Ueber die Natur der Scheidenauskleidung gehen die Ansichten der verschiedenen Forscher weit
auseinander. B a l t z e r schreibt ihr einen muskulösen Charakter zu und erblickt in ihr den Antagonisten
der beiden mächtigen Sphinkteren. L e u c k a r t und S ä f f t ig e n aber räumen ihr eine
sekretorische Thätigkeit ein, wenngleich auch Letzterer eine eventuelle Kontraktilität nicht absolut leugnen
möchte. Ich kann mich L e u c k a r t ’s Ansicht anschliessen. Die Anwesenheit der zahlreicher»:, mit
Tinktionsflüssigkeiten absolut nicht färbbaren Längsstreifen, das trübkörnige Aussehen und die dunkelgelbe
oder bräunliche Färbung, Avelche die Plasmamassen beim lebenden Tliiere zeigen, sind Merkmale,
die ich niemals bei ächten Muskelzellen beobachtet habe.
Bei Echinorhynclms gigas umhüllt der äussere Sphinkter zwei ringförmige und dicht hinter einander
liegende kleinere Sphinkteren, die in ihrem feineren Baue mit dem inneren Sphinkter des
Echinorhynclms angustatus völlig übereinstimmen und gleich dem letzteren auch je zwei Kerne enthalten.
Der äussere Sphinkter dagegen besteht aus einem engmaschigen Ringmuskelrohrnetze, dessen
schlitzförmige Spalten durch Sarkolemma vollständig ausgefüllt sind. Die vorderste Faser weitet sich
an der Rückenfläche sehr stark aus und bildet einen weit vorspringenden, mächtigen Bcutelanhang.
In letzterem liegen die beiden sehr grossen runden Zellkerne. Die schlanken Drüsenzellen fehlen der
Vagina des Riesenkratzers vollständig. Die innere Wand des Scheidenkanales bildet hier eine Fortsetzung
der farblosen, hyalinen, die Uterushöhle auskleidenden Plasmaschicht.
Es wird wohl hier der passende Ort sein, um die Frage, welche Bedeutung jener dunkelgelben
oder bräunlichen Masse, die man dem Schwänzende des frisch begatteten Weibchens in Foi’m einer
rundlichen Kappe aufsitzen sieht, beizumessen ist, einer endgültigen Entscheidung entgegen zu führen.
v. S ie b o ld erkannte in dieser Anhangsmasse das erhärtete Sekret der sechs accessorischen
Drüsen des Männchens und betrachtet selbige als eine Kittmasse zur besseren Vereinigung der beiden
Geschlechter bei der Begattung. W a g e n e r machte die höchst interessante Beobachtung, dass beim
Abreissen . der kappenförmigen Anhangsmasse ein Spermastrom aus der weiblichen Geschlechtsöffnung
herausfliesse, und zieht daraus den vollkommen berechtigten Schluss, dass diese Substanz Avohl eher einer
Stopfmasse zu vergleichen sei. L e u c k a r t hält endlich die Deutung als Spermatophore für ebenso
berechtigt, Avie die als Stopfmasse.
Legen wir zum ZAvecke einer eingehenderen Untersuchung der FormVerhältnisse einen Längsschnitt
durch das Schwauzende eines frisch begatteten Weibchens, so zeigt es sich, dass die gelblich
braune Masse nicht nur das Hinterleibsende inkrustirt, sondern auch den stark ausgeAveiteten Vaginalkanal
und dessen vordere trichterförmig erweiterte Mündung vollständig ausfüllt. Aus dieser einzigen
Beobachtung geht schon auf das unzweideutigste hervor, dass die fragliche Substanz nichts anderes sein
kann, als eine ächte Stopfmasse. Mit ihr verschliesst das Männchen nach vollzogener Begattung, aber
noch bevor seine Bursa copulatrix das weibliche Schwanzende loslässt, die Vulva, und verhindert hierdurch,
dass die eingeführten Spermamassen, denen überdies das Eindringen in den Glockenraum durch
die ventilartigen Eileiterenden sehr erschwert wird, infolge der Kontraktion der stark ausgeweiteten
Uteruswandung wiederum nach aussen getrieben werden.
Die Entwickelungsgeschichte der weiblichen Genitalien.
Oeseliichtlicher TJeberblick.
