als bei diesen Bohrversuchen war der Fleischzapfen am hinteren Körperende lang und dünn ausgezogen
und diente, seinen Bewegungen nach zu urteilen, dem Tiere als Steuer (cf. Fig. 37). Nach kürzerer oder
längerer Zeit lebhaften, eigentümlich taumelnden und drehenden Umherschwimmens wurden sie allmählich
matt und blieben einige Zeit liegen. Während dessen zeigten sie nicht selten Contraction des Körpers so_
wohl in der Längs-, als iji der Querrichtung, Bewegungen also, wie sie beim Durchsetzen des Darmes
wahrscheinlich auch ausgeführt werden.
Nachdem ich so die Gewissheit erlangt, dass zum Ausschlüpfen des Embryos das Gefressenwerden
des Eies seitens der Schnecke notwendig war, blieb weiter noch die Frage offen, ob diese Entleerung des
Eiinhaltes ermöglicht wird lediglich durch die chemische Einwirkung des Magen- resp. Speicheldrüsensaftes,
oder ob dasselbe mechanisch eine Folge der Wirkung der Radula ist. In letzterer Hinsicht schien der
Umstand von Bedeutung zu sein, dass die Entfernung der einzelnen Radulazähne von einander nur wenig
verschieden ist von der durchschnittlichen Länge der Eier. Directe Beobachtungen liessen sich hier freilich
nicht gut anstellen.
Um die chemische Einwirkung der Magensäfte auf die Eier festzustellen, zerzupfte ich ein Distomum
auf einem Objectträger und setzte den Magensaft mehrerer Schnecken hinzu: nach einer Stunde waren fast
alle Embryonen ausgeschlüpft.
Hierdurch war klar bewiesen, dass der chemische Reiz des Magensaftes allein im Stande ist, den
Embryo zum Verlassen der Eischale zu bringen. In der Folge war ich jederzeit leicht in der Lage,
lebende Embryonen zur Ansicht zu bringen. Um bei diesen Experimenten mit möglichst reinem, durch.
Nahrungsbestandteile wenig verunreinigtem Magensafte experimentieren zu können, warf ich Schnecken, die
längere Zeit nichts zu saufen bekommen hatten, in Wasser, nahm sie nach einiger Zeit heraus und schnitt
ihnen den Kopf ab. Den jetzt hervorquellenden, prall gefüllten Magen nahm ich vorsichtig heraus, brachte
ihn auf einen Objetträger und Hess seinen Inhalt unter ein Deckgläschen laufen, unter dem sich bereits
Eier in möglichst wenig reinem Wasser befanden. Das Ausschlüpfen ging dann schneller von statten, wenn
der Objecttisch auf 18—20 0 erhitzt wurde.
Die Beobachtung des lebenden, frei schwimmenden Embryos setzte mich nun zwar nicht in den
Stand, der bereits früher gegebenen anatomischen Beschreibung wesentlich Neues hinzuzufügen, wohl aber
bekam ich über die. physiologische Bedeutung verschiedener Eigentümlichkeiten den nöthigen Aufschluss,
wie dies bei Gelegenheit schon hervorgehoben worden ist.
In der Nähe des vorderen Körperendes finden sich zwei dunkler hervortretende Stellen. Ferner
trifft man in der Mitte des Embryonalkörpers einen Absatz, der namentlich deutUch dann hervortritt, wenn
der Embryo fest liegt und die oben beschriebenen Bewegungen ausführt. In der hinteren Körperhälfte
tritt ferner regelmässig ein grösserer heller Fleck mit stark lichtbrechenden Körperchen hervor. Von einem
Gefässsystem resp. von FKmmertrichtern war dagegen niemals etwas wahrnehmbar.
Diese Thatsachen Hefem überdies den Beweis, dass Steenstrup x) im Irrtum war, wenn er mehrere
ovale, sehr lebhafte, flimmerhaarige Tierchen, die er in den ersten Sommermonaten in den Tentakeln der
Succineen auffand, und die der Opalina ranarum Ehrenbg. nicht unähnlich waren, für die Jugendformen
des Leucochloridium erklärte; es waren dies wirkHche Infusorien, keine jungen Würmer.
