Die Zellen des inneren Epithels der Cystide von Paludicella sind insofern merkwürdig, als ihr
Plasma von zahlreichen Körnchen durchsetzt wird, welche ganz das Aussehen jener Dotterkugeln besitzen,
die der Hauptbestandtheil der Bildungsmasse der Statoblasten sind. Besonders reich sind die
Körnchen in den jüngsten Gliedern des Stockes vertreten. Hier bilden sie fast den alleinigen Inhalt
der zugehörigen Zellen, welche als rundliche und mehr oder weniger längliche Säckchen das Ectoderm
an der Innenseite bekleiden. In der nächsten Umgebung der Polypidknospen pflegen die körnchen-
führenden Zellen weniger häufig zu sein, wohl deshalb, weil die Dottersubstanz bei den Neubildungen
resorbirt wird. An solchen Stellen, aber auch sonst zuweilen, erkennt man, dass sich neben den Körnchenzellen
noch andere im inneren Epithel vorfinden, welche von spindelförmiger Gestalt sind und dem Ectoderm
nach Art eines Plattenepithels, wenn auch vielleicht nicht lückenlos, anliegen.*)
Die Körnchenzellen stehen in enger Beziehung zu den Muskeln, welche ja gleichfalls Mesodermbildungen
sind. Sieht man einen jugendlichen Muskel, beispielsweise die Parietovaginalbündel, in der Lage,
dass die einzelnen Fasern senkrecht auf den Beobachter gerichtet sind (S. 128, Fig. IIc, pvm), so läuft
man Gefahr, ihn mit jenen Körnchenhaufen zu verwechseln, und man ist der Versuchung ausgesetzt, die
Körnchen selbst für die Erzeuger des Muskels zu halten. Es kann aber nicht zweifelhaft sein, dass
die Körnchen überall nur den Werth von Nährmaterial haben, und dass sie auch zu den Muskeln in
keinem ändern Verhältnis stehen.**)
Ansammlungen von Dottersubstanz finden sich aber bei Paludicella nicht nur im inneren Epithel.
Sie treten auch, und zwar in der Regel als grössere, kugel- und wurstförmige Körper, in den Polypidknospen
auf, wo sie bereits auf ganz jugendlichen Stadien die Dannhöhle bezeichnen, oder genauer, das
Lumen des Enddarms und des Magens (S. 128, Fig. Ila u. Ia, D). Sie werden hier im Lauf der Entwickelung
immer reichlicher abgelagert, und oft bildet sich dann um jede der Dotterkugeln zunächst
ein besonderes Lumen (II b), woraus durch Verschmelzung die grösseren Hohlräume hervorgehen. Noch
auf späten Stadien, bei fast vollendeten Polypiden, sieht man die Dotterballen im Pyloricaltheil des
Magens von den Cilien umhergewirbelt.
Die der Resorption dienenden Darmabschnitte, Magen und Enddarm, werden gemeinsam angelegt
indem auf jeder Seite der Knospe eine Längsfalte die Wandungen nach innen und gegen einander
zu einbiegt, worauf die benachbarten Theile des inneren Blattes verschmelzen und so durch eine Art Abschnürung
das primäre Knospenlumen in den vorderen Atrialraum und die hintere Darmhöhle getrennt
wird. Das äussere Knospenblatt nimmt an dieser Abschnürung nur in der Mitte zwischen dem oralen
und analen Ende der Falte Theil (vgl. S. 128, Fig. Hb : IIc). Von Nitsches Beschreibung der Darm-
Rotator“ Allmans, beigetreten sein könnten, von dem es ungewiss ist, ob er schon in dem Retractor der Paludicella enthalten
ist. Diese Annahme stösst aber auf mancherlei Schwierigkeiten, und wage ich nicht, sie mit irgend welcher
Bestimmtheit zu äussem.
*) Nitsche hat im inneren Epithel der Flustra „rundliche oder unregelmässig geformte Haufen runder, scharf
begrenzter, ungemein stark lichtbrechender Körner“ beschrieben, „die ins Lumen der Knospe [Cystidknospe] hineinragen“.
Ich vermuthe, dass dies Bildungen ähnlicher Art sind wie die Körnchenzellen der Paludicella.
