den Polen gesehen haben. In Fig. 39 u. 40 kann man kaum noch mit Sicherheit sagen, welche unter
den dreien die ursprünglichen beiden Pole der Kolonie sind, und man wird die letztere einfach als eine
dreispitzige zu bezeichnen haben.
Bestätigen diese Funde einerseits aufs glücklichste unsere Angaben über die Art des Wachsthums
der Cristatellenstöcke, so zeigen sie andererseits, dass wir für die Bryozoen des Süsswassers nicht
nur die Knospung von Einzelthieren anzuerkennen haben, sondern dass sich noch eine andere, die
ganzer Kolonien, constatiren lässt, welche durch Austülpungen der Wandung älterer Kolonien/ bewirkt
wird. Denn wir sind um so mehr berechtigt, jenen seitlichen Vorwölbungen, welche sich an der mütterlichen
Kolonie selbständig weiterentwickeln, im Verhältnis zu ihr den Werth von Knospen beizumessen,
als dieselben sich ohne Zweifel schliesslich ganz loslösen und nun auch äusserlich isolirt fortbestehen.
Ich habe das allerdings nicht direct zu beobachten vermocht, halte es aber gleichwohl für sicher, weil
nicht nur der Zerfall gestreckter Kolonien in einzelne Theile häufig durch Abschnürungen angebahnt wird
und selbst bei gewaltsamer Trennung*) die Theilstücke ungefährdet bleiben, sondern auch weil ich niemals
Auswüchse vom Umfang einer grösseren Kolonie habe entdecken können, dieselben also vermuthlich
bei Zeiten abgetrennt werden.
Als unerlässliche Bedingung für das Wachsthum des Cristatellenstockes erscheint seine Beweglichkeit
auf der Unterlage, die ich hiemit zuerst in ihrer wahren Bedeutung erkannt zu haben glaube.
Ausserdem gilt jedoch, und namentlich bei den Jugendformen, die Angabe Verwoms, dass „die Kriechbewegung
der Kolonie die Resultante aus den von den einzelnen Thieren auf die Fusssohle wirkenden
Zugkräften“ ist, und dass „ihre Richtung bedingt ist durch die Richtung der einzelnen Thiere“. Unter
diesen „Zugkräften“ dürfte nur die Flimmerbewegung in Betracht kommen. ^ An die „Saugnäpfe“
Reinhards**) glaube ich' nicht.
Die geschlechtlich erzeugten Larven (Taf. IV, Fig. 59) entwickeln sich nach ihrer Festsetzung
ohne Zweifel ebenso wie die Statoblastenthiere. In der Kolonie Fig. 60 ist der mit x bezeichnete Körper
wahrscheinlich der in Rückbildung begriffene Rest der larvalen Leibeswand.
Als Curiosität habe ich in Fig. 41, Taf. II, ein Exemplar abgebildet, das in der Mitte ein 2 mm.
langes und 1 mm. breites Loch zeigt, in dessen Umgebung sich eine scheinbar normale, innere Knospungszone
befindet. Von einer Weiterentwickelung der hier gelegenen Knospen kann natürlich keine Rede sein.
Ich erkläre mir das Zustandekommen dieser Missbildung aus einer dreispitzigen Form, deren beide
nächstbenachbarte Pole, vielleicht in Folge einer Verletzung, verschmolzen sind. Der Schachtelhalm, an
dem sie sich fand, war so dicht mit Kolonien besetzt, dass eine Bewegung' derselben so gut wie ausgeschlossen
war.***)
*) I» diesem Falle tritt unter Contraction des Wundrandes eine raselie Verwachsung desselben ein.
**) Zool. Anz. 1880, S. 212.
***) Am Schluss des Kapitels möchte ich noch erwähnen, dass eine ganz ähnliche Altersfolge, wie sie für die
Individuen der Phylactolaemen-Kolonie charakteristisch ist, auch bei den Polypengruppen der Siphonophoren, speciell bei
Haliatemma nachgewiesen wurde. In den Sitzungsberichten der Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin,
1888, S. 1167 ff., hat Chun gezeigt, dass diese Gruppen in der Weise auf einander folgen, wie es die Formel
~ ^ ^ ausdrückt, also genau so, wie ich es auf S. 83 ^
A * a b B a' C D der vorliegenden Arbeit durch das Schema A B? Br^ " c B" C' C D
umschrieben habe. Diese in der That auffällige Uebereinstimmung legt die Vermuthung nahe, dass auch das Detail der
Entwickelung manches Verwandte darbieten möchte..
