B. Gymnolaemata,
P a l u cli c ei l a E h r e n b e r g i i .
Ich habe Paludicella mir am lebenden Thier studirt und kann daher dem, was über den Bau.
und die Entwickelnng dieser Form bereits bekannt ist, nicht viel Neues hinzufügen. In einem Punkt,
aber stehen meine Beobachtungen in einem Gegensatz zu der seit Allman gangbaren Ueberlieferung.
Allinan und selbst noch Kraepelin berichten von einer Quermuskulatur der Cystidwand, welche dieselbe-
zu einem Drittel oder Viertel ihres Umfangs „tonnenreifartig“ umspannen und in Gruppen von 2—3
Fasern der „Endocyste“, d. h. dem Integument, eingelagerfc sein soll. Von einer so beschaffenen Muskulatur
habe ich mich bei Paludicella nicht überzeugen können. Ich finde, dass die fraglichen Fasern gerades-
wegs den Hohlraum des Cystids durchsetzen und zu beiden Seiten des Polypids, also paarweise, den analen
Theil der Cystidwand mit dem oralen verbinden. Sie sind zu Bündeln von 2— 6 Fasern vereinigt und
beginnen als solche etwas unterhalb der Mündung des Polypids, bei jüngeren Thieren ungefähr da, wo
das Cystid in den verschmälerten Theil übergeht, bei älteren reichen sie weiter nach oben. Die Bündel
des Paares divergiren ein wenig nach der Analseite zu. Die Paare folgen einander etwa in Zahl von
10. Abwärts gegen die Basis des Cystids, wo dieses durch das Septum („Rosettenplatte“) von dem
älteren Thier geschieden ist, rücken sie dichter zusammen. Oberhalb des Septums liegt eine grössere,
unpaare Muskelgruppe, in welcher man einzelne Bündel nicht mehr zu sondern vermag. Auch diese Gruppe
wird paarig angelegt und zwar als die erste von allen. Sie ist schon deutlich entwickelt zu einer Zeit,
wo das Polypid noch keine speciellen Differenzirungen zeigt, sondern als eine längliche, zweischichtige
Beule innerhalb des zum voraus gebildeten Cystides dasteht (S. 128, Fig. Ia u. Ila). Man sieht (dann,
im Hintergründe des letzteren, dicht über dem Septum (s) und diesem parallel, zwei starke Bündel verlaufen
(hpm), das eine links, das andere rechts vod der Mediane, bei kriechenden Zweigen senkrecht
zum Podium. Aber schon früher, ehe noch das Polypid sich bemerkbar macht und während das Septum
als flacher Ringwall eben erst angedeutet ist, treten Spuren dieser Muskeln zu Tage. Sie liegen dann
beiderseits fast noch im Epithel der Leibeswand, und ich möchte glauben, dass ihre Bildung in ähnlicher
Weise geschieht, wie bei den Retractormuskeln, sowohl der Paludicella als der Phylactolaemen, dass
nämlich gewisse Zellen des inneren Epithels beim Wachsthum der Leibeswand sich zu langen Fasern aus-
ziehen, dabei aber gleichzeitig in ihrem mittleren Theil aus dem Verbände der übrigen Epithelzellen
sie loslösen und selbständig werden. Später wird das hinterste Bündelpaar, das, wie gesagt, allmählich
in eins verschmilzt, durch die kleineren Bündel vermehrt, welche sich, vermuthlich in gleicher Weise,,
nach der Polypidknospe zu successive vom inneren Epithel abspalten (S. 128, Fig. IIc, pm).
Diese Muskeln gehören also nicht mehr der Leibeswand an, sondern stehen mit derselben nur
an ihren äussersten Enden, oben und unten, in Verbindung. Sie scheinen völlig den Parietalmuskeln
zu entsprechen, welche Nitsche bei Flustra membranacea beschrieben und ausdrücklich in einen Gegensatz
zu den Fasern der Tunica museularis der Phylactolaemen gestellt hat.*) Wie jene sind sie bestimmt,
durch ihre Contraction das Volumen der Leibeshöhle zu vermindern und so die Ausstülpung des Polypids
zu bewirken.
