Organ, dessen Funktion nicht sofort aus dem Baue zu erschliessen war, mit der Speisebearbeitung iir
directe Beziehung brachte.
M ü l l e r 1) und B lo c h 2) hatten auf der Rüsselspitze eine papillöse Erhebung gesehen und
glaubten in ihr ein Saugorgan gefunden zu haben, vermöge dessen die Nahrung in die Rüsselhöhle
gelange. Diese Hypothese gewann eine Stütze in G o e z e ’s8) Beobachtung, dass sich beim „Reiherkratzer“
eine förmliche Saugtrompete vorfinde. Dieses tubaartig gestaltete Organ sollte nach gehöriger
Befestigung des Rüssels nach aussen umgestülpt werden und den Uebertritt der Darmsäfte vermitteln.
Die von der Saugpapille absorbirten Flüssigkeiten gelangen nach R u d o 1 phi4) und N i t z s c h 5) in das
Receptaculum und von hier in die beiden seitlich angefügten Lemnisken, in denen sie zu Blutsäften
umgewandelt werden. Letztere treten in das Gefässsystem der Haut ein und werden so im ganzen
Körper gleichmässig vertheilt. Derselben Ansicht huldigen auch. W e s tr um b 6) und C lo q u e t7), nur
fanden diese Forscher eine weitere Komplikation des Verdauungsapparates, nämlich eine Schlundröhre
(Retrator proboscidis), die von der Bapille aus bis zum Grunde des Receptaculums herabführte.
Nach B u row 8) besteht der Verdauüngslraktus beim Echinorhynchus strwnosus aus dem Rüssel,,
dem Receptaculum und den beiden Darmröhren (Retinacula), die lateral mit zwei After Öffnungen nach aussen
münden. Ueber die Bedeutung der Lemnisken ist B u row sich nicht klar geworden. W e d l9) hält die-
beiden letztgenannten Gebilde für Speicheldrüssen, die ihr Secret in die Rüsselhöhle entleeren. Nach
M e h l i s 10) und C r e p l in 11) besitzen die Acanthocephalen hinsichtlich des Tractus intestinalis eine unverkennbare
Aelmlichkeit mit den Trematoden. Auf der Rüsselspitze liegt eine grosse Mundöffnung.
Selbige führt in das hohle, muskulöse Receptaculum (Pharynx), das als Saug- und Schluckorgan Verwendung
findet. Der Rüsselsack communicirt vermittelst zweier Canäle (Retinacula) mit den von
C lo q u e t aufgefundenen Seitenröhren, die nun als Gebilde aufgefasst werden, die dem gabelig gespaltenen,
afterlosen Darme der Trematoden analog seien. Die Lemnisken sind drüsige Organe, die ein die-
Darmwand des Wirthes reizendes Secret absondern und dicht hinter der letzten Hakenreihe ausmünden.
Nach de B la in v i l l e 12) und L am a r c k 18) haben die Kratzer einen vollständigen Darm, der am
Rüssel mi t einem Munde beginnt, als gestrecktes Rohr (Retractor proboscidis, Ganglion, Ligamentum)
den Körper in seiner ganzen Länge durchzieht, und am hinteren Körperende, umgeben von einem
Nervenringe, nach aussen mündet.
') Zoologia Dänica, 1. Bd. pg. 142.
2) Abhandlung von der Erzeugung der Eingeweidewürmer, pg. 20.
s) Naturgeschichte der Eingeweidewürmer, pg. 153, Tafel 11, Fig. 12.
*) Entozoornm historia natnralis, pg. 252.
*) Allgemeine Encyclopaedie der Wissenschaften, Ersch und Gruber, pg. 241.
®) De helminthibus acanthocephalis, pg. 45. tab. 3 fig. 27.
7) Anatomie des vers intestinaux, pg. 76—85. tab. 7, fig. 2 , 5 .
8) Echinorhynchi strumosi anatome, pg. 15, tab. fig. 5, 1 d.
g Sitzungsberichte der k. k. Akademie zu Wien. Bd. 44: pg. 233.
10) Ökens Isis, 1831, Heft 1, pg. 82, Anmerkung.
n) Allgemeine Encyclopaedie von E r s c h und G r u b e r , 1 Th. 30, pg. 384.
lS) Dictionnaire d e s S c ienc e s n a tu r e lle s , 1819, pg. 205—207.
1S) Histoire naturelle des animanx sans vertebres, Tom. 3. pg. 640.