3. Die Entwickelung der Einzellhiere.
Nur ein Theil der ursprünglichen Knospenanlage, deren oberer Abschnitt für Fortpflanzungszwecke
Verwerthung findet, wird schliesslich dem einzelnen Individuum einverleibt.
Die Wandlungen, welche derselbe erfährt, sind von Nitsche ausführlich beschrieben, aber nicht
überall richtig erkannt worden. Ich werde in meiner Darstellung mehrfach auf Thatsachen hinzuweisen
haben, welche mit den Angaben des genannten Forschers im Widerspruch stehen, ohne je zu vergessen,
wie viel ich diesen Angaben auch da schuldig bin, wo ich sie nicht bestätigen kann.
Nach Nitsche entsteht der Darmtraetus aus dem unteren Theil des Knospehsackes in der Weise,
•dass „sich jederseits an der Knospe eine Furche bildet, welche beide Blätter derselben nach innen
gegen einander zu einstülpt. Man muss sich den Vorgang ähnlich
denken, wie wenn man einen zweischichtigen hohlen Gummiball in beide
Hände nähme und nun mit dem Finger jederseits so lange drückte, bis
sich die beiden Fingerspitzen, getrennt durch die vierfachen Wandungen
des Balles, gegeneinanderlegten.“*) Die Furche ist äusserlich nicht
gleich sichtbar, sie zeigt sich erst, nachdem jederseits „eine wuchernde
der äusseren Knospenschicht entstammende Zellleiste“ das innere Blatt
gegen die Medianebne vorgeschoben hat. Die Falten treffen alsdann
zusammen und verschmelzen. So wird ein Stadium erreicht, welches
Nitsche durch das in unserem Text wiedergegebene Schema veranschaulicht
hat. „Wir erhalten oben einen hohlen zweischichtigen Sack, dessen
Wandung die Anlage der Tentakelscheide darstellt, an den sich nach unten wie ein hohler Henkel der
Darmkanal anschliesst. . . Der Darm coinmunicirt mit zwei Oeffnungen, der Mund- und Afteröffnung,
mit dem Hohlraum der Tentakelscheide.“
Während hienach der Darm durch eine Art Abschnürung von der Knospe als c o n t in u i r l i c h e s
R o h r seine Entstehung nimmt, vollzieht sich die letztere nach meinen Beobachtungen in folgender Weise.
Die Knospe, welche anfangs in Form eines rundEchen Knopfes dem Halse der Mutter oder der
•daraus hervorgegangenen Cystidwand ansitzt, verlängert sich schlauchförmig (Taf. IX, Fig. 107, B) und
erscheint von da an „so zusammengedrückt, dass der kürzeste Durchmesser ihres Querschnittes in die
Medianebene fällt“ (vgl. Taf. VIII , Fig. 100, B). Dies ist von Nitsche vollkommen treffend bemerkt
worden. Demnächst wird ihr unterer Theil ein wenig nach vom gebogen, so dass sie in der Mitte nach
Art eines Komma geknickt erscheint (Taf. IX, Fig. 108, B). In Folge dessen markiren sich an der
Oralseite zw ei Abschnitte, welche durch eine Querfalte (Fig. 108, *) geschieden sind. Der obere Abschnitt
bezeichnet das Feld, wo sich die Tochterknospe entwickelt. An der Analseite springt das Lumen der
Knospe ungefähr auf der Hälfte seines längsten Durchmessers im scharfen Winkel gegen das innere
Blatt vor (Fig. 108, a). Dieser Winkel ist der Beginn einer Ausstülpung, welche in der Mediane abwärts
verläuft und dem unteren Theil des primären Knospenlumens sich parallel stellt (Fig. 106 109, an).
Die Ausstülpung, welche zunächst nur das innere Blatt betrifft, erscheint aber nicht gleich in Form eines
•typischen Bruchsacks, sondern als ein mit langer Spalte geöffneter Falz, der sich nach unten zu düten