Frühjahre auch an der Oberfläche sich zeigen, so scheinen die Larven und jüngeren Stadien deiv Hippo-
podius die Tiefe zu bevorzugen und erst der Anwendung des Tiefennetzes ist es zu verdanken, wenn
die postembryonale Entwicklungsgeschichte einer der häufigsten Siphonophoren d e s . Golfes aufgeklärt
werden konnte.
Eine schöne und lohnende Aufgabe ist es für die Bearbeiter pelagischer Thiergruppen und für
alle Beobachter, welchen das beneidenswerthe Glück zu Theil wird, an den Gestaden des Mittelmeeres
und Oceans zu leben, den biologischen Verhältnissen der pelagischen Fauna nicht nur an der Oberfläche,
sondern auch in der Tiefe nachzuspüren.
Ich kfl.nn mich des Eindrucks nicht erwehren, dass bei der Massenhaftigkeit des Thierlebens in
der Tiefe die Oberflächenfauna gewissermassen nur eine Avantgarde des Gros repräseütirt, die bald ver-_
stärkt,' bald verringert gelegentlich völlig in geschützte Regionen sich zurückzieht. Die Mittheilungen
und das Material, welche mir Ende Januar noch von B r a n d t und P e t e r s e n aus Neapel zugehen,
lassen thatsächlich darauf sehliessen, dass die Gesannntmasse pelagischer Thiere in der Tiefe auch während
des Winters durchaus keine Verminderung aufweist.
So würden wir denn zum Schlüsse dieser Betrachtung noch zu der Erörterung der Frage geführt:
Welche Gründe veranlassen die pelagischen Thiere, sich im Winter und Frühjahre an die Oberfläche zu
begeben resp. wel c h e Ur s a c h e n s i n d ma s s g e b e n d f ü r d a s Ni e d e r s t e i g e n d e r p e l a g
i s ch en F a u n a wä h r e n d d e s Somme r s ? Dass diesen periodischen Wanderungen .dieselben
Ursachen zu Grunde liegen, welche die bekannten täglichen Oscillationen, nämlich das Aufsteigen bei
Nacht, das Niedersinken bei Tage veranlassen, dürfte um so wahrscheinlicher, sein, als diese Excursionen
nicht unbedeutende sind. Wie die oben angeführten Beobachtungen von Ag a s s i z und Mu r r a y anzudeuten
scheinen und wie ich nach eigenen Erfahrungen sehliessen darf, so vermögen pelagische Thiere
über 100 Meter tief bei Tagesanbruch zu sinken und umgekehrt mit Einbruch der Nacht aufzusteigen.
Alciopiden, Sagitten, Appendicularien und Coelenteraten, welche ich bei Tage erst in 100 Meter Tiefe
und darunter antraf, wurden bei nächtlichen Zügen an der Oberfläche erbeutet.
Bekanntlich haben W e i sm a n n 1), Fo r e l ? ) und P a v e s i nachgewiesen, dass dieselben
Oscillationen in vertikaler Richtung auch von der pelagischen Thierwelt der Binnenseen ausgeführt werden.
In einem bekannten gehaltvollen Vortrage über das Thierleben im Bodensee sucht We i sma n n die
Gründe zu eruiren, welche das Auf- und Absteigen bedingen (p. 18—20) und kommt zu dem Schlüsse,
dass die kleinen Crustaceen (denn auf sie' beziehen sich wesentlich seine Betrachtungen) nicht nur sehr
lichtempfindlich sind, sondern auch durch das periodische Untertauchen in den Stand gesetzt werden,
ohne Unterbrechung Nahrung aufzunehmen und zugleich alle ihnen zugänglichen Wasserschichten nach
Nahrung zu durchsuchen. Lichtempfindlichkeit und Nahrungsbedürfniss sind also nach Weismann die
massgebenden Faktoren für die Wanderungen in vertikaler Richtung. Auch B i o se l e y adoptirt
die Anschauungen W e i sm a n n ’s und folgert aus meinen Angaben über“-das Auf- und Absteigen der
Ctenophoren, aus jenen A g a s s i z ’s über die gleiche Gewohnheit der Echinodermenlarven und Ptero-
*') A. W e i s m a n n . D a s Thierleben in
2) F . A. Forel. L a Faune profonde di
vollständigen Litteraturangaben über die pela
poden, also »ugcnloser Formen, dass dieselben ■' genüthigl werden, ihren Nährthieren, nämlich den mit
Augen aosgestatteten Copcpoden, nachzuziohcn.
