Untersuchung auffordem, und der dabei noch eine so hohe praktische Bedeutung besitzt, die gebührende
Beachtung bisher fast völlig versagt wurde; denn ausser einigen kurzen Mittheilungen, begleitet von ungenügenden
Abbildungen besitzen wir, wie der historische Ueberblick darthut, keine weitere Nachricht,..
Durch diese Thatsache veranlasst, hat die hohe philosophische Fakultät der Universität Leipzig die
Darstellung des Baues und der Entwicklung der als Rübennematode bekannten Heterodera Schachtii als
zoologische Preisaufgabe für das Jahr 1886 gestellt.
Ich habe es versucht in der nachfolgenden Abhandlung dieser Aufgabe gerecht zu werden, indem
ich mich nach Kräften bemühte, die mannigfachen Lücken auszufüllen, das Bekannte zu erweitern und Neues
hinzuzufügen, um auf diese Weise ein eingehenderes und vollständigeres Bild des Baues und der Lebensgeschichte
von Heterodera Schachtii entrollen zu können, als es von meinen Vorgängern geschehen ist.
Vor allem habe ich es mir dabei angelegen sein lassen, den biologischen Verhältnissen unseres Schmarotzers
meine volle Aufmerksamkeit zu widmen. Stets wies ich da, wo es sich erheischte, auf die engen Beziehungen
zwischen Form und Funktion der Organe hin und hob den Einfluss hervor, den die Existenzbedingungen
auf die Bauweise besitzen. Zeigt doch auch gerade dieser unscheinbare Wurm, gleich allen
Parasiten in ihren verschiedenen Abstufungen, wie unzureichend gar oft eine rein morphologische Betrach-
tung, wie wesentlich hingegen die stete Berücksichtigung der Lebensweise für das Verständniss der thierischen
Organismen ist.
Die Abhandlung gliedert sich in mehrere Abschnitte, deren Folge sich von selbst ergiebt. In den
ersten derselben soll neben einer historischen Uebersicht die Beschreibung der Untersuchungsmethode ihren
Platz finden, während in den anderen der Bau der Geschlechtsthiere, die-embryonale Entwicklung und die
Metamorphose geschildert werden wird.
Bevor ich jedoch dazu übergehe, kann ich es nicht unterlassen, meinem hochgeehrten und geliebten
Lehrer Herrn Geheimrath Leuckart für sein Wohlwollen, das er mir in so reichem Masse unausgesetzt
schenkte, ebensosehr meinen tiefgefühltesten, aufrichtigsten Dank auszusprechen, wie für die vielfachen
Rathschläge, mit denen er mich, wie immer, so auch bei diesen Untersuchungen unterstützte.
Historische Uebersicht.
Die erste Kunde, die wir über den Kübennematoden erhielten, kam von Hermann Schacht»8), dem
rühmlichst bekannten Bonner Botaniker. Beschäftigt mit eingehenderen Studien übeiv die Zuckerrübe,
widmete er auch den Feinden derselben seine besondere Aufmerksamkeit und fand dabei im Jahre 18591
„kleine weisse Pünktchen", wie er sich ausdrückt, von der Grösse eines Stecknadelkopfes, die den Seiten-
wuraeln in zahlreicher Menge anhafteten. Durch die rundliche Form derselben veranlasst, hielt er diese
Gebilde anfangs bei oberflächlicher Betrachtung für milbenartige Wesen, jedoch eine nähere mikroskopische
Untersuchung überzeugte ihn sehr bald von seinem Irrthume. Die Körnchen hatten danach die Gestalt eines
„häutigen Sackes“, der an beiden Enden spitz zulief, und bargen in ihrem Innern zahllose, „vielleicht über
Tausend“ Eier, die theils noch in Furchung begriffen waren, theils auch schon einen Embryo einschlossen.
