
Es leuchtet ein, dass dadurch eine Stauung des Blutes im Innern der Lamelle hervorgebracht werden,
dass dasselbe hier unter einem erhöhten Druck stehen muss. Berücksichtigen wir überdies die rein
anatomische Thatsache, dass die innere Wand der cuticula ein äusserst zartes, unmessbar dünnes Häutchen
is t, während die äussere stets beträchtlich verdickt erscheint (Taf. V, F ig 7 ), so sehen wir alle
Bedingungen erfüllt, welche zu einer Filtration des Blutes in den Brutraum erforderlich sind.
Man könnte einwenden, dass die beschriebene Contraktion des Gewebekörpers der hier vorgetragenen
Anschauung nicht günstig sei. Indessen haben wir gesehen, dass dieselbe sich nur au f eine
bestimmte periphere Zone erstreckt, welche in natürlicher Lag e durch die Ränder der angrenzenden
Lamellen theils von oben, theils von unten gedeckt wird. Diese Zone ist also für eine Blutfiltration
zum Theil unbrauchbar geworden und es hat keinen Zweck, dass sie mit lebendem Gewebe versorgt
bleibt. Auch ist der Einwurf, dass ein solcher von Gewebe nicht erfüllter peripherer Raum die Druckverhältnisse
im Innern der Lamelle ungünstig beeinflussen müsse, nicht stichhaltig; denn die beiden,
Chitinblätter legen sich hier so fest au f einander, dass es nicht mehr gelingt, sie durch Präparation von
einander zu trennen.
G e r s t ä c k e r 1), der die lakunären Blutkanäle bereits gesehen hat, macht auf die Aehnlichkeit
dieser Stru k tu r mit den Kiemen aufmerksam und spricht die Vermuthung aus, dass den Brutlamellen
eine respiratorische Funktion zu Gunsten d e r im Brutraum befindlichen Embryonen zukommen dürfte.
Ich gebe zu, dass die Aehnlichkeit im Bau der Brutlamellen und der Kiemen auffällig genug ist, indessen
besteht doch ein wesentlicher Unterschied in der Art, wie die Cirkulation in beiden Organen geregelt
ist. In die Kiemen tritt das aus der Peritonealhöhle zurückkehrende Blut, welches bereits den ganzen
Kreislauf durcheilt und alle Organe der vorderen Körperpartieen bespült hat, durch lakunäre, mit der
Leibeshöhle in offener Verbindung stehende Kanäle ein und strömt dann, mit frischem Sauerstoff geschwängert,
ebenfalls durch lakunäre Bahnen zum Herzen zurück. Den Brutlamellen dagegen wird
dasselbe durch ein geschlossenes Gefäss, also wohl direkt von den Centralorganen des Kreislaufs her in
frischer, sauerstoffreicher Form zugeleitet. Dieses Blut beda rf einer Erneuerung zunächst gar nicht;
aber selbst vorausgesetzt, dass eine solche stattfände, wie ist es denkbar, dass ein Respirationsprozess
der ja nur in Aufnahme von Sauerstoff aus der Umgebung besteht, den Embryonen im Brutraum zugute
kommen soll? Dazu kommt, dass die grössere Dicke des äusseren Chitinblattes, au f die ich bereits aufmerksam
gemacht habe, einer Respiration keineswegs günstig ist, während sie bei gleichzeitiger Zartheit
des inneren Blattes eine Diffusion in den Brutraum entschieden befördern muss.
Nach Beendigung der embryonalen Entwickelung schrumpft das hypodermale Gewebe vollständig
zusammen. In F ig u r 3 sehen wir eine solche Lamelle von Idothea entomon von der Innenseite betrachtet
vor uns, einem Weibchen angehörig, dessen Junge den Brutraum bereits verlassen hatten. Die
äussere Wand der cuticula erscheint in ihrer mittleren P artie durch eine mächtige Chitinplatte verdickt,
welche nach den Rändern zu in zahlreiche mehr oder weniger breite Leisten und Streifen sich auflöst,
während die innere ungemein dünn bleibt und wie ein zarter Schleier von jener mit der Nadel abgehoben
werden kann. Das Gewebe ist völlig zusammengefallen; von ihm gehen zarte strukturlose Fäden
nach allen Seiten aus, welche zweifellos mit den Aufhängefäden der Gefässe bei Asellus aquaticus als
*) G e r s tä c k e r in Bronns Klassen und Ordnungen des Thierreichs. V. Bd. II. Abth. pag. 108.
