Echinorhychus haeruca aber schiebt sie sich immer weiter und. weiter über die Enden des Dotters hinweg
und zieht sich in zwei lange, hohle konische Ausläufer aus, die späterhin dicht oberhalb der
Eipolc sich ringförmig einschnüren. Die dritte und letzte Embryonalhülle erhält der Embryo zur Zeit der
Mesodermentwickelung. Sie ist die dünneste und wahrscheinlich auch die vergänglichste aller Eihäute
und sicherlich nur zum Schutze des Embryonalstachelkleides vorhanden.
Fast gleichzeitig mit dieser dritten Hülle werden auch die ersten Spuren des embryonalen
Hakenapparates sichtbar. Jedesmal da, wo drei, beziehentlich vier der cylindrischen Epiblastzellen zu-
sammenstossen, bildet sich ein kleines konisches Zäpfchen, welches bald zu einem grossen Krallenhaken,
bald aber auch nur zu einem dornähnliciien Stachel sich auszieht. Die Embryonalhaken sind demnach
keineswegs das Produkt einer Zellenmetamorphose, sondern lediglich einfache Cuticularbildungen der
Ep i blastzellen.
Während das Stachelkleid seiner Vollendung entgegengeht, erleidet der Embryonalleib eine
höchst wunderbare und meines Wissens in der gesammten Thierreihe noch niemals beobachtete histo-
lytische Metamorphose. Sie beginnt damit, dass die Zellen ihre ursprünglichen, sehr deutlichen Begrenzungen
verlieren und zur Bildung eines vielkernigen Syncytiums zusammentreten. Aber auch die
Kerne hal >en in der Zeit, wo diese histo ly tischen Vorgänge sich abspielen, ihr Aussehen gänzlich verändert.
Die im Ruhezustand regellos zerstreuten und durch dünne Fäden verbundenen Chromatin-
körnchenhäufchen nehmen rasch an Masse zu. Die kleinen, theils in die Substanz der Fäden eingebetteten,
theils im Kernplasma auftretenden kleinen Chromatinpartikel fliessen zu dicken, mit zackiger
Oberfläche ausgestatteten Strängen zusammen. Da nun aber, wie sich aus dem Schrumpfen der Kernmembran
folgern lässt, gleichzeitig mit der Chromatin Vermehrung auch eine Verdichtung des Kernplasmas
selbst sich vollzieht, so gewinnen die Nuelei bald das Aussehen solider, unregelmässig buckelig
begrenzter Chromatinballen. Zunächst sind es die Kerne des Embryocentrums, also Mcsoblasten, welche
diese Umwandlung erfahren. Doch bald greift dieser Prozess auch auf die mehr peripherisch gelegenen
Kerne und schliesslich auch auf diejenigen des ursprünglichen Epiblastes über.
In der Zeit nun, wo die Kernmetamorphose in so eigentümlicher Weise sich vollzieht, hat auch
die Anordnung der Kerne und somit das ganze Aussehen des Embryonalkörpers sich wesentlich verändert.
Koch in jener Periode des Embryonallebens, wo die Zellengrenzen verschwanden, ist die Lage der
Nuelei die ursprüngliche , d. h. sie vertheilen sich so ziemlich gleichmässig über den Plasmaleib
des jungen Wurmes. Weit anders aber gestaltet sich das Bild in der Zeit, wo die Kernmetamorphose
ihren Abschluss gefunden hat. Die peripherischen Schichten des Embryos sind vollständig kernlos,
während im Zentrum sich ein ansehnlicher, dichter Kernhaufen, L e u c k a r t 's „Embryonalkern“, gebildet
hat (s. Tafel 10, Fig. 3 pl; Fig. 9 pl, Pnc; Fig. 10 pl, Pnc).
Unsere nächste Aufgabe wäre d ie , zu eruieren, auf welche Weise der Embryonalkern seine
Entstehung genommen hat. A priori sind drei Möglichkeiten gegeben :
Erstens können die im Zentrum des Embryonalleibes gelegenen Kerne in Folge mehrmals
wiederholter mitotischer Theilung rasch sich vermehren, während die Kerne der peripherischen Zone
und diejenigen des früheren Epiblastes resorbirt werden. In diesem Falle lassen sich die grossen
Kernkugeln der Larvenhypodermis nicht direkt an eine frühere Zellen-, beziehentlich Kerngeneration
an knüpfen.