Im Folgenden haben wir zAvei Gegenstände zu behandeln, nämlich die EntAvickelungsgeschichte der
weiblichen Ausleitungswege und die der sogenannten frei schAvimmcndeu Ovarien. ,§|||ber den erstgenannten
Üegenstand existiren ausser den vortrefflichen L c. u c k a r t ’sehen Arbeiten nur noch wenige Angaben
von ziemlich untergeordneter Bedeutung. Dagegen hat die Entstehungsart der Ovarien zu Aviederholten
Malen das Objekt eingehender Erörterungen gebildet. Wir Avollen zunächst den Arbeiten, Avelche mit
dem letzteren Thema sich beschäftigen, unsere Aufmerksamkeit widmen.
Als ersten Forscher, dessen Bestrebungen darauf hinaus gingen, den Mutterboden, auf dem jene
länglich ovalen Ovariälscheibeü entstehen, ausfindig zu machen, müssen wir A. II. W e s tr u m b 1) nennen.
Selbiger fand bei Echinorhynclms porrigens zahlreiche flaschenförmige Bläschen (Markbeutel), Avelche Arer-
mittelst sehr dünner Stiele an der Innenfläche der Leibesmuskulatur befestigt waren und zahllose rundliche
oder ovale Körperchen (Eier) enthielten. In letzteren glaubt W e s trum b die frühesten Entwickelungsstadien
der in der Leibeshöhle oder in den Ligamentsäcken flottirenden Placentulae entdeckt
zu haben. Wie W e s trum b zu dieser allerdings irrigen Ansicht gelangen konnte, Avird Avohl jedem
der sich mit der Untersuchung des Echinorhynclms porrigens nie- selbst befasst hat, völlig räthselhaft
erscheinen. Und doch war in der damaligen Zeit, in Anbetracht der dürftigen optischen Hülfsmittel
eine derartige Auffassung leicht möglich. Breitet man nämlich den in ganzer Länge aufgeschniltenen
und sorgfältig ausgespülten Hautmuskelschlauch aus, so bleiben doch noch zAvischen den Hälsen der fast
die ganze Flächt; bedeckenden Markbeutel reichliche Mengen von Eiern und Ovarien hängen. Bedenkt
man ferner, dass diese Markbeutel vollkommen durchsichtig, sind, so wird es Avohl begreiflich, wie
W e s trum b zu dieser Annahme sich verleiten lassen konnte.
v. S i e b o 1 d 2) sah bei Echinorhynclms gibbosus einen grossen Theil des Ligamentum Suspensorium
mit grossen körnigen Kugeln besetzt, während er in der Leibeshöhle lose Ovarien und Eier vermisste.
Er vermuthet daher, dass dieses Ligament clcr Boden ist, aus Avelchem die Ovarien in Kugelform hervorsprossen,
und dass sich dieselben späterhin ablösen und in der Ernährungsflüssigkeit der Leibeshöhle
flottirend sich Aveiter entwickeln.
D u j a r d i n 3) verwirft auf Grund seiner Beobachtungen am Echinorhynclms agilis das Ligamentum
Suspensorium als Boden für die Ei bi Idung und sucht den Nachweis zu liefern, dass die Ovarien ähnlich
Avie die Echinococcusbrut auf der Innenfläche des gesammten Hautmuskelschlauches hervorknospen (vergl.
W es trum b )," um auf einem gewissen Entwickelungsstadium abzufällen und dann in der bekannten Weise
sich weiter zu entAvickeln.
G. W a g e n e r 4) nimmt zu dieser Frage eine mehr vermittelnde Stellung ein. Einerseits erkennt
*) D e helminthibus acanthocephalis, 18 2 1 , pag. 57, T ab . 2, F ig . 30, 31.
9) D ie P h y sio lo g ie als E rfahrungswissenschaft v. K. F r . B u r d a c h . 2. Aufl. 2. Bd., 1837, pag. 195—200.
Lehrbuch der verg le ich en d en Anatomie der w irb e llosen T hie r e . 1848. 5. Buch. D ie Helminthen, pag. 149.
8) H isto ir e nature lle des Helminthes. 1845, pag. 536, 493.
*) He lm in th o lo g isch e Bemerkungen aus einem Send sch r eib en an C. T h . v. S i e b o ld . Z e itsch rift für w issen sch
a ftlich e Zoologie . 9. Bd. 1858, p ag. 8 1—83.