Die Hautmuskulatur des Rüssels beschränkt sich auf ein weitmaschiges Querfasernetz, das voa
der soeben erwähnten Ringmuskelplatte bis zur Ansatzstelle des vorderen Sarkolemmaringes herabreicht.
Alle Längsmuskeln, die an der Konstitution des Rüsselapparates theilnehmen, stehen nur an
ihren Enden mit der Leibeswand, beziehentlich dem Receptaculum in Verbindung. Sie besitzen sammt
und sonders eine exquisite Röhrenform. Die kontraktilen Prismen vereinigen sich zu dickwandigen Hohl-
cylindern, deren Lumen von einer feinkörnigen, von feinen Fäden durchsponnenen Markmasse erfüllt
ist. Die Kerne liegen stets in der Achse der Cylinder. Ihre Anwesenheit giebt sich gewöhnlich in
einer beträchtlichen Ausweitung der Röhre kund.
Aus der Zahl der hierher gehörenden Muskeln will ich die Retractores proboscidis zum Ausgangspunkte
der Besprechung wählen.
Im Grunde des Receptaculum haben die Retractores proboscidis die Gestalt dreier konischer
Zipfel, deren Spitzen in dünne Fibrillenbündel sich auflösen und mit drei gleichgeformten Faserpartien
des Retractor receptaculi in Verbindung treten (s. Tafel 5, Fig. 17 Rrpx). Weiter nach vorn theilen sich
die Retractores proboscidis in 20 bis 30 cylindrische Röhren, umfassen allseitig das Ganglion cephalicum
(s. Tafel 5, Fig. 14 Rp) und verschmelzen oberhalb desselben zu vier mächtigen Schläuchen, deren jeder
einen grossen ovalen Kern birgt (s. Tafel 5, Fig. 15 Rpnc). In der Höhe der inneren Rüsselscheidenkerne
lösen sich die vier Retraktoren wiederum in 10 bis 20 cylindrische Fasern auf und durchziehen geraden
Weges das Receptaculum und die Rüsselhöhle. Nachdem sie sich im Umkreise der Ringmuskelplatte
befestigt haben, biegen sie nach aussen um, laufen parallel der Körperachse an der Rüsselwand herab-
und endigen unmittelbar vor dem Sarkolemmaringe der inneren Rüsselscheide. Es ist mir nie gelungen,,
in den rücklaufenden Retraktoren Kerne nachzuweisen.
Echinorhynchus haeruca und Echinorhynchus angustatus besitzen nur einen kräftigen Retractor
receptaculi, der dem dorsalen Retraktor des Riesenkratzers entspricht. Selbiger setzt sich aus einerwechselnden
Zahl (15 bis 35) dünner, oftmals gefalteter Röhren zusammen, die fest auf einander liegen
und durch ihre Sarkolemmaumhüllung zu einem soliden Bündel (66 {.i Durchmesser) verkleben. Aus der
Längsmuskulatur der Körperwand tritt der Retractor receptaculi ungefähr 0,9 mm hinter der Halsbasis
hervor und durchzieht hierauf in dorsoventraler Richtung den Leibesraum. Die Kerne liegen dicht bei
einander, etwa in der Mitte des gesammten Muskels. Am Vorderende zerfällt seine Fasermasse in drei
konische, marklose Fibrillenbündel, die völlig gesondert zunächst die äussere, dann aber auch die innere-
Rüsseltasche durchbrechen und auf die früher geschilderte Art mit den Retractores proboscidis sich vereinigen
(s. Tafel 5, Fig. 17 Rrpx).
Die unter dem Namen Retinacula bekannten seitlichen Muskelbänder, welche die Hüllen zweier
ansehnlicher Nervenbündel abgeben, sind auch bei Echinorhynchus haeruca und Echinorhynchus angustatus
vorhanden. Mit dem einen Ende befestigen sie sich am Receptaculum neben den austretenden Retraktoren
proboscidis, mit dem anderen an der Leibeswand und zwar so, dass bei vollkommen eingestülptem Halse die vier
Ansatzpunkte in eine Ebene fallen. In diesem Zustande hängen die Retinacula schleifenartig herab, oder
sie winden sich spiralförmig um das Receptaculum herum. Im Grunde genommen sind die Retinacula
nichts anderes, als cylindrisch eingerollte Muskelplatten im Umkreis des in ihnen verlaufenden Nervenstranges.
