der Plumatellen charakterisiren, auch bei Fredericella ausgeprägt sind. Der Kelch ist typisch entwickelt,
das Epistom scharf abgesetzt und sein Hohlrauin von der Lophophorhöhle geschieden, die denselben
mittels eines besondern Kanals (Gabelkanal) an der Analseite umgreift. Fügt man hinzu, dass das
Nervensystem zwei kräftige Ausläufer in die Arme des Lophophors entsendet, die den Ganglienhörnem
der verwandten Formen durchaus entsprechen, so ist Alles erschöpft, was an Uebereinstimmungen überhaupt
nur gewünscht werden kann, und die Aehnlichkeit mit Paludicella reducirt sich auf die rein äusserliche,
fast möchte man- sagen, trügerische Rundung des Lophophors, welche jede weitere Annäherung ausschliesst.
So bleibt denn nur noch die Bildung der Statoblasten. Freilich' dürfte in dieser Beziehung-
das Tertium comparationis vermisst werden, da Paludicella der Statoblasten gänzlich entbehrt, und hinsichtlich
der Winterknospen, so gern man ihre Homologie anerkennen möchte, noch nicht einmal der Weg
gezeigt ist, wie eine solche zu denken wäre. Nun beschränkt sich aber das „Primitive“ in der Stato-
blastenbildung bei Fredericella einzig darauf, dass die zur Anlage des Schwimmrings gehörigen Vorgänge
in Wegfall kommen*), während sie bei den angehefteten Statoblasten der Plumatellen zwar unterdrückt,
aber nicht gänzlich geschwunden sind. Wie geringfügig diese Differenz an und für sich ist,
wird sich aus der detaillirten Beschreibung der Schalenbildung ergeben. Hier sei nur erwähnt, dass es
überhaupt noch zweifelhaft ist, ob die sitzenden Statoblasten für phylogentisch älter zu halten sind als
die freien. Die Thatsache, dass sie bei PL fruticosa mit einem deutlichen Schwimmring versehen sind,
der doch hier nur als ein rudimentäres Organ aufgefasst werden kann, spricht dagegen, und das um so
mehr, wenn Kraepelins Pl. princeps wirklich die Stammform der übrigen Plumatellen repräsentiren sollte.
Zudem ist die Festleimung ein Process, der die Schalenbildung eher complicirt als vereinfacht und gar
wohl die Mögliphkeit bestehen lässt, dass die angehefteten Statoblasten aus den freien durch einen
weiteren Schritt nach vorwärts entstanden sind. Jedenfalls vollzieht sich die Bildung beider anfangs in
völliger Uebereinstimmung, durch Abschnürung einer Zellgruppe vom Keimstock des Funiculus, und der
Unterschied tritt erst hervor, wenn die cystogene Hälfte Anlehnung an das Integument des Mutterthieres
gefunden hat, worauf dann der angeheftete Statoblast sich zu einem Gebilde entwickelt, das meist durch
den Mangel des Schwimmrings und einen grösseren Umfang vor den gewöhnlichen Statoblasten sich
auszeichnet. Die der Bildung des Schwimmrings dienenden Vorgänge, welche vorwiegend auf einer
Verschiebung der cystogenen Zellen über den Rand des Discus hinaus beruhen, sind zu Gunsten der
Festleimung des Statoblasten modifieirt, und sie sind es allein, die durch ihren Wegfall den Fredericella-
Statoblasten von dem angehefteten der Plumatellen unterscheiden. Ist dieses möglichenfalls nur ein
Schritt auf dem Wege, den wir schon bei Plumatella angebahnt sehen, so kann uns andererseits das
Fehlen schwimmender Statoblasten nicht überraschen bei einer Form, die sich .im Gegensatz zu ihren
Verwandten mit Vorliebe in den tiefsten Schichten des Wassers, in V&er Nähe des Bodens, ansiedelt, die
also durch jene Körper an Orte geführt werden würde, wo ihr die geeigneten Lebensbedingungen in
ungleich geringerem Maasse geboten wären. — In Anbetracht solcher Erwägungen muss ich gestehen,
dass'es mir keineswegs ausgeschlossen erscheint, dass Fredericella nicht einen Vorläufer der Plumatellen,
sondern eine spätere Modification derselben repräsentirt, und so wenig Werth ich dieser Hypothese beimesse,
so dürfte sie doch zur Zeit ebensowohl diseutabel sein, wie die gegenteilige von Kraepelin.
