Gleich den ältern Autoren habe auch ich an den Retractorfasern Querstreifung beobachtet, und
zwar wie Kraepelin am ausgestreckten Muskel: Von den Fasern der Tnnica zeigen die am Blinddarm
die Nitsche’sche Schrägstreifung.
Die Duplicaturbänder (Taf. III, Fig. 43—46, db), bei Plumatella an Zahl etwa zwölf, sind hohle,
vom mesodermalen Epithel gebildete Schläuche, in denen ausschliesslich Längsfasern zur Anlage kommen
(Nitsche). Sie entstehen am Knospenhalse als vom äusseren Blatt gebildete Längsrippen, die sich dann
bei fortschreitender Cystidentwickelung bis auf einen obern und untern Befestigungspunkt abschnüren
und wie Stäbe eines Regenschirms zwischen dem eystidalen Theil der Duplicatur und dem inneren
Vaginaltheil derselben ausspannen. Der Vorgang ist ähnlich wie bei der Muskelbildung, nur dass er
sich dort an einer einzelnen Zelle, hier an einer ganzen Leiste von solchen abspielt, wobei statt der
freien Fasern nur eine Art Tunica erzeugt wird.
Nacli vollständiger Entwickelung der Leibeswand umfasst der Knospenhals nur noch den Vaginaltheil
der Mündungszone. Während bei Plumatella die Knospenhöhle oft schon frühzeitig in Form eines
engen Kanals (Taf. IX, Fig. 109, B) nach aussen durchbricht, beobachten wir bei Cristatella, dass die
Ectodermzellen der Halsregion sich zu einer Kugel gruppiren (Taf. VIII, Fig. 90), die anfangs compact
erscheint, später immer deutlicher einen Hohlraum, die Vaginalhöhle, erkennen lässt. Nachdem das
darüber gelegene Ectodermgewebe auseinandergerückt ist, wird die Wandung der Kugel zunächst am
oberen Pol durchbrochen und so die Vaginalhöhle mit der Aussenwelt in Verbindung gesetzt (Taf. VI,
Fig. 82). Auch am unteren Pol erfolgt dann ein Durchbruch, der die letzte Schranke, welche vor die
Knospenhöhle gelegt war, beseitigt und dem Wasser freien Zutritt gestattet. Sehr bald erweitert sich
die Oeffnung in dem Grade, dass der junge Polyp die Tentakelkrone entfalten und selbstthätig seine
Nahrung erwerben kann. Bisher war er lediglich auf die in der gemeinsamen Leibeshöhle der Kolonie
enthaltene Blutflüssigkeit angewiesen, die er durch Diffusion in seine Gewebe aufnahm. Die zum
Ringe umgewandelte Mündungskugel ist auch späterhin durch Plasmareichthum und geringere Secret-
bildung vor den benachbarten Ectodermzellen ausgezeichnet. Zuweilen wird sie an ihren beiden Enden fast
gleichzeitig durchbrochen. Bei dem im Statoblasten eingeschlossenen Embryo sah ich die Vaginalhöhle
zunächst in die Knospenhöhle sich öffnen (Taf. XIV, Fig. 158.)
Das Wachsthum der Thiere dauert noch lange nach ihrer Geburt fort (Taf. III, Fig. 45, C : B : A).
Schliesslich verfällt das Individuum einem Marasmus, der seinen Tod herbeifährt, ohne das Leben der
Kolonie in Frage zu stellen. Bei älteren Cristatella-Stöcken findet man zuweilen das ganze Mittelfeld
mit abgestorbenen Polypiden bedeckt. Das Gewebe des inneren Blattes degenerirt zu einer von grossen
Vacuolen aufgetriebenen, schwammigen Masse, in der die Kerne deutlich erkennbar sind (Taf. VIII, Fig. 98).
