Wie abweichend diese Formen sich meist auch späterhin verhalten, zeigt die Skizze Taf. I, Fig. 4,
welche eine auf einem Nuphar-Blatt versammelte Gruppe in natürlicher Grösse wiedergiebt.
Seit wir die Art lediglich als eine Varietät höheren Grades erkannt haben, hat der Streit, ob
Art, ob Varietät, sehr an principieller Bedeutung verloren. So hat es denn auch nichts Befremdliches,
wenn wir zwischen Pl. repens und fungosa ein engeres Verwandtschaftsband constatiren müssen, als
es sonst zwischen wohl umgrenzten, längst getrennten Arten zu bestehen pflegt. Die Selbständigkeit der
Species aber müssen wir anerkennen, sobald die Charaktere der ihr zu Grunde liegenden Varietät der-
massen fixirt sind, dass sie unabhängig von äussernf Einflüssen, nur durch Vererbung festgehalten werden,
ohne dass es gelingt,1 Eie Abstammung ihres Trägers von einer älteren Art durch exacte Versuche
noch gegenwärtig zu beweisen.
Dass in dieser Hinsicht die Gründe Kraepelins nicht stichhaltig sind, glaube ich gezeigt zu haben.
Die Möglichkeit, dass wir es dennoch mit Varietäten zu thun haben, leugne ich darum nicht. Den
Beweis dafür könnte ich aber erst dann für erbracht halten, wenn es etwa gelänge, durch ausgedehnt^
künstliche Züchtung festzustellen, dass die kleinsten Statoblasten einer typischen Alcyonella bei der Keimung
nicht wieder Exemplare der gleichen Form, wenn auch in minder kräftiger Ausbildung, produciren,
sondern dass typische Plumatellen daraus hervorgehen, oder dass die grössten Keimkörper der letzteren
eine fungoide Gestalt der künftigen Kolonie bedingen.
Welchen Einfluss die s i t z e n d e n Statoblasten auf die Form der Tochterkolonie ausüben, darüber
ist zur Zeit nichts bekannt. Dass die massig gebildeten ÄlcyoneLlen nicht nur aus ihnen hervorgehen, *)
glaube ich aus der Thatsache schliessen zu dürfen, dass im August 1887 im Teich von Heubude bei Danzig
an den Stengeln und Blättern von Nuphar luteum diese Form in überaus reicher Fülle entwickelt war, wo sie
bei der Kurzlebigkeit der Nymphaeen-Blätter schwerlich aus sitzenden Statoblasten entstanden sein konnte.
Was die 4 Unterabtheilungen betrifft, in die Kraepelin seine Pl. polymorpha eintheilt (1. c.
S. 123), so sind dieselben vorwiegend nach dem Gesamthabitus aufgestellt,, wobei aber den Wandlungen
welche ein und dieselbe Kolonie in ihrem Leben erfährt, zu wenig Rechnung getragen ist. So geschieht
es, dass eine PL fungosa Pall, in ihren verschiedenen Entwickelungsstadien sowohl unter appressa,
als caespitosa, als fungosa Kraep. fallen kann, während ihr doch als Ganzem eine grössere Selbständigkeit
gegenüber der var. repens gebührt hätte.
3. Plumatella vesicularis Leidy. (Pl. punctata Hancock).
Nicht häufig. Ich fand diese der Pl. fungosa nahestehende Form im August 1887 in der Alle bei
Wehlau an Nuphar-Blättern in wenigen kleinen Exemplaren (Taf. I, Fig. 8, eine geschlechtlich entwickelte
Kol.). Im August 1889 beobachtete ich sie im Schlossteich von Gerdauen, wo sie in dichten, aber
flächenhaften Massen einen Pfahl auf Fusslänge überzog. Angeheftete Statoblasten scheinen zu fehlen.
Die freien ergaben auf Grund von 15 Messungen eine mittlere Grösse von 47,3:32,0 p, Max. 53: 32,
Min. 43:31. Die „weissen Pünktchen“ an den Mündungskegeln, die als charakterisch erwähnt werden,
konnte ich nicht entdecken.
*) So vermuthet Kraepelin 1. c. S. 110.