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Zweitens aber könnten ausschliesslich die Mesoblasten es sein, welche grössere Mengen von
•chromatischer Substanz — auf Kosten der peripherischen Kerne — in sich aufstapeln. Um die dichte
Lage und die grosse Anzahl der den Embryonalkern bildenden Nuelei zu erklären, müssen wir auch in
diesem Falle eine rege Kern Vermehrung zur Zeit der Chrom atinaufspeicherung- annehmen. Die Iiypo-
dermiskerne der späteren Larvenhaut würden unter obigen Voraussetzungen aus den blassen, bei dem
freien oder hartbeschalten Embryo nicht erkennbaren Epiblastkernen ihre Entstehung nehmen.
Drittens aber können wir uns denken, dass sämmtliche Kerne des Embryonälleibes an der
Bildung des zentral gelegenen Kernhaufens betheiligen, wenn wir nur voraussetzen, dass mit der stetig-
fortschreitenden Chromatinbereicherung ein Zusammenrücken der Kenn- nach dem Embryoeentrum
gleichen Schritt hält. Im letzteren Falle würden selbstverständlicherweise sämmtliche Organe der Larve
mit Einschluss der mächtigen Hypodennis aus dem Embryonal kerne hervorgehen.
Die erste, hauptsächlich von L e u c k a r t 1) vertretene Hypothese, nach der die Kerne der lar-
valen Hypodermis, ohne an eine frühere Zellengenei’ation anzuknüpfen, frei in den Körperwänden entstehen,
ist nach den Erfahrungen, die wir im Laufe der Zeit über das Zellleben und die Zellvernieh-
rung gesammelt haben, nicht mehr haltbar. Der Schluss Omnis nucleus ex nucleo ist nach dem heutigen
Stande der Wissenschaft ebenso berechtigt, wie der weit ältere Omnis eellulä ex cellula.
Nicht minder gewichtige Gründe scheinen mir gegen die zweite dieser Hypothesen zu sprechen.
Schon der Umstand, dass trotz Anwendung sehr gut auflösender Immersionen und auf das sorgfältigste
und nach; den neuesten bewährten Tinktionsmethoden behandelter Präparate es mir nie glückte, Kerne
in der äussersten, durch die primäre Leibeshöhle deutlich begrenzten Schicht aufzufinden, liess mir eine
solche Annahme sehr problematisch erscheinen. Ferner aber hält es nicht schwer, an der Hand der
Kernfiguren den Nachweis zu erbringen, dass zu jener Zeit, wo die Nuelei mit chromatischer Substanz
sich anfüllen, nirgends Zellteilungen wahrgenommen werden können. Endlich aber sprechen alle Resultate.,
welche mir das Studium der Entwickelungsgeschichte lieferte, gegen die Richtigkeit der obigen
Annahme. Auf einer gewissen Bildungsstufe, welche Fig. 2 auf Tafel 10 veranschaulichen soll, treffen
wir nämlich die Kerne (hnc), die sich späterhin successive in die grossen Hypodermisb 1 asen umwandeln,
noch in der Substanz des mächtigen, den Embryonalkern einhüllenden, Plasmazapfens an. Es ist unter
solchen Umständen von vornherein ausgeschlossen, dass die Hypodermiskerne in der durch die primäre
Leibeshöhle von dem centralen Zapfen scharf getrennten Plasmahülle entstanden sein könnten.
Aus den voranstehenden Erörterungen geht auf das bestimmteste hervor, dass wir in Berücksichtigung
der Resultate, welche uns die directe Beobachtung am lebenden Embryo, sowie das Studium
der Entwickelungsgeschichte liefern, von der Bildungsweise des Embryonalkernes uns nur dann eine
klare Vorstellung zu machen im Stande sind, wenn wir annehmen, dass sämmtliche Kerne des Embryoleibes
in der früher geschilderten Art chromatische Substanz in sich aufnehmen, zugleich aber nach dem
■Centrum des Embryos zusammen rücken.
Die obige Schilderung wird wohl zur Genüge darthun, dass wir den centralen Kernhaufen nicht
als ein embryonales Organ auffassen und mit L e u c k a r t einem rudimentären Danukanale vergleichen
•dürfen. Er enthält die Bildungselemente aller Gewebsarten und giebt dementsprechend nicht nur, wie
') Die menschlichen Parasiten. Bd. 2. 1876. pg. 820.