Hat der Embryonalkern eine Länge von etwa 0,06 mm erreicht, so gruppiren sich seine Zellen
zu vier grösseren Bällen zusammen. Die vorletzte dieser Gruppen ist stets die grösseste und besteht
von Anfang an aus einer peripherischen Schicht und einem davon umschlossenen Kerne. Diese peripherische
Lage verlängert sich nach vorn und hinten und wächst in eine Hülle aus, welche die anderen
Zellgruppen mit Ausnahme des vorderen Segmentes des ersten Ballens mantelartig überzieht. Späterhin
löst sich die sackartige Aussenschicht in zwei Lagen auf, von denen die äussere zu dem Hautmuskelschlauche
wird, während aus der inneren Receptaculum und Ligament hervorgehen. Es hängen demnach
Ligament und Rüsseltasche in Röhrenform zusammen. Erst späterhin setzen sie sich gegen einander ab,
indem die Röhrenwand zwischen dem Ganglienhaufen und den keimerzeugenden Geschlechtsdrüsen sich
diaphragmenartig einfaltet. Hat die Innenfläche des Rüsselzapfens sich mit einer Lage scharf gezeichneter
Zellen bedeckt, so spaltet sich die Muskelmasse des Receptaculums in zwei auf einander liegende
Schichten und bewirkt durch seine Kontraktion die Umstülpung der Rüsselanlage.
Die Retractores proboscidis sah L e u c k a r t aus vier Kernzellen hervorgehen, die bei JEchino-
rhynchus proteus in dem Zwischenräume zwischen Ganglion und Rüsselzapfen, oder wo dieser fehlt
(EchinorJiynchus angustatus), im Umkreise des Rüsselzapfens liegen. Diese Zellen verwandeln sich zunächst
in vier weite cylindrische Rohre, die späterhin sich in 18 bis 20 unter sich communicirende
Fasern zerspleissen.
Eigene Beobachtungen.
Um die Entwickelung des muskulösen Rüsselapparates in ihren Anfängen zu verfolgen, müssen
wir wiederum auf jenes Stadium zurückgreifen, auf dem nach Ablösung der beiden Syncytien, aus denen
wir die Hypodermis und den ectodermalen Theil des Rüsselapparates hervorgehen sehen, ein centraler,
abgerundeter Kernhaufen sich herausgebildet hat. Als erste Veränderung an diesem Ballen, den wir mit
L e u c k a r t als „embryonalen Kernhaufen“ bezeichnen können, sahen wir das mächtige Syncytium sich
ablösen, dem die Hautmuskulatur ihre Entstehung verdankt. (Vergl. pg. 79 ff.*)
Um die Zeit nun, wo die randständigen Kerne des centralen Ballens in das seine hintere Hälfte
mantelartig umhüllende feinkörnige Plasma einwandern, erfährt auch der übrige Theil des Embryonal-
kemes eine Auflockerung und zwar dadurch, dass zwischen die einzelnen Kerne sich ansehnliche Mengen
Plasmas einschieben. Gleichzeitig aber zerfällt die gesammte centrale Körnermasse, infolge des Auftretens
einer breiten Aquatorialspalte, in zwei aufeinander folgende Ballen, von denen der vordere und etwas
kleinere die Anlage des späteren Ganglion cephalicum repräsentirt (s. Tafel 10, Fig. 4 Gcph).
