Dieses Beispiel ist lehrreich. Es bestätigt uns, was wir schon oben andeuteten, dass durch Entwickelung
der Zwischenknospen die flächenhafte Entfaltung einer kriechenden Kolonie begünstigt wird-
Der linke Ast bietet uns mehr den Anblick einer Linie, während sich das Verbreitungsgebiet des rechten
über einen ansehnlichen Flächenraum hin erstreckt. Denken wir uns hier die Knospung noch stärkerin
der Art A B2 B' B C' C entwickelt, so würden sich zwischen den alten immer neue Seitenäste
einschieben, und endlich würde die ganze Fläche von dicht aneinanderliegenden Zweigen bedeckt sein,,
wie es bei PI. fungosa, Fig. 20, thatsächlich geschehen ist. Wir bemerkten denn auch bereits im vorigen.
Abschnitt, dass für die fungoiden Formen eine stärkere Ausbildung der Zwischenknospen charakteristisch
sei, fürxJ9Z. repens dagegen die Bevorzugung der Hauptknospen. Wir finden das in den auf Taf. III gegen-
übergestellten Figg. 44 und 45 bestätigt, wo schon die Reihenfolge und Gruppirung der jüngsten Individuen
eine im Sinne dieses Satzes verschiedenartige ist. Und damit ist uns ein Mittel gegeben, den.
aberranten Habitus der erwachsenen Kolonien aus seinen Ursachen zu erklären. Bei PI. repens treibt jede-
Knospe rasch ihren ersten Tochterspross, dieser wieder eine Enkelin und so weiter, ohne dass aus der Knospe-
A bald eine zweite B' etc. folgte, die vielmehr erst spät oder vielleicht gar nicht zur vollen Ausbildung gelangt.
So entwickeln sich die Aeste in schlanken Linienformen, welche ein weites Gebiet einnehmen, ohne die*
Fläche erheblich zu belasten. Anders PI. fungosa oder emarginata. Hier lässt jede Knospe, nachdem sie.
ihre erste Tochter (B) erzeugt hat, derselben eine ganze Reihe jüngerer Geschwister (B' B2 B3 etc.) folgen,,
und jedes der letzteren vermehrt sich wiederum in gleicher Weise. Statt zu Linien gestalten sich die Zweige
in Folge der Einschaltung immer neuer Seitenäste zu breiten, fächerförmigen Gebilden, welche die Fläche des
Podiums bald lückenlos bedecken. Auf Taf. II, Fig. 16, sieht man eine jung.e Alcyonella, jederseits mit
nur einem fertigen Individuum. 'B a ld nachdem sich von diesem der erste Tochterspross B abgelöst hat
(s. Taf. I, Fig. 5, die Kolonie links), tritt auch schon der zweite B' auf, so dass die Apicalknospe C
sich äusserlich gar nicht als solche kennzeichnet, wie es bei der gleichaltrigen repens-¥orm, Fig. 5, rechts,,
so deutlich der Fall ist (vgl. auch Fig. 6 und 7). In Fig. 17; Taf. I I , sind beiderseits 8 Polypide
vorhanden. Vier davon, A B C D, repräsentiren den Grundstock, der nach Einschaltung ebensovielet
Seitenzweige eine fächerförmige Bildung zeigt. Dieselbe hat sich in Fig. 18 noch schärfer markirt, wounter
den 18 Individuen jeder Seite 5 (A—E) dem Stamm, die übrigen 13 den Aesten angehören.
Die Primärknospe A hat allein 4 Tochtersprosse getrieben, B—B8, diese wiederum eine Mehrzahl von.
Enkelthieren. Ein Schritt weiter ist in Fig. 19 gethan, wo freilich die Knospung nur auf einer Seite-
ihren ungehinderten Fortgang genommen hat. Sechs Glieder, A—F, sind in centrifugaler Folge, fünf,
B—B4, in centripetaler als Tochterknospen von A entstanden. Dass auch die von Statoblasten erzeugten.
Kolonien einen ähnlichen Habitus zur Schau tragen, zeigt Fig. 20. Sehr bald werden sich hier.die Röhren,
so gehäuft haben, dass von der beschlagnahmten Fläche nichts mehr zu sehen ist. Daraus folgt dann,
dass nur noch die peripheren Zweigspitzen am Boden fortwachsen können, die dahinter auftretenden
Zwischenknospen dagegen aus Mangel an Raum sich vom Podium erheben und oberhalb desselben Bahn
brechen müssen. So wird die unterste Schicht der Kolonie allmählich von einer zweiten überwuchert
deren aufwärts gekehrte Mündungen auch den jüngeren Knospen die Richtung nach oben zuweisen. Vor
mir liegt eine rasenförmige Alcyonella, ' welche auf 5—6 cm. ins Geviert die Fläche eines Nupharblatts
überzieht und stellenweise bereits eine Dicke von 5 mm. erlangt hat. Da überall ein lebhafter Naehwuchs
jüngerer Polypide zu constatiren ist, so würde die Kolonie, sieh gleichsam etagenartig aufbauend,
•zu einer compacten, ballenförmigen Masse angewaohsen sein, wie man ihr namentlich an Steinen so oft
begegnet, und der man es nicht mehr ansieht, dass.sie aus einer flächenhaft entwickelten, kriechenden
Form hervorging.