Wenn diese irrigen Angaben sich mit der Unvollkommenheit der damaligen Instrumente und
Hilfsmittel entschuldigen lassen, so ist es doch kaum-zu glauben, dass uns noch heute trotz der so
vielfachen Untersuchungen des anatomischen Baues dieselbe Ansicht zuni zweiten Male aufgetischt wird.
V il r o t 1), der als Franzose natürlich nicht nöthig zu haben glaubt, deutsche Forscher zu berücksichtigen,
gibt eine kurze anatomische Beschreibung einer in Sialisniger gefundenen encystirteu Kratzerlarve. Ueber den
Darm spricht sich V illo t (a. a. O. pg. 21) folgendermassen aus: L’étroit canal — der im Retractor
proboscidis verläuft — communique avec l’extérieur par l’orifice terminal de la trompe, traverse le
réceptacle, le ganglion céphalique, et vient déboucher dans la cavité du corps pour constituer le ligament
suspenseur des organes génitaux.
Nach W e i n l a n d ’s 2) Beobachtungen an Totalpräparaten repräsentiren die Lemnisken ein dem
zweisekenkligen Darme der Trematoden entsprechendes Organ. Zu gleichem Resultate kam M é g n in 8)
durch die Untersuchung etlicher eingekapselter Kratzer, die er in Varanus, Machetcs, Balaena gefunden
hatte. Die Darstellung wimmelt von Fehlern und Irrthümern, die theils der höchst oberflächlichen Untersuchung,
theils aber der mangelhaften Kenntniss der diesbezüglichen Schriften ihren Ursprung verdanken.
Wie sein Landsmann V i l lo t , so hält auch M é g n in es unter seiner Würde, sich mit deutschen Forschungen
bekannt zu maehen. Und so fördert er Irrthümer zu Tage, die recht deutlich erkennen lassen, wie wenig
Fleiss er dieser Arbeit gewidmet. Im Larvenleben besitzen die Kratzer nach ihm einen zweigetheilten Darm-4)*
der in der Gestalt zweier mit Zellen austapezirten Röhren an der Halsbasis ausmündet. Nach dem
Einwandern in den definitiven Wirth werden die Darmkanäle zurückgebildet und repräsentiren dann die
unter dem Namen Lemnisken bekannten Hautanhänge.
L e s p è s 5) fand im vorderen Rüsselabschnitte zwischen den Fasern des Retractors ein sackförmiges
Gebilde6), das er als Darmkanal in Anspruch uahm. Selbiges soll von einer Anzahl kernloser,
grösser Epithelzellen ausgekleidet sein, auf dem Scheitel durch eine Ocffnung ausmiinden und hinten mit
einem Drüsenkörper 7) in Zusammenhang stehen. Das „organe glanduleux“ hatte früher schon W a g e n e r 8),
beim Echinorhynchus acus beobachtet und als ein Rudiment des Embryonaldarmes in Anspruch genommen.
T r e u t i e r 9) war der erste Forscher, der den Nachweis zu liefern suchte, dass die Ernährung
der Acanthocephalen einzig und allein durch die Absorption der Leibeswand stattfinde. Diese treffende
*) Zoologischer Anzeiger, 12 . Januar, 1885, pg. 19—2.1. Bulletin de la Société des Sciences naturelles du Sud-
Est. Tome % pg. 52 etc. 1S84.
а) Proeeedings of tke American Pliilosopliical Society. Aug. 1856.
*> Bulletin de la Société Zoologique, de France. 7. Jahrg. 5. pg. 326—#46,
*) ln gleicher Weise bezeugt die Beschreibung der übrigen Organe, wie wenig M é g n in den Bau dieser Helminthen
verstanden h at: Die Hoden hängen an den beiden Retinacula, setzen sich nach unten in unförmig anfgetriebene
Schläuche fort und münden in den „canal uréthral“ (Bursa). Die Kittdrüsen werden beim Echinorhynchus. brevicollis Samenleiter,
beim Echinorhynchus proteus »Samenblasen genannt. Bei geschlechtsreifen Individuen soll das Ovarium die ganze
Leibeshöhle auskleiden. Das Ligament fun.ktionirt anfangs als Eiersack, später wird es zum Uterus selbst. Die Uterusglocke
hat M é g n in völlig übersehen.
б) Journal do l’anatomie et do physiologie, Robin, 1864, pg. 683.
®) Das sackartige Gebilde ist in Wirklichkeit nichts Anderes als das vorderste Stück des eingestülpten Rüssels.
’) Der Drüsenkörper mag mit den von B a l t z e r zwichen den Retractoren aufgefundenen Zellen identisch
sein. Archiv für Naturgeschichte, 1880. pg. 23.
8) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, 9. Bd. pg. 79.