Die Bryozoen-Fauna der Provinz Preussen.
Alles, was bisher über das Vorkommen von Bryozoen in den Süsswassern der Provinz Preussen
bekannt war, beschränkt sich auf die Angaben von Eichhorn und C. Th. von Siebold, welche beide die
Stadt Danzig und deren nächste Umgebung zum Feld ihrer Untersuchungen gemacht hatten. Eichhorn
beschrieb im Jahre 1776 in seinen „Bey trägen zur Naturgeschichte der kleinsten Wasserthiere in den
Gewässern in und umb Danzig“ auf Seite 43—47 eine Pkimatellen-S'pQcies, die man mit Hülfe der beigegebenen
Abbildung wohl richtig als PL repens gedeutet hat. - Siebold entdeckte dann i. J. 1839*) in den
von der Mottlau gespeisten Danziger Festungsgräben nicht allein diese Form ) sondern auch Cristatella
mucedo Cuv. und PL fungosa Pall., denen er 10 Jahre später**) noch Fredericella sultana Blumenb. von demselben
Standort hinzufügt. Er erwähnt ferner — und dies betrifft zum ersten Mal die Provinz Ostpreussen
— das Vorkommen der PI. fungosa im Frisching und im Schlossteiche zu Heilsberg. Ausserdem fanden
sich in der Sammlung des Zoolog. Instituts zu Königsberg Exemplare der nämlichen Form, welche im
August 1876 von Prof. Kob. Caspary im See von Putz bei Berent'und im August 1877 von Prof. Zaddach
im Geserich-See bei Dtsch. Eylau, beidemal in Westpreussen, gefunden war, und endlich eine von dem
Königsberger Entomologen Elditt i. J. 1848 im Bach bei Rauschen gefundene und falsch als PI.
repens bestimmte Plumatellen-Species, die sich ,bei erneuter Prüfung als PI. emarginata Allm. erwiesen hat.
Letztere war also neben der Pl. fungosa Siebolds die erste und bis zu meinen Untersuchungen einzige
Bryozoe, die in Ostpreussen entdeckt war. Neuerdings ist in Folge meiner Mittheilungen an Prof.
Kraepelin in Hamburg der grösste Theil meiner Funde bekannt geworden,1***) und ich selbst habe in
einem im Zoolog. Anzeiger v. J. 1888 Nr. 288 veröffentlichten Bericht das noch Fehlende nachgetragen.
Nachdem es mir in letzter Stunde gelungen ist, auch Lophopus crystallinus als heimische Form zu belegen,
fasse ich die bisherigen Resultate unter Erwähnung näherer Umstände hier noch einmal zusammen.
In Ost- und Westpreussen kommen vor:
1. Plumatella repens Linné. (Einschliesslich PL jugalis, Dumortieri, elegans Allm.)
Stock an der Unterlage kriechend, von der sich nur die Mündungen der Einzelthiere, selten,
ganze Zweige erheben. Aeste gestreckt, weitläufig verzweigt, daher meist sparrig über die Unterlage
*) Neueste Schriften der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Band III, Heft II, S. 7, Anm. 11. 1839.
**) Preuss. Prov.-Blätter 1849. S. 202.
***) Karl Kraepelin, die -deutschen Süsswasserbryozoen. Eine Monographie. Abliandl. aus dem Gebiete der
Naturwissenschaften. Hrsg. v. Naturwiss. Verein in Hamburg. Bd. X; 1887.
verbreitet, ältere Kolonien oft zu flachen Rasen entwickelt. Furche und Kiel fehlend — oder vorhanden
(PL Dumortieri und elegans Allm.). Freie Statoblasten breit-elliptisch, Verhältnis der Länge zur Breite
im Mittel 33 : 25 /*.*)
Mai bis October. In stehendem und fliessendem Wasser sehr häufig. Um Königsberg im Preiler
Teich, im Pregel, im Oberteich; im Alle-Fluss bei Wehlau; im Pesseler Teich bei Trempen Kr. Insterburg;
im Schlossteich zu Gerdauen und offenbar durch die ganze Provinz verbreitet. Um Danzig im
Teich bei Glettkau, Konradshammer u. a., sowie in den Festungsgräben der Stadt (v. Siebold 1839).
Die var. ß von Allman**), bei welcher die Mehrzahl der Aeste- frei emporstrebt, habe ich nicht
beobachtet
PL jugalis Allm. ist mit Kraepelin ohne Zweifel als geschlechtlich entwickelte Jugendform von
Pl. repens zu deuten.
2. Plumatella fungosa Pallas. (Alcyonella der Autoren. Hierher ferner Pl. coralloides Allm.)
Stock an der Unterlage kriechend, von der die Mündungen der Einzelthiere und jüngere Zweige
sich erheben. Aeste gedrungen, dicht verzweigt, schon in der Jugend das Podium grossentheils verdeckend.
Jüngere Seitenzweige mit einander aufstrebend, dicht gedrängt und bei älteren Kolonien zu
armdicken Keulen oder handgrossen Ballen verfilzt. Mündungen der Einzelthiere in gleicher Höhe —
oder, bei weniger fester Verbindung der Röhren, von einander entfernt (Pl. coralloides). An den un-
verdeckten Zweigen der Jugendformen ist die Furche meist deutlich sichtbar. Statoblasten breit-elliptisch,
L : Br. = 41 : 32 ¿¿.
Mai bis September. In stehendem und fliessendem Wasser an Steinen, Holz und Pflanzen aller
Art häufig. Um Königsberg im Preiler Teich, im Lauther Mühlenfliess, im Pregel; im Schlossteich zu
Gerdauen; im Frisching und im Schlossteiche zu Heilsberg (v. Siebold 1849). In Westpreussen in den
Danziger Stadtgräben und in der Mottlau (v. Siebold 1839), im Teich von Heubude; im See von Putz
(R. Caspary 1876), im Geserich-See (Zaddach 1877).
Die Jugendstadien der geschlechtlich erzeugten Kolonien dieser Art sind von Van Beneden als
Ale. Flabellum beschrieben und in ihrer wahren ’ Bedeutung zuerst von Kraepelin erkannt worden.
Var. coralloides Allm. (Taf. I, Fig. 1.) Diese Form, in der sich Allmans gleichnamige Art mit
Bestimmtheit erkennen lässt, habe ich im Mai bis September 1886 im Lauther Mühlenfliess bei Königsberg
wiederholt beobachtet. Sie fand sich hier, mit der normalen Pl. fungosa vereint, in breiten Massen- den im
Wasser liegenden Steinen angeheftet, so jedoch, dass überall, wo diese der starken Strömung ausgesetzt
waren, die Form fungosa, an geschützten Stellen die Form coralloides auftrat. Dieselbe unterscheidet
sich von jener zunächst dadurch, dass über die Oberfläche des compacten Körpers der Kolonie zahlreiche
Zweige frei emporragen und so dem Ganzen ein mehr buschiges Aussehen geben. In ihren untern
Partien bewahrt die Kolonie im Wesentlichen den Typus der Grundform, nur dass ihre Röhren nicht so
eng mit einander verklebt sind, wie bei jener (vgl. Taf. I Fig. 3 u. 3a). Ob sie dabei lediglich als eine
Wachsthumsart der letzteren aufzufassen ist, die sich im ruhigen Wasser zu einem Gebilde von weniger
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**) G. I. Allman, a Monograph of the fresh-water Polyzoa. Roy. Society. London 1856.