Die Organisation des Männchens.
Das Männchen a) von Heterodera Schachtii trägt in ausgezeichnetem Maasse alle Merkmale an sich,
die den echten Nematoden charakterisieren. Im Einklang mit einer ziemlich lebhaften Beweglichkeit besitzt
es einen langen, schlanken und cylindrischen Körper. Seine Länge variiert etwas; sie misst meist 0,8—0,9 mm.,
kann aber in einigen Fällen auch 1 mm. erreichen. Die Dicke ist fast überall gleichmässig und der
Querschnitt beinahe kreisförmig. Dem Vordertheile sitzt eine calottenartige Erhebung auf, die sich gegen
den übrigen Leib durch eine Ringfurche abhebt, während das Hinterende in einen zapfenförmigen, flachabgerundeten
Fortsatz ausläuft, der seinerseits sich wieder nach vorne durch eine leichte Einbuchtung
abgrenzt. Immer ist der Schwanztheil hakenförmig nach der ventralen Seite gekrümmt. Darm sowohl,
wie der einfache Hodenschlauch ziehen in gerader Richtung durch die Leibeshöhle und münden mit einem
gemeinsamen Ausführungsgange aus. In der Mundhöhle gewahrt man einen Stachel von beträchtlicher Ausbildung,
und am hinteren Ende liegen die ansehnlichen Begattungswerkzeuge als zwei gleichgestaltete Spicula.
Unterwerfen wir die Organisation einer näheren Betrachtung, so treffen wir von aussen nach innen
fortschreitend zunächst auf das Integument, das in Form einer elastischen, resistenten Membran den ganzen
Körper überzieht. Diese Cuticula, aus einer chitinösen Substanz bestehend, ist fast farblos und vollkommen
pellucid, so dass man im Stande ist, ohne viele Schwierigkeit den Bau des Wurmes durch sie hindurch zu
überblicken. Ihre Dicke ist wenig beträchtlich, fast überall gleich stark, nur an dem abgestutzten soliden
Schwänze und da, wo sie sich an der Bildung der Kopfcalotte betheiligt, nimmt sie an Mächtigkeit zu. Bei
der Kleinheit des Thieres vermag man nicht leicht ihre Zusammensetzung zu analysieren, doch gewinnt man
bei aufmerksamem Zusehen immerhin darüber einigen Aufschluss. Was vor allem sogleich in die Augen
springt, ist die schön ausgeprägte Ringelung a) der Cuticula, die am Vordertheile beginnt und sich bis gegen
das Hinterende verfolgen lässt, wo sie undeutlich wird und schliesslich ganz verschwindet. Vom werden
die Ringel etwas schmächtiger, während sie sonst durchgehende dieselbe Breite von ca. 0,001 mm. beibehalten.
Sie umgreifen die ganze Circumferenz, ohne da-ss sie, ausser da, wo die Seitenfelder von vorn nach
hinten ziehen, irgendwelche Unterbrechung erleiden. Ein Absetzen dieser Querbänder und ein alternierendes
Ineinandergreifen vermittelst spitzer Enden, wie dies Leuckart20) bei Ascaris lumbricpides beschreibt, konnte
ich trotz sorgfältiger auf diesen Punkt gerichteter Untersuchungen niemals bemerken. — Müller hat diese
auffallenden Querlinien auch gesehen, spricht dieselben aber als Ringmuskeln an ein Irrthum, der einer
ausführlicheren .Zurückweisung kaum bedarf.
An der Cuticula selbst nun lassen sich drei verschiedene Schichten unterscheiden, deren oberster
die eben besprochene Querstreifung■ zukommt. Ausser dieser Eigenschaft zeigt dieselbe keinerlei Strukturverhältnisse.
Sie stellt eine dünne, homogene Membran dar, die einen etwas gelblichen Ton hat, sich mit
Carmin intensiv färbt und .sich sonst noch durch ein starkes Liehtbrechungsvermögen auszeichnet. Mit der
zweiten Lage ist sie ziemlich fest verbunden; eine Trennung der beiden habe ich vergeblich versucht —
Die zweite Schicht überragt die erste nur unbedeutend an Dicke. In optischer Beziehung zeigt sie ein
mehr mattes Aussehen; ebenso verhält sie sich gegen Tinktionen resistenter. Was sie vornehmlich charakterisiert,
ist ein System von zarten Streifen, die eng zusammengedrängt in radiärer Richtung angeordnet sind.