Auch die übrigen Muskeln der Paludicella, d. h. jene, welche zum Polypid in unmittelbare Beziehung
treten, werden vom inneren Epithel resp. vom äusseren Knospenblatt gebildet. Obwohl ich die
Muskelbildung im Detail nicht verfolgen konnte, so unterliegt es doch keinem Zweifel, dass sie sich in
ganz ähnlicher Weise vollzieht wie bei den Phylactolaemen. Der grosse Retractor tritt zuerst in dem
Winkel zwischen dem oralen Theil der Polypidknospe und der Cystidwand auf (in Fig. Ia u. Ila auf
S. 128 ist die Stelle mit r bezeichnet), dann ziehen sich seine Zellen immer länger aus, und indem sein
Ursprung weiter und weiter vom Polypid abrückt, stellt er schliesslich ein Bündel dar, welches eine
Stelle zwischen der Mündung des Polypids und dem unteren Septum mit dem Pharynx und, wie ich
glaube, auch mit dem Cardialtheil des Magens verbindet. Da der Ursprung an der Cystidwand nur auf
einen schmalen, medianen Raum beschränkt ist, so laufen die Fasern nach dem voluminösen Pharynx
zu auseinander und erscheinen, von der Oralseite betrachtet, paarig geordnet (S. 128, Fig. I b, r).
Zu beiden Seiten der Mündung des Polypids, d. h. am analen Ende der ursprünglichen Knospenanlage,
werden die Parietovaginalmuskeln in Gestalt zweier grösser, paariger Bündel angelegt. Es geschieht
das zu einer Zeit, wo die wesentlichsten Theile des Polypids, der Darm, die Tentakeln und die
Tentakelscheide, ferner die beiden Funiculi, bereits deutlich entwickelt sind und wo der Retractor schon
längst als isolirtes Bündel differenzirt ist. Die Parietovaginalmuseln erscheinen an der Knospe zuerst in
Form zweier seitlicher Leisten, in welchen die einzelnen jugendlichen Fasern senkrecht zur Längsaxe
verlaufen. Indem sich alsdann lateral von der Knospe das Cystid durch Neubildungen erweitert, werden
die Fasern verlängert und die beiden Bündel treten in Flügelform deutlicher zur Rechten und Linken
der Mündung hervor (S. 128, Fig. II c, pvm). Ihr Ursprung an der Cystidwand rückt nun von der
Mündung immer weiter ab und gelangt schliesslich auf die gegenüberliegende Seite, wo er anal und
lateral seinen definitiven Platz findet (Ila u. Ib). Die Flügel schlagen also, indem sich die Knospe entfaltet,
gleichsam nach hinten zurück, wobei sie in der Querebne des Cystids eine Segmentfläche bestreichen,
ein Vorgang, der ganz an die Bildung des Retractors bei Cristatella erinnert. Jeder der beiden
Flügel spaltet sich im Lauf der Entwickelung in zwei Hälften, so dass uns dann 4 paarig geordnete
Muskelbündel entgegentreten, die mit breiter Basis an der Cystidwand entspringen und unter Convergenz
der Fasern des einzelnen Bündels nach den 4 Ecken der Mündung verlaufen. Es schien mir, als ob
die Parietovaginalmuskeln in nächster Verwandtschaft zu den Parietalmuskeln stünden, und dass sie im
Grunde nur eine vorderste Anhäufung der letzteren repräsentiren, welche im Mündungsbereich der Knospe
in engere Beziehung zu dieser getreten sind und andere Functionen übernommen haben.**)
*) Beiträge II, Ztschr. f. wiss. Zool. 1871, Bd. XXI.
, **) Andererseits fällt es mir schwer, zu glauben, dass diese Fasern lediglich den Duplicaturmuskeln der Phylactolaemen
entsprechen sollen, und habe ich gedacht, ob sie vielleicht dem äusseren Btindelpaar des Retractors, dem