Schmetterlinge in ihr Vorkommen dürften, weil der allgemeine Mangel an Nahrungsmaterial die insecten-
fressenden Vögel veranlasst, oft auch die unschmackhafteren Formen zu nehmen. Soliessen einige gefangen
gehaltene Sperbergrasmücken die ihnen von mir vorgeworfenen Stücke von Zygaena trijolii zwar zwei
Tage lang am Leben, am dritten aber frassen sie, von Hunger getrieben, die offenbar wenig wohlschmeckenden
Thiere doch. Aehnlich beobachtete auch E. G. P o u l t o n '), dass Z. filipendualae von
Vögeln mit Widerstreben genommen wurde, während die Eidechsen nach B u t l e r ' s Experiment sie verschmähten.
Dagegen wurde nach J . We i s Porthesia auriflua von Eidechsen gefressen. Auch Spilosoma
menthastri wurde widerstrebend von Rothkelchen und Emberiza scheoniclus gegessen, aber von allen anderen
Vögeln verschmäht, und S t a i n t o n warf dasselbe Truthähnen vergeblich vor. Die ähnlich auffallend
gefärbte ebenfalls weissflügelige Spilosoma lubricipeda mit gelbem Leib wurde nur ausnahmsweise genommen.
Diese Beobachtungen veranlassten A. R. Wa l l a c e n o c h in seinem „Darwinism“ a) Diaphora
mendica als Beispiel wahrscheinlicher Mimicry anzugeben, da ih r Weibchen dem Spilosoma menthastri
gleicht und nach Wa l l a c e diese Aehnlichkeit erworben hat, um dadurch grösseren Schutz zu geniessen.
Es sind aber beide Formen nach den Structurmerkmalen so nahe Verwandte, dass sie nur künstlich in
zwei Gattungen gebracht, am besten aber wieder im Genus Spilosoma vereinigt werden. So giebt auch
das Weibchen von D. mendica in seiner Färbung nur die seiner nächsten Verwandten wieder 8), und auch die
Raupe gleicht derjenigen von S. lubricipeda.
Der weitere von M e l d o l a angegebene Fall einer mimetischen Anpassung den W a l l a c e , 1. c.
p. 279, ebenfalls wiedergiebt, dass Acidalia subsericeata die ebenfalls zu den Geometriden gehörige Asthena
candidata nachahmen soll, ist einfach zu streichen, da weder besondere biologische Gegenseitigkeitsbeziehungen
zwischen beiden Arten vorliegen noch die Aehnlichkeit besonders in die Augen springt.
Auch gegen die von D i e t z e angeführten Beispiele der Mimicry unter deutschen Schmetterlingen
muss ich Bedenken äussern. So gleicht Scoria dealbata L -, ein weisser, an Waldrändern »bei Tage im
Sonnenschein fliegender und an Blüthen saugender“ Spanner »mit langem Hinterleibe des Männchens und
für eine Geometride sonderbar gebauten Flügeln“ nach Di e t z e , 1. c. p. 281, „einem Weisslinge, besonders
P . Napi, dessen Unterseite der Hinterflügel ebenfalls dunkel geadert wird“. Auch nach A. S e i t z 4)
copirt der weisse Spanner „den verschmähten Koblweissling“. Nun wird letzterer aber von Vögeln viel
verfolgt, wie ich häufig beobachtete; so sah ich ihn auch vom Sperling nehmen, was frühere Angaben
englischer Beobachter (Nature III, p. 166) und die von A. G. B u t l e r und P o u l t o n , 1.. c . '"p . 246
bestätigen. Wie diese Art wurde auch P. brassicae nach P o u l t o n , 1. c. p. 4 5 , „schnell von allen
Eidechsen, aber wegen der grossen .Schuppenflügel nicht gern“ gefressen und R. T r im e n 5) sah,
wie eine Schwalbe ihn verfolgte. Auch mehrfache Beobachtungen von Ornithologen bestätigen diese
Angaben.
Uebrigens ist eine weissliche Flügelfärbung auch bei Spannern weit verbreitet.
') E. G. P o u lto n , The experimental proof of the protective value of colourand markings in insects in reference
to their vectebrate enemies. Proc. zool. Soc. London 1887, p. 218.
a) A. R. W a lla c e ,, Darwinism, an exposition of the theory of natural selection. London 1889, p. 248.
