommen. Das Vorkommen
mehrerer Spongosphaeren im Material aus 1000 und 1200 m. Tiefe hat bei näherer Prüfung
wenig zu bedeuten. Die betreffenden Exemplare wurden nur mit dem offenen, nicht aber mit dem
verschliessbaren Netz gefangen. Man darf aber nicht vergessen, dass das Netz mindestens ebenso lange
in vertikaler Richtung von 1000 bezw. 1200 m. bis zur Oberfläche gezogen ist, als vorher in horizontaler
Richtung (in 1000 oder 1200 m. Tiefe). Während der halben Stunde, die das Aufziehen des Netzes
in Anspruch nahm, mussten in Tiefen von 600 m. und näher der Oberfläche die dort nachweisbar vorhandenen
Spongosphaeren ;in das Netz gelangen.
W a h r s c h e in lic h gehen- a u c h fo lg e n d e A r te n b is in T ie f e n v o n m e h r a ls 600 m.
h in u n te r : Castanelliden-Species 1, Aulosphaera elegantissima, Aulacantha' n. sp. Acanthometra tetracopa,
Amphilonche ovata, Xiphacantha quadridentata, X. serrata, X spinulosa und Sphaerozoum acuferum. Sie
sind sämmtlich in mehreren Exemplaren (3—20) mit dem offenen und in 1—2 Exemplaren auch mit
dem verschliessbaren Netz gefischt worden. Leider reicht das Vorkommen von nur 1—2 Exemplaren
einer Radiolarienspecies nicht hin, um das Vorkommen der betr. Species in einer bestimmten Tiefe zu
beweisen. Das Netz hat den Uebelstand, dass selbst in geschlossenem Zustande ein etwa einen Finger
breiter Spalt bleibt, in den beim Heraufziehen des Netzes recht wohl noch einige kleine Radiolarien
gelangen können.
Es ist trotzdem in hohem Grade- wahrscheinlich, dass die angeführten Arten in Tiefen von 600
bezw. 800 etc. m. leben, und zwar aus folgenden Gründen: Die gelben Zellen können ebensowenig
wie andere Algen in grösseren Tiefen als 200 m. assimiliren. Sie werden daher in Radiolarien, die in
erheblich grösseren Tiefen wochen- oder monatelang leben, gänzlich fehlen, während sie in denjenigen
Exemplaren derselben Species, die in geringerer Tiefe als 200 m. sich finden, Vorkommen. Da wir nun
im Tiefennetz Radiolarien-Arten finden, die g a r k e in e g e lb e n Z e lle n führen, während die nahe der
Oberfläche vorkommenden Exemplare derselben Species sehr zahlreiche gelbe Zellen enthalten, so weist
schon das gänzliche Fehlen der Zooxanthellen auf einen längeren Aufenthalt der Radiolarien in dunkler
oder dämmeriger Tiefe hin. Am deutlichsten zeigt sich das an Sphaerozoum acuferum. Nur in einem
Exemplar, das mit dem o ff e n e n Netz gefischt way, fanden sich viele gelbe’Zellen, in den anderen 7
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gar keine. Ich habe früher mehr als 100 Kolonien von dieser Species, die in Tiefen von 0—80 m.
gefischt waren, untersucht und stets sehr zahlreiche gelbe Zellen an jedem Individuum gefunden. Die
Wahrscheinlichkeit, dass die erwähnten 7 algenfreien Kolonien wirklich in Tiefen von mehr als 200 m.
gelebt haben, wird dadurch noch vermehrt, dass sich sehr zahlreiche Skelete von Dictyocha in ihnen
fanden, während das achte Exemplar, das gelbe Zellen enthielt, nur vereinzelte Dictyochen aufwies und
weder in, noch an den Radiolarien, die in 0-—60 m. Tiefe im Oktober gefischt wurden, Dictyochen
nachgewiesen werden konnten. Die eben erwähnte Kolonie war nicht, wie die anderen 7, darauf angewiesen,
andere Organismen, die in ihren Bereich kamen, festzuhalten und zu verdauen, sondern konnte
wie die anderen nahe der Oberfläche lebenden Kolonien — aus der Assimilationsthätigkeit der ein-
gemietheten Zooxanthellen Nutzen ziehen. Die Dictyochen, deren Skelete sie zur Zeit des Fanges
enthielt, waren wohl Wochen oder Monate vorher aufgenommen und verdaut worden, als die Kolonie
noch nicht so nahe der Oberfläche lebte und die Algen noch nicht hatten einwandern können JE- Ich
hatte früher *) auf Grund ausgedehnter Beobachtungen die Behauptung aufgestellt, dass die koloniebildenden
Radiolarien echte pelagische Thiere sind, welche ihre ganze Entwickelung in der Nähe der
Meeresoberfläche durchmachen“ und „nie mehr als einige Hundert Meter von der Oberfläche -sich entfernen“.
Die neueren Untersuchungen an dem von Chun und von C h ie r c h ia gesammelten Material
haben diese Behauptung im Allgemeinen bestätigt; doch zeigt das hier näher ausgeführte Beispiel von
Sphaerozoum acuferum, dass manche Species auch in etwas grössere Tiefen, als ich angenommen hatte,
hinabsteigen können.
A u s s e r d e n b i s h e r a u f g e z ä h l t e n R a d io l a r i e n m ü s s e n a u c h d ie D i c ty o c h e n in
den T i e f e n d e s M itte lm e e r e s s e h r h ä u f ig V o rk om m en ; s ie s c h e in e n s o g a r d ie H a u p tn
a h r u n g f ü r d ie in d e r T ie f e le b e n d e n p e la g is c h e n T h i e r e zu b ild e n . Dictyocha-Skelete
fand ich sowohl in Radiolarien, als auch im Darm vom einigen Ostracoden, die mit dem v e r s c h li e s s -
h a r e n Netz in 1200 m. Tiefe gefangen waren. Nach den vorliegenden, allerdings unvollkommenen
Untersuchungen möchte ich fast vermuthen, dass die massenhaft vorkommenden kleinen Dictyochen in
den Tiefen des Mittelmeeres die C h a l le n g e r id e n der Oceane ersetzen. Dass ich von den letzteren
kein einziges Skelet in dem Material des Tiefennetzes fand, ist leicht verständlich, da nach den Untersuchungen
der Challenger-Expedition die Challengeriden die einzige Ordnung von pelagischen Thieren
sind, welche erst u n t e r h a lb 3 0 0 F a d e n in den Oceanen Vorkommen. In das Mittelmeer können sie
vom Atlantischen Ocean nicht gelangen, weil der Rücken, der beide Meeresabschnitte trennt, nur Tiefen
von höchstens 150 Faden aufweist.
Diese Eigentümlichkeit des Mittelmeeres bildet wohl auch die Ursache der immerhin auffallenden
Erscheinung, d a s s s e lb s t in b e d e u t e n d e n T i e f e n n u r s o lc h e R a d io l a r i e n s p e c i e s h ä u f ig
s in d , d ie a u c h a n d e r O b e r f lä c h e d e s M itte lm e e r e s b e o b a c h t e t w o rd e n s in d . Von
den am häufigsten in dem Material der Tiefennetze constatirten Radiolarien — Coelodendrum ramosissimum,
Aulosphaera elegantissima, Aulacantha scolymantha und Spongosphaera streptacantha sind die 2 ersten
nach H a e c k e l 's , die beiden anderen auch nach meinen Beobachtungen „häufig“ oder „sehr häufig
0 K. Brandt, D ie Sphaerozoeen. XIII. Monographie der Fauna und Flora des Golfes von Neapel. Berlin 1885.
P- 201 und 203.'