") s. unten Kap. 5. Eine Kittmasse ist auch bei Fredericella vorhanden.
Es würde zu weit führen, wollte ich nach Erörterung der Gründe, welche Kraepelin für die
Descendenz der Fredericella von Paludicella geltend macht, auf eine Besprechung der sonstigen Differenzen
dieser Gattungen mich einlassen. In den nachfolgenden Untersuchungen wird überall auf die Uebereinstimmung
der Fredericellen mit den Plumatellen hingewiesen werden, und ich betone hier nur, dass beide
durch die anatomischen und entwickelungsgeschichtlichen Verhältnisse, insbesondere den Knospungsmodus,
die Statoblastenbildung, die Hoden- und Eibildung, den Bau der Polypide mit ihrem, wenn
auch rundlichen, doch zugleich unverkennbar hufeisenförmigen Tentakelkranz, dem scharf abgesetzten
Munddeckel, dem typischen Kelch, dem Funiculus, aufs engste verbunden sind. Der. Mangel schwimmender
Statoblasten involvirt keinen wesentlichen Unterschied, da die Entstehung der festsitzenden bis auf geringe
Differenzen in der Bildung der Schale die nämliche ist wie bei Plumatella. Paludicella steht isolirt da
in Bezug aut die grundsätzlich verschiedene Art der Knospung, den Mangel der Statoblasten, die Entstehung
der Eier und Samenzellen an der analen Leibeswand*), durch den Besitz von zwei Funiculis und
zwei mit eigenthümlichen Muskeln versehenen Duplicaturen der Ausstülpungsöffnung, durch die Existenz
besonderer Parietalmuskelbänder, wie sie sich bei den marinen Chilostomen wiederfinden, durch den
gänzlichen Mangel eines Epistoms, des Kelchs und der hufeisenförmigen Bildung des Tentakelkranzes.
7. Lopliopus crystallinus Pallas.
Noch zuguterletzt habe ich das Vorkommen dieser seltenen Bryozoe in Preussen constatiren
können, indem ich die Statoblasten derselben im August 1889 im Sehlossteich zu Gerdauen. und im
October im Preiler Teich bei Königsberg auffand, ohne dass es gelang, die Kolonien selbst zu entdecken.
Die Statoblasten zeigten eine Länge von 1,20, eine Breite von 0,63 mm.
8. Cristatella mucedo Cuvier.
Um Königsberg im Preiler Teich, im Pregel, im Teich von Rauschen; in der Alle bei Wehlau; im
Teich von Glettkau bei Danzig und in den Festungsgräben der Stadt (v. Siebold 1839). Juni bis
October. Im August und September bis tief in den October, wo die Kolonien allmählich absterben, stellenweise
in unglaublicher Fülle. So waren im Spätsommer und Herbst 1888 vor einer ins Wasser vorspringenden
Zunge des Preiler Teichufers die Blätter und StengeJ der Nymphaeaceen, von Typha, Sparganium
und Limnanthemum, sowie Binsen und Schachtelhalmen, mit herrlichen, bis gegen fusslangen**) Kolonien
buchstäblich übersät, und in ähnlicher Massenhaftigkeit hatte ich Cristatella im Jahre 1887 in der Alle
bei Wehlau***) beobachtet, ohne sie im Jahre darauf hier abermals auffinden zu können.
Kraepelin hat für Cristatella zwei Varietäten angesetzt, die er nach Grösse und Dornenzahl der
Statoblasten unterscheidet. Es "sind dies:
„Var. ce genuina: Statoblasten im Mittel 0,8 mm. (0,7—0,97 mm.) breit. Zahl der Dornen auf
der Dorsalseite 10 bis 22, an der Ventralseite 20 bis 37.
*) Kraepelin hat auch am unteren Funiculus von Paludicella Spermatozoenbildung beobachtet. 1. c. S. 72.
**) Solche erwähnt auch Nitsche,- Zeitscli. f. wiss. Zool., XXV. Suppl.-Bd., 3. Heft. (Ueber die Knospung der
Bryozoen.) S. 125.
***) Für die Namhaftmachung dieses Standortes bin ich Herrn Dr. Vanhoeffen zu Dank verpflichtet, der meinen
faunistischen Untersuchungen auch sonst ein freundliches Interesse widmete.