Offenbar ist aber für das Wachsthum einer solchen Bildung die ebene Fläche weniger geeignet
-als die convex gekrümmte. Die von der Ebne eines Blattes nahezu parallel aufstrebenden Röhren stehen
in räumlicher Hinsicht weit ungünstiger da als etwa die, welche sich an einem rundlichen Baumzweige
in der Ebne des Querschnittes strahlenförmig nach allen Seiten ausbreiten. Die letztem gewinnen für
-die Anlage von Zwischenknospen ein immer freieres Feld, was bei jenen nur in ganz beschränktem Maasse
der Fall sein kann. Gleichwohl ist das Breitenwachsthunj. der Kolonie gewöhnlich so stark, dass auch bei
-rundem Podium schliesslich ein Raummangel sich geltend macht. Man beobachtet dann, dass in dem Kampf
tims Dasein, welcher sich innerhalb des Stockes entspinnt, die Stellen mit lebhafterer Knospung die anderen
•einengen und sich knollenartig über die Oberfläche erheben.
In Fig. 2 ist ein Längsschnitt durch eine an einem Erlenzweig angesiedelte Kolonie dargestellt,
welcher erkennen lässt, wie von der Mitte aus die ältesten Röhren sich kriechend an der Unterlage entlang
ziehen, wie dann die jüngeren sich darüber aufschichten, und wie die Mündungen dicht gedrängt
-an der Oberfläche emporschauen.
Uebrigens sei hier der gewiss richtigen Bemerkung Kraepelins gedacht, dass durch Keimung der
oft dicht neben einander fe s tg eh e fte te n Statoblasten Kolonien erzeugt werden müssen, welche sich von vorn
herein in ihrer Entwickelung beeinflussen und in ihrer flächenhaften Entfaltung hemmen, und dass aus
-der Vereinigung so vieler Stöckchen ein Gesammtgebilde hervorgehen muss, in dessen Form und Grösse
der fungoide Charakter zur stärksten Ausprägung gelangt.
Obwohl der Unterschied zwischen PI. fungosa und repens erst im späteren Alter seinen, höchsten
Grad erreicht, zeigt er sich doch, wie wir gesehen haben, auch schon auf den frühesten Stadien mit sinnfälliger
Deutlichkeit (Taf. I, Fig. 5—7). Dieser Unterschied findet in dem eben geschilderten Verlauf
•der Knospung nur zum Theil seine Erklärung; zum Theil ist er begründet in der ungleichen Ausbildung
der einzelnen Cystide, welche bei PI. repens schlank und frei entwickelt, bei fungosa verkürzt und in
-sich zusammengezogen erscheinen. Wir wissen, dass das Cystid seine Entstehung aus der polypoiden
Knospenanlage herleitet, deren Halszellen sich in einer die Anheftungsstelle der Knospe resp. Doppelknospe
umschreibenden Zone zum Integument umbilden und durch lebhafte Wucherung eine handschuhfingerartige
Ausstülpung der mütterlichen Leibeswand herbeiführen. Dieser Process geht bei PI. repens
und den ähnlichen Formen rascher und energischer vor sich als bei PI. fungosa, wo wir oft nahezu
vollendete Polypide noch im Bereich des Muttercystids, nur durch eine leichte Ausbuchtung von diesem
getrennt, finden. Wir werden nicht fehl gehen, wenn wir diese Verschiedenheit auch wieder in einen
ursächlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Knospungsmodus zu stellen suchen. Denn je mehr
Material die polypoide Knospenanlage zur Erzeugung von Tochterknospen verwendet, um so weniger
•erübrigt sie zum Bau der Cystide, und wo diese letzteren schon frühzeitig und typisch entwickelt werden,
da sind der Knospung von vom herein engere Grenzen gezogen. Je ausgiebiger die Zellen der Knospe
den Functionen der Leibeswand zu genügen haben, um so eher müssen sie ihres embryonalen Charakters,
■der sie zur Begründung neuer Knospen befähigt, verlustig gehen, viel eher als dort, wo ihre definitive