Dabei’ geht die normale Körperform mehr und mehr verloren, und nur mit Mühe findet man in dem
rundlichen Conglomérat von Zellen die Haupttheile des Darms wieder, in dem sich Reste des Chymus
erhalten haben. Vom äusseren Blatt bleibt bloss eine structurlose Haut übrig, vermuthlich jene Membran,
welche den Muskeln der Tunica zur Grundlage diente. Das Epithel und die Muskeln sind in Fig. 98
geschwunden. Zuletzt scheint der Cadaver durch eine Art Abschnürung nach aussen entfernt zu werden,
wobei auch der im Umkreise der Mündung des ehemaligen Polypen gelegene Theil des Cystids der Auflösung
anheimfällt. Sicherlich bleibt die Zusammensetzung der die Leibeshöhle erfüllenden Flüssigkeit
durch den Zerfall so vieler Individuen nicht unbeeinflusst. Ob es indessen richtig ist, „dass ein grösser
Theil des protoplasmatischen Gewebes gewissermassen wieder ,eingeschmolzen' wird, um an ändern
Punkten des Stockes zum Wi e d e r a u f b a u verwendet zu werden“, wie Kraepelin meint*), ist mir
sehr fraglich.
Ueber die verschiedene Stellung, welche die Polypide von Cristatella und Plumatella, namentlich
in eingezogenem Zustand einnehmen, geben die Figuren 44—46 der Taf. III Auskunft. Die
Lophophorarme werden beim Einziehen emporgerichtet und mit der Mundfläche halb nach aussen gekehrt,
so dass die der inneren Biegung des Hufeisens entsprechenden Wände dicht an einander liegen (s. den
Querschnitt Taf. V, Fig. 67). Die Tentakeln werden der Länge nach zu einem cylindrischen Bündel vereinigt,
in welchem die der äusseren Leiste peripher, die der inneren central gestellt sind (Fig. 68).
Die mesodermale Auskleidung der Leibeshöhle und ihrer Derivate zeigt überall, ausser in den
Tentakeln und vielleicht noch im Epistom, einen zarten Flimmerbesatz, der die Circulation des Blutes
zu unterhalten bestimmt ist. Ein echtes Flimmerepithel ist jedoch nur im Gabelkanal, am stärksten bei
Cristatella, entwickelt, im Uebrigen sind es hie und da vereinzelte Zellen, welche mit Cilienbüscheln
(Taf. IX, Fig. 105 u. 112) versehen sind. Im Lophophor ist die Flimmerung in der Umgebung des
Nervensystems am lebhaftesten. Was ich bei Plumatella über die Richtung des Cilienschlags feststellen
konnte, ist, dass sie an der analen Cystidwand von unten nach oben, d. h. nach der Mündung, an der
oralen von oben nach unten fortwirkt. Auch am Darm, besonders am Enddarm,
schreitet die Flimmerung abwärts, am Oesophagus und am Magen ist sie von
geringem Belang.
Bei dem dadurch erzeugten Kreislauf (s. das Schema) steht für die
Abwärtsbewegung (b) des Blutes bei weitem der meiste Raum zur Verfügung,
da der ganze Darm und-die Oralseite der Leibeswand in gleichem Sinne wirken.
Für den aufsteigenden Strom, (.a) bleibt nur das Gebiet in unmittelbarer Nähe
der anälen Wand frei, und demzufolge — dem kleineren Querschnitt entsprechend
— muss die Bewegung hier eine um so raschere sein. Am blinden
Ende des Magens und an der Duplicatur bezw. am After gehn beide Ströme in
einander über. Da, wenn das Thier eingezogen ist, die Tentakelscheide der
Cystidwand entgegenwirkt, so wird alsdann in den absteigenden Strom ein
kleinerer Kreislauf (c) eingeschaltet. Aber auch sonst bleibt die Strömung
nicht immer in contmuirlichem Fluss, sondern wird, je nach der Lage und
Form der verschiedenen Körpertheile, in einzelne Wirbel gebrochen, die nur von
Zeit zu Zeit dem normalen Verhältnis Platz machen.
Zum Schluss möchte ich noch hervorheben, dass weder die Knospung noch der Bau der Polypide
von Fredericella irgend welche anderen als formelle Unterschiede gegenüber Plumatella darbietet.
Worauf man seit jeher das meiste Gewicht gelegt hat, die Rundung des Lophophors, sie ist
eine so rein äusserliche Erscheinung, dass sie nicht einmal als Gattungscharakter, geschweige denn
zur Begründung einer näheren Verwandtschaft mit Paludicella verwerthbar ist. Man kann geradezu
sagen, dass die Tentakelkrone einer Plumatella durch blosse Verkürzung der beiden Arme in eine
*) 1, c. S. 85.
Bibliotheca zoologica. Heft VI.