Diese Embryonen nun waren es, welche Schacht auf den Weg zu einer richtigen Deutung leiteten; denn
ihr ganzes Aussehen Hess ihm keinen Zweifel, dass er es in ihnen mit Würmern, echten Nematoden, zu
thun habe, und der unförmige Sack nichts weiter darstelle, als das trächtige, allerdings höchst sonderbar
gestaltete Weibchen. Die beiden Helminthologen Lieberkühn und G. Wagener, an welche einige Exemplare
gesandt worden waren, bestätigten nicht nur die Diagnose, sondern sahen in diesem Nematoden auch noch
eine neue, bisher imbekannte Art.
Auf diese erste Mittheilungy die nur ganz kurz gehalten ist, aber durch die darin • niedergelegte
Entdeckung des gefährlichen Parasiten von grösser Wichtigkeit war, folgten in dem gleichen Jahr noch
einige kleine Bemerkungen über dessen Vorkommen auf Feldern von Stassfurth, im Oderbruche - und in
Schlesien. Erst drei Jahre später beschenkte uns Schacht28) mit einer zweiten ausführlicheren Nachricht,
die unsere zoologische Kenntniss über diesen Wurm etwas erweiterte. Neben dem Weibchen, mit dem er
uns bereits früher bekannt gemacht hatte, war es ihm geglückt, auch inzwischen das ausgebildete Männchen
zu beobachten. Seine Zugehörigkeit zu den Rübennematoden schloss er ohne Mühe aus der grossen Aehn-
lichkeit mit den Embryonen. Er fand dasselbe gleichfalls in der Erde neben den Seitenwurzeln und schildert
es als ein kleines mikroskopisches Würmchen mit 6ylindrischem Leib, mit einem kegelförmigen Aufsatz am
Vorderende, einem grossen Stachel, mit Darm, Zeugungsorganen und einem „gespaltenen Penis“ am Hinter-
theil. Auch das Weibchen würdigt er dabei noch einer Betrachtung, doch beschränken sich hier seine Angaben
nur auf verschiedene Maasse und den Nachweis einer dem hinteren Ende anklebenden schleimigen
Substanz, in welcher sich häufig zahlreiche Eier in verschiedenen Entwicklungsstadien finden sollten. Die
innere Organisation, die sich weit schwieriger feststellen lässt, bheb ihm schon wegen der Opacität des
Weibchens völlig verborgen.
Obwohl nun einzelne intelHgente Landwirthe die Tragweite der Schacht’schen Entdeckung gar bald
erkannten und manche praktische Winke, wie die Warnung vor Benutzung der Rübenabfälle bei der Düngung
der Felder, zu verwerthen suchten, zeigte sich doch die Mehrzahl der Rübenbauer dem Hinweise dieses
Forschers wenig zugänglich, und ebenso gerieth der Nematode nach dem Ableben des Entdeckers in
wissenschaftlicher Beziehung fast ganz in Vergessenheit.
Denn ein Jahrzehnt musste vergehen, bis Archidiakonus Schmidt80) in Aschersleben die Untersuchungen
von Neuem auinahm. Wenn auch bei den Beobachtungen dieses Mannes vielerlei Irrthümer mit
unterHefen, die in seinem Dilettantismus leicht eine Entschuldigung finden, so können seine Bemühungen
um die Aufklärung der Lebensgeschichte unseres Nematoden immerhin mit Recht Beachtung beanspruchen.
Auf das sogen. Kopffutteral, das Schmidt als ein charakteristisches Merkmal des Weibchens beschreibt,
auf die subkrystallinische Kruste, die er für ein Exsudat des Thieres zu halten scheint, wie auf
die von ihm mitgetheilten anatomischen Details werden wir später bei Darlegung unserer eigenen Befunde
zurückkommen. An dieser Stelle sei vor allen Dingen das Verdienst erwähnt, welches sich Schmidt durch
die Einreihung des Nematoden in das System erworben hat, indem er im Hinblick auf die verschiedene
Gestalt der Geschlechtsthiere das Genus Heterodera schuf und für unseren Wurm Schacht’s Namen als
Speziesbezeichnung beifügte. Ebenso muss auch hier Schmidt’s Entdeckung eines höchst merkwürdigen