3) Schon C. D ie tz e spricht sich in einem Aufsatz „über einige Beispiele von Nachahmung bei Insecten'1, Stett.
ent. Zeitg. XXXII, 1871, p. 279, für diese Ansicht aus.
*) A. Seitz, Betrachtungen über die Schutzvorrichtungen der Thiere. Zoolog. Jahrbuch. Abth. f. Systematik etc
H I , p . 87.
*) Trans. Linn. Soc. XXVIj p. 499.
Das zweite der zu erörternden Beispiele betrifft ebenfalls Angehörige verschiedener Familien,
einenBrephiden, Brephos partheniasL., und einen echten Spanner, Ploseriadiversata S. V. Nach A. Rö s s l e r
h at der Spanrsfer, vorzüglich das Weibchen, in „Lebensweise,’ Flug und Färbung so grosse Aehnlichkeit
mit dem gleichzeitig fliegenden Brephos, dass hier nur an eine Nachahmung zu denken is t“. Nach Di e t z e
stimmen beide auch „in der Eigenschaft, sich in’s welke Laub oder auf feuchte Waldwege zu setzen und
aufgescheucht fast senkrecht in die Höhe zu fliegen,“ überein. Vorläufig is t jedoch erst der Beweis zu
erbringen, dass Brephos, welcher in diesem Falle als Modell anzusehen wäre, in höherem Grade immun
ist als der Spanner. Die Nahrung (Betula) der Raupe macht dies aber wenig wahrscheinlich, und ihre
Form deutet sogar auf Verwandtschaft mit den Spannerraupen hin.
2. I n d o - a u s t r a l i s c h e Re g i o n .
a. Als Modelle dienende Familien u n d Gattungen.
Als Modelle der Anpassung dienen in dieser Region nur die Vertreter bestimmter tagfliegender
Familien, welche besonders den Rhopaloceren angehören; vor allem Danaiden, Acraeiden und Angehörige
der die Palaeotropinen darstellenden papuanischen Gattung Hamadnjas.
Weiter müssen wir unter den Tagfaltern noch die zu den Morphiden gehörige Gattung Tenaris Hb.
(.Drusilla Swains.), welche besonders im östlichen Theil des Gebietes vorherrscht, und die Arten der
U n t e r g a t t u n g P h a rm a c o p l i a g u s von Papilio als Modelle der Nachahmung ansehen.
Dazu kommen endlich auch einzelne Formen von Heteroceren, welche am Tage fliegen und besonderen
Schutz vor den Nachstellungen der Insectenfresser zu geniessen scheinen, so Angehörige der
Agaristiden (Eusemia) und der ihnen nahe verwandten Uraniiden (Alcides). ')
1 . Familie der Danaiden.
Diese formenreiche, besonders über die Tropen verbreitete Familie zeigt die charakteristischen
Eigenlhümlichkeiten immuner Schmetterlinge ganz besonders deutlich. „They are so tenacious of life, as to
be able to bear considerable pressure between the finger and thumb without being killed. Birds and other
insectivorous animals do not appear to be partial to these butterflies as food; they are probably unpalatable
to them owing to th e ir possessing a peculiar odour.“ 2)
Nach Ma r s h a l l und Ni c e v i 11 e 3) fliegen die Danaiden aufgestört in langsamem, klappendem Fluge
davon und zeigen keine Scheu. Diese Furchtlosigkeit rü h rt offenbar daher, dass sie vor den Angriffen
ihrer Hauptfeinde, insectenfressender Vögel und Reptilien, durch einen „pungent semiaromatic odour“ geschützt
sind, der die „Säfte ihrer Körper“ durchdringt; „these juices, when exuded by pressure, stain the
skin yellow and leave a distinct odour.“ Auch Ma r s h a l l und N i c e v i l l e heben die grosse Lebenszähigkeit
hervor und schliessen, „ th a t any individual which might be accidentally seized and afterwards dropped by a
bird, has a good chance of escaping with immunity, when more delicately framed insects would be killed
or hopelessly maimed.“ Dass manchmal auch die in Gefangenschaft gehaltenen Vögel noch die wohli)
Für die Tagfalter vergleiche man Dr. 0. S t a n d in ge r ’s trefflichen Atlas (Exot. Schmetterlinge I. Fürth 1888).
») Note von Dr. T hw a ite s bei Moore, Lep Ceylon, I, p. 2.
8) M a rs h a ll and de Nic e v ill.e , Butterflies of India, Calcutta 1882—1886, I, p. 22.