Die Entstehung der Septen ist unmittelbar von der Entwickelung der Knospen abhängig. Ungefähr
zu der Zeit, wo sich von der Mutterknospe (Taf. IV, Fig. 57, k) der erste Tochterspross ablöst,
sehen wir am äussersten Rande der Kolonie eine verticale Lamelle (s) auftreten, die sich auf spätem
Stadien der Knospe nähert (Fig. 57, k ' s') und endlich zwischen ihr und der mittlerweile weiter abgerückten
Tochter Halt macht (k2 s2). Der freie Rand dieser Lamelle verläuft nicht gleich lothrecht von
oben nach unten, sondern die Lamelle zieht sich in Sichelform von der Decke zur Sohle, und zwar zur
äussersten Grenze derselben, derart, dass sie fast ausschliesslich der obern Decke anzugehören scheint.
Um ihre Bildung zu verstehen, müssen wir uns erinnern, dass jede Knospe einen Theil ihres Materials
zum Aufbau des Integuments hergiebt, und dass dieser Vorgang allseitig, am lebhaftesten aber an der
Oralseite stattfindet. Indem nun die Knospen B und B' der beigedruckten Skizze in der durch Pfeile
angedeuteten Richtung die Ergänzung der Kolonialwand bewirken, muss
zwischen ihnen eine neutrale Grenzlinie auftreten, wo die in Bildung
begriffenen Partien gegen einander drängend sich die Wage halten.
Das Ectoderm erweist sich als nachgiebig genug, um auch die überschüssigen
Zellen des inneren Knospenblattes in sich aufzunehmen und
zu verarbeiten. Aber das mesodermale Epithel, welches vom äusseren
Knospenblatt unterstützt wird, hat für die Verwendung der ihm zu-
fliessenden Baustoffe au dieser Stelle keine Gelegenheit. In Folge dessen
wird hier eine nach innen vorwuehernde Duplicatur erzeugt, welche
in gleichem Maass, als das Integument fortfährt sich im bisherigen Wege
zu erweitern, sich bis zur Sohle herabzieht. Die Lamelle wächst fort, so
lange die Knospung anhält. Sie wächst durch Hinzutritt frischen
Materials an den Punkten, wo sie der Leibeswand eingefügt ist, an der Basis, nicht an dem freien Rande.
Die Kolonialwand wird gleichsam am Grunde des Septums von diesem ‘ fortgeschoben: Das Septum bleibt
stehen, die angrenzenden Theile des Mesoderms führen es weiter, das Ectoderm weicht gänzlich zurück.
Dabei wird das Septum immer mehr ins Innere der Kolonie verlegt, und hier vermag es mit der Entfaltung
der letzteren auf die Dauer nicht gleichen Schritt zu halten. Der Stock würde eine frühzeitige Hemmung
erfahren, wenn nicht die oben beschriebene Anordnung der Muskelfasern in den Septen ein Z e r r e i s s e n
derselben in verticaler Richtung begünstigte. Da Horizontalfasera selten sind, so treten uns die Septen
in den älteren Theilen der Kolonie bald zu dünnen Fäden, bald breiten Bändern zerschlitzt entgegen,
welche stets senkrecht die Sohle mit der Oberseite verbinden (Tf. IH, Fig. 46, s, rechts).
Ich sagte vorhin, das Septum nähere sich der Knospe. Dies ist nur scheinbar. In Wahrheit
findet das Gegentheil statt, indem, wie ich S. 26 gezeigt habe, die Knospe im Lauf ihrer Entwickelung
etwas nach vorn rückt, die Mündung des fertigen Polypids also oral vor seiner ursprünglichen Bildungsstätte
gelegen ist. Der Abstand zwischen der Knospe A und dem vor ihr liegenden Septum nimmt ab,
weil die Einschaltung von jungen Zellen in die Leibeswand auch an der Analseite der Knospe vor sich
geht, diese somit sich selbst dem Septum entgegenschiebt.