Der dritten Lage, welche die Cuticula nach innen abschliesst, thue ich hier nur Erwähnung, ohne mich über
ihre Textur auslassen zu können. Denn obwohl gerade sie vor allen die grösste Dickenentwicklung hat,
war es mir selbst bei starker Vergrösserung unmöglich, etwas über ihren feineren Bau zu erfahren.
Manchmal gewahrte ich sehr undeutliche Linien, die einen schrägen Verlauf zu nehmen schienen und die Ver-
muthung nahelegten, dass diese Schicht vielleicht eine Faserung besitze. Auch ihre Fähigkeit, sich in ihren
einzelnen Theilen verschieden zu färben, deutet auf ein nicht überall gleichartiges physikalisches Verhalten hin.
Die Cuticula stellt somit ihrem ganzen anatomischen Baue nach, wie gewöhnlich bei den Nematoden,
ein Skeletgebilde dar, dessen Biegsamkeit bei der Lokomotion sehr wesentliche Vortheile bietet,
und das durch seine Festigkeit äusseren Einflüssen grossen Widerstand entgegenzusetzen vermag.
Als ein solcher Skelettheil muss auch der schon früher erwähnte calottenförmige Aufsatz a) am
vorderen Körperende aufgefasst werden, umsomehr als derselbe nicht nur seiner Beschaffenheit nach der
Cuticula angehört, sondern weil er auch seiner Funktion nach als Bewegungs-, Schutz- und Stützapparat gelten
kann. Wir bezeichnen diese kappenartige Erhebung am besten wegen ihrer Gestalt und Lage als Kopfkappe.
Bei ihrer beträchtlichen Entwicklung, durch die man sie auf den ersten Blick als ein spezifisches Gebilde
erkennt, ist dieselbe natürlich den früheren Beobachtern nicht entgangen, doch haben sie sich über ihren
Bau keine ausreichende Aufklärung zu verschaffen gewusst. Schacht, dem die Existenz dieser Kopfkappe
bekannt war, enthielt sich einer näheren Schilderung, Schmidt dagegen widmet ihr einige Worte und beschreibt
sie als einen „Cylinder, der von sechs Bügeln getragen wird." Müller endlich erblickt in ihr bei
Heterodera rädicicola ein System von wulstigen, muskulösen Lippen. — lieber des Letzteren Ansicht kann
ich ein definitives Urtheil nicht fällen, da ich keine Gelegenheit hatte, die von ihm beobachtete Art zu
Gesicht zu bekommen. Indess will es mir dünken, als ob bei der nahen Verwandtschaft der Arten, die
sich in einer grossen Aehnlichkeit der Organisation- und Entwickelungsverhältnisse ausspricht, dieser
Apparat kaum grosse Abweichung von dem des Rübennematoden besitze. Die Stellung der Kopfkappe
am oralen Ende stützt allerdings die Ansicht Müller’s einigermassen; eine oberflächliche Betrachtung
unserer Heterodera überzeugt uns jedoch bald; dass wir es hier mit keinem Haft- oder Tastwerkzeug
zu thun haben.
Bei unserem Nematoden präsentiert sich die Kopfkappe a) als eine stattliche kappenartige Erhebung,
die mit dem übrigen Körper eng verwachsen, nur durch eine Ringfurche von demselben getrennt ist. Sie
besteht aus einer Verdickung der Cuticula und hat eine Höhe von ca. 0,006 mm. Betrachtet man dieselbe
von obenb), so erweist sie sich als kreisförmig im Querschnitt und zeigt eine Sternfigur, deren sechs
Strahlen radiär gegen eine centrale Öffnung, die Mundöffnung, gerichtet sind. Diese Strahlen erreichen-
jedoch nie mit ihren divergierenden Enden die Aussenwand der Kappe, sondern lassen immer einen Raum
dazwischen. Eine Seitenansicht belehrt uns, dass die Stemfigur von einem Systeme von sechs Lamellen herrührt
, die gegen die centrale Mundwand einspringen und mit dieser verwachsen. Sie bestehen aus einer
starren, chitinösen Membran und sind nach aussen, wie schon ihre bräunliche Farbe beweist, immer
a) Taf. 1. Fig. 2. b) Taf. 1. Fig. 2.