Um weiterhin festzustellen, ob die Embryonen auch längere Zeit nach der Ablage der Eier noch
lebensfähig bleiben und ihre Schale verlassen, wurden die Eier unter Anwendung der früher schon beschriebenen
Vorsichtsmassregeln auf bewahrt und nach vier Wochen in gleicherweise an hungernde Schnecken
verfuttert. Gleich beim ersten Versuch wurden mehrere ausgeschlüpfte Embryonen gefunden. Es ist mir
sonach unter Berücksichtigung der früheren Beobachtungen nicht zweifelhaft, dass auch noch nach längerer
Zeit, als vier Wochen, bei geeigneter Verfütterung ein Ausschlüpfen der Embryonen und Entwicklung des
Keimes stattfindet. Gern hätte ich diese Vermutung durch weitere Experimente geprüft, allein der inzwischen
hereingebrochene Winter gestattete dies nicht.
Die lange Lebensfähigkeit des Embryos bei unserem Wurme ist für die Erhaltung der Art von
grösster Bedeutung, ein Umstand, der übrigens begreiflich genug erscheint, wenn man bedenkt, wie gering
doch eigentlich die Wahrscheinlichkeit einer Infection mit den Eiern für die Schnecke ist und um wie
vieles sie noch geringer sein würde, wenn nicht die in Rede stehende Thatsache als förderndes Moment
hinzukäme.
War nun, nachdem der richtige Weg einmal eingeschlagen ward, die Auffindung der ausgelaufenen
Embryonen im Darm leicht und mit nennenswerten Schwierigkeiten nicht verbunden, so gelang es mir
trotz der eifrigsten Bemühungen, trotz wiederholter Fütterungen mit massenhaften Eiern, trotz stundenlangen
Suchens niemals, die Embryonen nach der Durchbohrung der Darmwände im Blute oder in den Organen
der Schnecken aufzufinden; bei der Kleinheit der Tiere und ihrer zarten Beschaffenheit ist dies jedenfalls
nicht zu verwundern.
Ich verliess mich deshalb, um zugleich mein Material nicht allzusehr anzugreifen, auf die Untersuchung
mittelst der Schnittmethode. Es wurden in immer grösseren Zeiträumen nach der Fütterung je
eine Anzahl der infizierten Schnecken conserviert (V2, 1 Tag, 2, 3 und so fort bis 8 Tage, 2, 3 und so fort
bis 8, 12 Wochen), so dass mir eine ununterbrochene Entwicklungsreihe der Sporocyste von der Infection
an in conserviertem Material zur Verfügung stand.
Bei der nun folgenden Untersuchung stellte sich zunächst heraus, dass die Embryonen bei dem
Bemühen, die Darmwand zu durchsetzen, wahrscheinHch den Flimmerkamm einbüssen. Wenigstens war
bei den Individuen, welche ich in der Darmwand auffand und die ich mit Bestimmtheit für die Embryonen
des Distomum in Anspruch nehmen kann, kein solcher mehr wahrzunehmen. Definitive Entscheidung möchte
ich hierübe jedoch nicht treffen, da alle die hierhergehörigen meiner Präparate aus irgend einem Grunde
zu wünschen übrig lassen, und ich nicht mehr in der Lage war, neue Infectionen machen und an besserem
Material prüfen zu, können. Unwahrscheinlich ist übrigens ein solches Ab werfen der Ffimmerung von vorn
herein nicht, da es bei mit vollständigem Flimmerkleid ausgestatteten Formen direct beobachtet worden
ist.1) Zu beachten ist aber, dass bei diesen Formen die Flimmerhaare mit den Zellen des Ectoderms zugleich
abgelöst werden; es müsste also bei unserem Tiere entsprechend ein Abwerfen des Ectoderms stattfinden,
wenn auch vielleicht nur partiell in Gestalt des Flimmerkammes.
*) Leuckart. Zar Entwiddangsgesch. d. Leberegel s. Zool. Aaz. 1881. Sep.-Abd. pag. 3 and Archiv für Naturgesch.
48. Jahrgang. 1. Bd. pag. 98. 1882.