In ihrem feineren Baue können wir sie nicht ohne Weiteres den übrigen Muskelbändern, welche
die Leibeshöhle durchkreuzen, an die Seite stellen. Wohl wird man in der nächsten Umgebung der
Kerne (s. Tafel 5, Fig. 12 Mrt) und auch noch an manchem anderen Orte Fasern antreffen, die mit
•einer gleichmässig dicken Rinde versehen sind; im allgemeinen gilt es jedoch als Regel, dass nach der
Mitte des Faserrohres die fibrilläre Substanz an Mächtigkeit abnimmt. Trotz dieser Eigenthümlichkeit
besitzen die Retinaculafasern doch eine exquisite Röhrenform. Auch hinsichtlich der Faserverbindung
lässt sich eine auffallende Aehnlichkeit mit den Längsbändern nicht in Abrede stellen. Die Zahl der
Muskelröhren ist an verschiedenen Orten beträchtlichen Schwankungen unterworfen. In der Nähe der
Rüsseltasche zählt man selten mehr als 3 oder 6 Fibern (s. Tafel 5, Fig. 12 Mrt) ; je weiter man sich
aber von derselben entfernt, desto schneller wächst ihre Menge, so dass schliesslich 10, ja bisweilen 12
zu einem Rohre verwobene Fasern vorgefunden werden. Die Retinacula des Echinorhynchus haeruca
heften sich vermittelst radial auseinander strahlender Fibrillen an den Seiten des äusseren Rüsselsackes
¿m. Unmittelbar vor diesem Faserkegel liegt ein länglich-ovaler Kern (s. Tafel 5, Fig. 12 Mrtnc). Bei
Echinorhynchus angustatus durchbrechen dagegen die Retinacula, ohne dass hierdurch ihre Form auch
nur im geringsten beeinflusst würde, die äussere Rüsseltasche, steigen sodann in sanftem Bogen aufwärts
und inseriren sich unterhalb des Ganglions am inneren Muskelcylinder. In dem spitzen Winkel, den
•die austretenden Nervi laterales mit der Sarkolemmascheide bilden, liegen die beiden Kerne dieser
•Seitenbänder.
Die vier Retractores colli verwachsen bei Echinorhynchus haemca und Echinorhynchus angustatus
zu einem Kegelmantel, der mit dem schmäleren Vorderrande an der Halsbasis, mit dem breiten und lateral
gespaltenen Hinterrande ungefähr 2 mm hinter der letzteren an der Leibeswand sich befestigt. Die
Mantelfläche besteht aus einer einfachen Lage sehr regelmässiger Kreiscylinder, die sammt und sonders
-den gleichen Durchmesser (11—13 fi) aufweisen (s. Tafel 5, Fig. 18 Rc). Nur an den beiden Seiten
spaltet sich der Retraktor in zwei Blätter, deren Fibern sich durch ihre Dünne leicht von der Nachbarschaft
unterscheiden lassen (s. Tafel 5, Fig.. 18 Rcx). Sie umgrenzen zwei flach cylindrische Hohlräume,
in welche die beiden grossen Lemnisken hineinragen. Mit der muskulösen Hülle, die man allenfalls als
Oompressores lemniscorum bezeichnen mag, stehen sie in keinem Zusammenhänge. Ich habe öfters gesehen,
dass diese Organe sich innerhalb des äusserst elastischen und dehnbaren Fasernetzes gekrümmt
oder faltenartig zusammengelegt hatten. Die Kerne sind in der Vierzahl vorhanden. Sie liegen in der
Mitte der Retractores colli, da wo letztere in die Oompressores lemniscorum übergehen (s. Tafel 5,
Fig. 18 Rcnc).
Im Voranstehenden habe ich zwei Kratzertypen vorgeführt, die in dem Baue des Fixationsapparates,
in der Zahl, der Anordnung der daran betheiligten Muskeln so zahlreiche und auffallende
Unterschiede aufweisen, dass eine Vergleichung sich eingentlich nur auf gröbere anatomische Merkmale
•erstrecken kann. So war denn auch in früherer Zeit, wo man ausser dem Riesenkratzer nur noch Echino-
rchynchus proteus, Echinorhynchus polymorphus, Echinorhynchus tuherosus und Echinorhynchus acus
eingehender untersucht hatte, die Behauptung vollkommen berechtigt, dass Echinorhynchus gigas, ob
seiner eigenartigen Organisation eine Sonderstellung verdiene. Heute können wir dieser Ansicht nicht
mehr huldigen, weil Formen bekannt geworden sind — ich erinnere nur an Echinorhynchus moniliformis
und an Echinorhynchus clavaeceps — die jene breite Kluft zwischen dem Riesenkratzer und den kleineren
Arten überbrücken.