4. Plumatella fruticosa Allman.
Hauptäste kriechend, mit zahlreichen, frei emporragenden Zweigen, schlank, weitläufig verzweigt.
Kiel meist deutlich. In Form und Färbung zeigt die Kolonie eine ausserordentliche Aehnlichkeit mit
Fredericella. Angeheftete Statoblasten (Taf. I, Fig. 15) schmal, mit rudimentärem Schwimmring, in der
Form den freien ähnlich, aber viel grösser. Freie Statoblasten (Taf. I, Fig. 13) länglich, Längsaxe
in der Regel grösser als die doppelte Breite.
Um Danzig in den Teichen bei Glettkau und Konradshammer an schwimmenden- und untergetauchten
Blättern von Nuphar und Sagittaria häufig.
5. Plumatella emarginata Allman. (Pl. diffusa Leidy, Pl. stricta Allm.?, Alcyonella Benedeni Allm.)
Stock kriechend, dicht verzweigt, ältere Kolonien rasenförmig entwickelt. Röhren meist scharf
.gekielt. Angeheftete Statoblasten (Taf. I, Fig. 14) breit, gleich denen von PL repens. Freie Statoblasten
(Taf. I, Fig. 12) länglich, Längsaxe in der Regel kleiner als die doppelte Breite.
Bei Wehlau in Bächen und in der Alle an Steinen und Nymphaeen-Blättern häufig. Um
Königsberg im Bach bei Rauschen (Elditt 1848).
Typisch fungoide Formen (Ale. Benedeni Allm., var. muscosa, spongiosa Kraep.), sind mir nicht
begegnet. —
Wie Pl. repens und fungosa, so hat Kraepelin auch diese und die vorige Art als Varietäten einer
•einzigen, der Pl. princeps Kraep.*), auffassen zu dürfen geglaubt. Dementgegen muss ich auch hier an
der Selbständigkeit beider Formen festhalten, bei deren Trennung sich mir in keinem Falle irgend
welche Schwierigkeiten ergeben haben.
PL emarginata fand ich bei etwas grösserer Durchschnittsweite der Cystidröhren (ca. 30—40 p}
fruticosa 25—35 p, gemessen an kriechenden Zweigen bei Ansicht von oben) ausgezeichnet durch den
sehr viel .gedrungneren Bau, der meist zu dichten, rasenartigen Bildungen führt, gegenüber den schlanken
und zierlichen, oft höchst regelmässig verästelten Formen der fruticosa (vgl. Taf. I, Fig. 9 u. 10).;
ferner durch die mit feinen, kieseligen Elementen imprägnirte Cuticula, die bei fruticosa mehr eine
hornige Beschaffenheit gewinnt. Die Zahl der Tentakeln ist bei emarginata meistens geringer als bei fruticosa,
sie beträgt hier etwa 38—40, dort 50—55. Die freien Statoblasten sind verschieden an Form und
Grösse (Taf. I, Fig. 12 u. 13), - Wenn auch bei emarginata das ausserordentlich weite Uebergreifen des
Schwimmrings an der Oberseite, wo die eigentliche Schale oft fast verdeckt wird, kein untrügliches
Merkmal ist, so dürften doch die verschiedenen Bilder, welche die Seitenansicht ergiebt, d. h. die schärfere
Absetzung des Schwimmrings vom Discus bei, fruticosa, nicht bloss zufällig sein. Messungen ergaben für
Max. Min. Mittlere Grösse
L. Br. L. Br. L. Br.
Pl. emarg. (10 St.) . 52 p 27 p 47 25 49.9 26,7
Pl. frut. (30 St.) 57 21 50 20 51,7 20,7
*) Dieser Name erregt schon deshalb Bedenken, weil ihm eine höchst unsichere Auffassung der Phylogenie zu
Grunde liegt. Nach Kraep. soll aus Paludicella allmälig Fredericella und dann zunächst Plum. princeps hervorgegangen
sein (1. c. S. 161 f.). Ueber den durch keine bekannten Zwischenstufen überbrückbaren Abstand von Palud. und unseren
Phylactolaemen's. S. 11 f.
Bibliotheca zoologica. Heft VI.