Ich muss betonen, dass n u r Radialsepten angelegt werden, keineswegs solche, welche die Polypide
anal von den älteren, oral von den jüngeren abgrenzen. Es ist daher völlig unrichtig, wenn in der
Arbeit von Verworn „Längssepten“ neben den „Quersepten“ beschrieben werden, welche vereint jedes
Polypid in einem vierseitig prismatischen Raum einschliessen und von den benachbarten scheiden sollen.
Nur die secundären Verschiebungen, welchen die Septen bei den späteren Dislocationen im Stock ausgesetzt
sind, konnten diesen Irrthum hervorrufen.
Durch das Septum wird die Primärknospe A von der ersten Tochter B, diese von der zweiten B'
geschieden, dagegen bleibt das Gebiet der letzteren mit dem der Mutter in offenem Zusammenhang. Da
dies von a l l e n Knospen gilt, welche sich durch Theilung vermehren, so werden zwischen den älteren
Septen fortgesetzt jüngere eingeschaltet und die ganze Kolonie von einem System radial verlaufender
Scheidewände durchzogen, welche uns gewissennassen den Stammbaum der einzelnen Polypide vor Augen
führen. Denselben vom ersten bis zum letzten Individuum zu verfolgen, ist praktisch nicht immer möglich,
weil der Verlauf der Septen zuweilen trotz aller Aufhellungsmittel nicht klar erkannt werden kann, die
ältesten Polypide allmählich absterben und ihrer gänzlichen Auflösung entgegengehen. Einen anderen
Wegweiser bietet uns die Erfahrung, dass, wenn sich von einem Polypid A die erste Tochterknospe B nach
rechts abgezweigt hat, diese ihrerseits die Knospe C nach links treibt und so fort, dass also die Stammknospen
einander im Zickzack folgen. . Wir wissen indessen schon, dass auch diese Regel nur eine
bedingte Gültigkeit hat, und dass Ausnahmen stattfinden können, so oft es die Oekonomie des Raumes
erforderlich macht.
Immerhin setzen uns diese Hülfsmittel in den Stand, der Descendenz im Stocke so weit auf die
Spur zu kommen, dass eine Vergleichung mit den Zweigen verwandter Formen ermöglicht wird. In
Fig. -57, Taf. IV, ist jedes Individuum der Reihe A—G vermuthlich als Lateralspross von dem übergeordneten
erzeugt worden. Somit wäre der ganze Complex einem kriechenden Zweige von Plumatella
mit entsprechender Knospenzahl gleichzustellen. Jedes Thier hat ferner einen Medianspross, B' C' etc.
producirt, der bei Plum. als „Zwischenknospe“ auftreten und die Anlage eines Nebenastes begründen
würde. Als solchen haben wir denn die Medianknospe mitsamt ihrer Nachkommenschaft auch aufzufassen.
Ein Unterschied zeigt sich nur darin, dass die Knospe nicht wie bei Plum. h in t e r der älteren
Schwester, sondern seitlich d a v o r auftritt, einUmstand, der bereits früher in der verschiedenen Lagerung
des von der Mutter ausgehenden embryonalen Zell-
complexes seine Erklärung fand und der es bedingt,
dass alle Zweige in gleicher Höhe ihr Ende erreichen.
Je zwei Knospen derselben Abstammung
(B und B', C und CO werden nun stets durch
ein Septum von einander geschieden. Denken
wir uns diese Sepien derart getheilt, dass eine
Hälfte der Duplicatur links, die andere rechts zu
liegen kommt, so würde die ganze Kolonie
durch radiale Einschnitte' von wechselnder Tiefe
zerschlitzt werden, und das Stück der Fig. 57,
welchem speciell unsere Betrachtung gewidmet
war, würde etwa dem beigefügten Schema I
P1.)
entsprechen. Seine Homologie mit dem daneben stehenden Grundriss von Plum. dürfte ohne Weiteres
klar sein. Ausgenommen, dass bei Crist. der Stamm A—G auf das Maass der gleich langen SeitenH(