**) Sollte die „masse graisseuse“, welche Barrois bei den Larven mariner Formen beobachtet hat und welche
nach ihm „in sehr vielen Fällen den M u s k e l f a s e r n der erwachsenen Form die Entstehung giebt“, am Ende nicht auch
z. Th. auf Mesodermbildungen zurtickzuftthren sein, welche hier im Anschluss an ein zerfallendes Polypid einen besonderen
Dotterreichthum entwickeln?
bildung bei Flustra und von derjenigen Barrois’ bei Mcyoniäium*) unterscheiden sich meine Beobachtungen
dadurch, dass ich den durch die Abschnürung entstandenen Sack am oralen Ende geschlossen glaube,
während nach den genannten Autoren hier eine Communication mit dem Atrium als Mund persistiren
soll (S. 128, Fig. Ilb bei or); ferner dadurch, dass ich diese als Muud gedeutete Stelle auch späterhin
nicht als solchen, sondern als Ueb er gangsstelle zwischen dem Cardialtheil des Magens und dem Oesophagus
in Anspruch nehme. Denn ich glaube erkannt zu haben, dass auch bei Paludicella der Munddarm nicht
gemeinsam mit den übrigen Th eilen des Darms entsteht, sondern dass er vom Atrium aus als eine gegen
den oralen Theil des Magens vordringende Ausbuchtung angelegt wird, welche dann secundär in jenen
durchbricht. So hat auch Allman in Fig. 7 u. 8 auf Taf. 11 des Monograph das Verhältnis dargestellt**).
Der definitive Mund entspricht schliesslich der ganzen oberhalb der Intestinalfalte gelegenen Platte des
Atriums, an deren Peripherie die Tentakeln entstehen, und deren zuletzt in den Bereich des Darms ein-
bezogene Theile den Pharynx bilden; so dass beispielsweise in dem Medianbilde Fig. Hb auf S. 128
der eigentliche Mund nicht bei or zu suchen wäre, sondern den Raum von ot bis at einnehmen würde.
Im Pharynx und im Oesophagus fehlt die Dottersubstanz.
Vermuthlich ist eine zwischen dem embryonalen Mund und den analen Tentakeln vor sich gehende
Einstülpung des inneren Knospenblattes als Anlage des Nervensystems zu deuten (S. 128, Fig. Ilb, n).
Der Ringkanal entsteht aus zwei von der Afterseite her den Mund umgreifenden Einstülpungen
des äusseren Knospenblattes, offenbar ähnlich wie bei den Phylactolaemen. Eine dem Gabelkanal vergleichbare
Bildung ist mir nicht aufgefallen und, falls bei Paludicella in der That jede Andeutung einer
Epistomhöhle fehlt, auch nicht wahrscheinlich.
Die beiden Funiculi scheinen aus einer Verschmelzung des äusseren Knospenblattes mit dem
inneren Epithel der analen Cystidwand hervorzugehen, mit welcher das Polypid auf einem gewissen
Stadium in nächste Berührung tritt (Fig. Ilb, f; vgl. Allman, Taf. 11, Fig. 7—9). Nach Allman entspricht
nicht j e d em Funiculus eine derartige Verschmelzung, sondern beide entstehen aus einer einheitlichen
Anlage, welche sich in zwei Bänder theilt (Monograph S. 36). —
Vergleicht man eine junge Polypidknospe der Paludicella, etwa wie sie die Zeichnung Ia der folgenden
Seite in der Ansicht von oben wiedergiebt, mit* einem weiter vorgeschrittenen Individuum (Ib), so
scheint es sicher, dass auch hier ein grösser Theil des definitiven Cystids, das ja zum anderen Theil schon vor
der polypoiden Knospenanlage entwickelt war, aus dem Material dieser letzteren hervorgeht. Das folgt
namentlich aus der Art und Weise, wie sich die Muskeln bilden. In I a liegen die Myoblasten des Re-
tractors bei r, die der Parietovaginalmuskeln bei pvm. In Ib, wo sich dieselben zu langen Fasern ausgezogen
haben, ist ihr Ursprung weit vom Polypid abgerückt. Es müssen also die zwischen dem Ursprung
der Fasern und ihrer Insertion am Polypid gelegenen Cystidtheile aus der Knospenanlage der Fig. Ia
sich entwickelt haben, mithin deren oberste Zellen in die Leibeswand übergegangen sein. Es würde
*) Recherches sur l’embryologie des Bryozoaires, p. 254.
**) Der zugehörige Text (S. 36) lautet: „The central space between the rudimental tentaeula is prolonged downwards,
constituting the first trace of a pharynx; and immediately below this, the mass of the polypide is hollowed out
into an internal cavity, which is to become stomach and intestine. 'The cavity is at first filled with clear, round bodies,
having a high refracting power, but in which J could not trace the double outline of a true cellwall“ (Dottersubstanz).