Die Ansichten zweier ausgezeichneter Forscher bedürfen um so mehr einer Prüfung, als sie auf
sein- phiusiheh- Onünftfr sich stütz®«: Trotzdem kan® ich Liehtemßfindliehkeit und Nahrungsbedürfniss
nicht für diejenigen Faktoren haltet:, welche sowohl das periodische, wie ihn Laufe des Tages sieh vollziehende
Auf- und Niedersteigen der pelagischen Fauna in erster Linie bedingen. We i sma n n hat bei
seinem Erklärungsversuch vorwiegend eine einzelne Thiergruppe, nämlich die pelagischen Crustaceen, im
Ange. Es ist immerhin möglich, dass sic sehr lichtscheu sind, obwohl das nicht für alle pelagischen
Crustaceen gilt.. Zu jeder Tageszeit trifft man Copcpoden an der Meeresoberfläche und ausser ihnen
Formen die, wie Eaplumsia pellucida, durch röthliches Pigment der Augen und durch eine fast überreichet
Ausstattung mit Lcuchtorganen für die Tiefe wie geschaffen scheinen. Nicht nur im Frühjahre
1886, sondern auch hei allen Fahrten im Sommer . fischte ich regelmässig um die Mittagszeit bei
grellem Sonnenschein zahlreiche Kr.phausien an der- Obi •’ ,
Dazu kommt vor Allem weiterhin dm- l'msraid, dass die Wanderungen in vertikaler Richtung
von sämmtlichen pelagischen Thiergrr.ppor.. voni^lp! Radinlarior aufwärts bis zu den Mollusken und
Timicatan, unternommen werden. Zu diesen stellen gerade' die augcnloser. Formen, so die Radiolarien,
Foraminiferen, vesiculate Medusen, (h-mtephflHSiphonophoren, Echinodermenlarven, viele Wurmlarven,
die Ptcropnde::, Appendicularien und Doliolen nahezu das überwiegende: Contingent, Auch nähren sich
alle diese Gruppen durchaus nicht stets von sehenden Thieren, sondern gelegentlich ausschliesslich —
ich erinnere an die Radiolarien und Appendicularien — von augenloscn resp. von pflanzlichen Formen.
Auch durfte nicht uneiwähnt bleiben, dass hei den täglichen Oscillationen die pelagischen Thiere zum
grossen Theil geringere Tiefen von 30—50 Metern aufsuchen, in denen sie durchaus nicht der Einwirkung
des "Lichtes .sich entziehen, sondern, wie dies im fclgendfo Capitol hargelegt werden soll, einem
wenig geschwächten Sonnenlicht ausgesetzt sind.
Ich kann auch nicht annehmen, dass das: Naltrnngsbcdürfiiiss die pelagische Fauna von der
Oberfläche vertreibt So smmeieh die Vorstellung ist, dass sic durch das Niedertauchen in den Stand
g e sitä wird , alle Schichten bittie Unterbrechung nach Nahrung .jpg- durchsuche-, ¡sp wenig trifft .sie
doch in vielen Fällen mit den «tatsächlichen Verhältnissen zu. Wer je im Winter und Sommer die
/ichwäruic vor. Sagitten und Copepoden während des Tages an der üiten:i|i|i' beobachtete.,.wer sipii
überzeugt hat, wie massenhaft die Diatomeen, Flagellaten und niederen Algen meilenweit die Oberfläche
bedecken,1) der wird zugehen, dass andere Motive die grosseien pelagischen Thiere zum Verlassen solcher
Weideplätze antreiben.
Warum steigen die Bcroön im Sommer in die Tiefe, obwohl ihre Lieblingskost, nämlich die
gelappten Ctenophoren, an clor Oberfläche bleiben, warum verlässt überhaupt mit Eintritt dar heissen
%nhrcszeit clas weitaus grösste Contingent pelagischer O ganismen die Oberfläche, um sich in Tiefen zu
begeben, wo die niedrigsten pflanzlichen Organismen, auf deren Existenz doch in letzter Linie die
Cfesaimutmnsse' pelagischen Thiere angewiesen ist, id||it mehr .zu assimiliren vermögen?
H ü Vergl. auch die Schilderungen viJn iM o s e io y 1. c. p. 599 und von M u r r a y (Oluill. Narrat. Vol. II, p. 935) über
Pyrocystis Ceratium, p. 545 über Triehodesmium.