Die Kerne der hinteren Ballenhälfte sind vorläufig noch eckige, unregelmässig geformte Körper von auffallend
starker Färbbarkeit. Doch bald ändert sich ihr Aussehen. Durch Einlagerung von heller feinkörniger
Plasmasubstanz blähen sie sich stark auf und verwandeln sich in grosse, durch dünne Häutchen
umschlossene, sphärische Blasen. Inzwischen hat aber auch der runzelige Chromatinhaufen im Centrum
des Kernes eine Auflockerung erfahren; aus dem ursprünglich zu einem eckigen Kerne zusammengeballten
Chromosome ist ein dünner regelmässig aufgewundener oder zu einem wirren Knäuel zusammengeschlungener,
dünner Faden hervorgegangen (s. Tafel 10, Fig. 4 nc*)?i :!:i
Zwischen den einzelnen Windungen lassen sich die grossen linsen- oder kugelförmigen, aber
meist schwach gefärbten Nucleoli deutlich erkennen. Ist der junge Muskelkern ungefähr auf das Doppelte
seines ursprünglichen Volumens herangewachsen, so beginnen die Chromatinpartikel, die anfangs sich
gleichinässig über die ganze Fadenlänge vertheilten, zu grösseren Ballen zusammenzutreten. Die Fadenoberfläche
bekommt spitze Auszackungen, von denen man hier und dort dünne Verbindungsfäden ausgehen
sieht. Je mehr nun die Chromatinballen an Umfang zunehmen, um so dünner und hinfälliger
wird der ursprüngliche Chromosomenfaden. Schliesslich sieht man nur noch ein lockeres Netzwerk sehr
dünner Fädchen und eine Anzahl eckiger, spongiöser, randständiger Chromatinpartikelhäufchen, die
offenbar die Knotenpunkte des Plasmanetzes bilden. Die Nucleolen, die früher nur als sehr blasse
linsenförmige Körper zu sehen waren, haben inzwischen nicht nur beträchtlich an Grösse zugenommen,
sondern auch ihr Verhalten gegen farbige Reagentien geändert, insofern sie nämlich jetzt lebhafter sich
tingiren, als alle übrigen Kerneinschlüsse. Diese Farbenkontraste nehmen mit der Zeit mehr und mehr
zu, bis schliesslich die randständigen Chromatinhaufen nur noch als flockenartige Trübungen an der
Kernperipherie sich wahrnehmen lassen.
Vergleichen wir die obige Darstellung mit der Bildungsgeschichte der Hypodermis- und Hautmuskelkerne,
so ergiebt sich auf das Augenscheinlichste, dass die Umwandlungsvorgänge, welche noth-
wendig sind, um die eckigen Körner des Embryonalkernes zu den bläschenförmigen Kernen umzugestalten,
im Principe bei allen Gewebsarten des jungen Larvenleibes die gleichen sind.
Während die Kernmetamorphose in der geschilderten Weise sich abspielt, hat auch die äussere
Form des centralen KemhaufenS sich wesentlich geändert. Schon in der Periode, wo wir das Haut-
muskelsyncytium über den Ganglienhaufen hinweg wachsen sehen, bildet sich vom Vorderrande des
hinteren Ballens eine ringförmige Erhebung, die nach vorn sich mehr und mehr verlängert und schliesslich
das ganze Ganglion umhüllt. Solange die Zellengrenzen noch nicht vorhanden sind, erfordert es
ziemliche Mühe, die innere Ganglienhülle vom Hautmuskelsyncytium deutlich zu unterscheiden. Hat dagegen
die Umwandelung in ein Konglomerat von Zellen stattgefunden, was in beiden Gewebspartien
in , der gleichen Periode des Larvenlebens zu geschehen pflegt, so hält es nicht mehr schwer, die Grenzen
als scharf konturirte Linien aufzufinden. Zur nämlichen Zeit wird eine tiefe Ringfurche, welche ungefähr
in der Mitte des Larvenkörpers um den centralen Körnerzapfen herumgreift, sichtbar. Aus dem
vorderen, die innere Hülle des Ganglions bildenden Segmente des centralen Kernhaufens gehen die
Wandungen, die Retractores, die Protrusoren und die Retinacula des Receptaculum hervor. (S. Tafel 10,
Fig. 5.)
Nach diesen allgemeinen Betrachtungen haben wir noch den Bildungsgang der einzelnen Muskeln
zu verfolgen.
Am vorderen Rande der inneren Ganglionscheide, also da, wo der Ganglienzellenhaufen mit dem Rüssel -
syncytium zusammenstösst, liegen in einer Einkerbung des flachen Vorderrandes zwei Zellen, die durch
die Form ihrer Nucleoli als echte Muskelzellen’sich ausweisen. Zunächst findet man sie noch am Dorsalrande
der Kontaktfläche, bald aber rücken sie weiter nach innen vor, bis sie endlich das Centrum derselben
einnehmen (s. Tafel 2, Fig. 11 mp). Die sie begleitenden Plasmaballen haben sich inzwischen
zu einem sehr flachen, mit einer axial gelegenen kreisförmigen Oeffnung versehenen Konus vereinigt,
dessen Spitze, nach vom gerichtet, sich etwas in die weiche Masse der Rüsselanlage eindrückt (s. Tafel 10,