■fdeiiüsch zu betrachten sind. Dieselben, verfaulen bis zur Peripherie hin und treten hier in die theils
grösseren, thoib kleineren Stacheln und Haare ein, welche den Rand der Lamelle besetzen. Wenn bei
d e r starken Schrumpfung des Gewebes ein arterielles- Gefäss nicht nachgewiesen werden konnte so
scheint mir das Vorhandensein dieser Raden für die Existenz eines solchen zu spreeben.
Sehr eigenthümlich gestaltet sind die Brutlamellen von Anthwra g r a Á (Fig. 4), einer Species welche
wie die vorhergehende ftir die Dapziger Bucht charakteristisch ist. Dieselbe besitzt drei PaJre sehr
stattlicher -Brutpiatten an der Basis des dritten, vierten und fünften Thörakalbempaares. Entsprechend
T betrkcbtlicherti Längsausdehnung der Brustsegmente, an welchen äie inserirt sind, erscheinen
dieselben m der Breite mächtig entwickelt, um sich mit ihren seitlichen Bändern gegenseitig decken
zu können D er stark zusämmeng^ogene Gewebekörper lässt zwei getrennt neben einander gelagerte
Platten erkennen, welche n u r am Grunde der Lamelle durch eine schmale- Vefbindungsbrücke im Zusammenhang
stehen, die Form feines Hufeisens nachahmend. Dieser charakterische Bau gestattet einen
Rückschluss au f die Entstehung der merkwürdigen Doppellamellc, wenn wir die an Asellus gemachten
Erfahrungen zu Hilfe nehmen.
Ich stelle sie mir so v o r : Die ursprüngliche Hypodermisausstülpun¿f an d e r Ansatzstelle des
Beines añftréténd, trieb ¿inen seitlichen. Fortsatz, welcher rechtwinklig umbög’ und mit j l l iM n gleicher
Richtung ¿ e |é n dm Medianlinie des Körpers hin fortwuohs. Indem beide Fortsätze sieh mit ihren
inneren, Rändern anemanderlegten, bildeten Sie eine gemeinschaftliche zusammenhängendeSiticula auf
ihrer Oberfläche aus, welche den Verwachsungsstreife» iin der Mittellinie n o Ä im ansgebildeten Zustand
erkennen lässt, nachdem die Hypodermisplatten s í » wieder von einander entfernt haben. Wir haben
hmr s»»ach eine dritte Modifikation der Brutlamellenbildung vor uns, welche geeignet ist, eine besonders
-ausgiebige flächenhafte Entwickelung in der Breite zu erzielen.
Das äussere Blatt der cuticula weist zwei verdickte Chitinlei#m auf, welche, .oberhalb der Ge-
wcbcplatten gelegen, in d e r Zeichnung nicht siftjtbar sind und welche nach den .Seitenrändern der La-
meUejaraUjJiiangeordnete Querleisten entsenden. Das Gewebe zeigt die bekannte S tru k tu r; auch wird
j e d e r der beiden Fortsätze von einem, g p h lo s s e n e n arteriellen Gefäss mit seitlichen Verzweigungen der
Länge nach durchzogen; ob diese..beiden Arterien von einer gemeinsamen Wurzel entspringen, konnte
ich nicht entscheide», weil das Gewebe an dieser Steile zu undurchsichtig ist. Weiterhin sehen wir
auch hier die charakteristischen Befestigungsfäden auftreten, sowohl nach beiden Seitenrändem, als nach
d e r Mittellinie der Lamelle hin ihren Verlauf nehmend. Zur Verbindung ‘f e r Lamellen unter einander
dienen, ähnlich wie bei Asdlus, kleine kammartig gezähnte Chitinleistehen, welche dicht g ld rän g t und
in grösser Zahl auf einer breiten Zone am Rande angeordnet sind.
Es scheint sonach, dass in den verschiedenen Familien der Isopoden die Struktur der Brutlamellen
eine übereinstimmende ist, und es wird daher auch au f eine analoge Funktion derselben beschlossen
werden können. Indessen mag die Entscheidung darüber weiteren Untersuchungen Vorbehalten
bleiben.
Dass übrigens in der Ernährungsweise der Brut auch sehr bemerkenswerthe Modifikationen Vorkommen,
beweist das Vorhandensein der von T r e v i r a n u s sogenannten Cotyledonen oder Brutschläuehe
bei den Onisciden.