Als weiteres Beispiel dafür glaube ich die unverkennbare Anpassung der Weibclienform Vams,
eines brasilianischen Aristolochienfalters der Laertias-Gohovte, des P. ( Ph.) Peius Cr., an die Heliconier
der ^sewcZes-Gruppe anführen zu müssen. ')
Wir finden bei diesem Aristolochienfalter einen ausgebildeten Dimorphismus der Geschleohter.
Das Männchen ist oben einfach stahlgrün, ohne deutliche Binden erkennen zu lassen, während das Weibchen
('Varus Koll.) schwärzliche Vorderflügel mit einer schwefelgelben Schrägbinde und metallisch blaue Hinterflügel
besitzt.
Wir dürfen nun annehmen, dass wie bei Ph. örassus ursprünglich wohl beide Geschlechter von
Ph. Peius eine helle Vorderflügellängsbinde und ausserdem helle Randbindenreste auf den Hinterflügeln
trugen und erst das Männchen als die gewöhnlich in der Artumbildung fortschreitende Form die einfarbig
stahlgrüne Färbung annahm. Für diese Annahme lassen sich die beiden mimetischen Weibchenformen
des Rinnenfalters P. Polycaon Cr. (Theil I , Seite 97) anführen, deren seltenere, Androgeos Cr., an Ph.
Peius $ Varus, deren häufigere, Piranthus Cr., an das Männchen derselben Aristolocbienfalterart erinnert.
Zugleich scheint mir aber das heutige Weibchen von Peius der einst als Modell dienenden Form nicht
mehr zu entsprechen. Die Flügelweite h at abgenommen, und die Form und Färbung besonders der Hinterflügel
haben eine Umwandlung durchgemacht, durch welche der Falter einem der jüngsten Heliconier,
Hel. apseudes, ähnlich wird. Nun ist das Weibchen Varus Koll. von P. Peius z. B. am Amazonas j e t z t
so selten, dass nach Dr. H a h n e l ’s Beobachtungen erst e i n e s 2) a u f z w e i h u n d e r t Mä n n c h e n kommt:
so erklärt sich die mimetische Anpassung der seltenen Form an den gemeinen Heliconier. Vielleicht tritt
das Weibchen von P. Peius Cr. in einer anderen Gegend Brasiliens, wo es häufiger is t, auch noch in
einer ursprünglicheren mehr an Pap. Piranthus $ Androgeus erinnernden Form auf. So erzählte mir Herr
Dr. S e i t z , es mehrmals gefangen zu haben, während B a t e s während seines zehnjährigen Aufenthaltes
am Amazonas nur einmal ein Stück fliegen sah.
Forschen wir nun nach den Ursachen, welche die H ä u f i g k e i t der Heliconier bedingen, so is t wohl
vor Allem eine allgemeine Widrigkeit des Geschmackes in Rechnung zu bringen, welche sie wahrscheinlich
ihrer besonderen Raupennnahrung, den Passifloren, verdanken. Ausserdem aber sind Heliconius und Eueides
wie Golaenis, und Pione, wie Fr. Mü l l e r 1. c. nachwies, vor Neotropinen und Acraeihen noch dadurch
bevorzugt, dass sie, besonders im Weibchen ausgebildete, eigenartige Vertheidigungsmittel, vorstreckbare
Stinkwülste, am Körperende besitzen. Dieser verschiedene Widrigkeitsgrad immuner Formen machte es
wohl erklärlich, dass E. Kr a u s e " ’) in den Anpassungen zwischen immunen Tagfaltern der neotropischen
Région solche von in geringerem Grade beschützten an stärker widrige erblicken konnte. Wir fanden
jedoch, wie erwähnt, bei Humides-Arten auch Anpassungen an Acraeen, denen die Stinkwülste fehlen, und
an Heliconier und Golaenis Julia, welche nicht mehr beschützt sind als die Eueides-Arten und sich von ihnen
nur durch grössere Häufigkeit auszeichnen. So dürfte sich auch für diese immunen Tagfalter das von uns
ausgesprochene Princip bestätigen, dass stets die seltenere immune Art sich 'der zahlreicheren anpasst, um
in den Schwärmen der letzteren der Verfolgung zu entgehen.
’) Auch die Anpassung des Weibchens von Eurycus Cressida F. an das der australischen Acraea Andromache F.
dürfte hierher gehören.
2) Dies der Sammlung des Herrn Dr. S ta u d in g e r einverleibte Exemplar ist überhaupt das einzige, welches ich je
gesehen habe.
3) E. K ra u s e (C. Sterne) Werden und Vergehen. 3. Aufl. Seite 752.
In der That wird nun in der neotropischen Region der Vortheil, welchen local concurrirende Arten
durch die Aehnlichkeit ihrer Tracht gemessen können, in jeder Weise von einem durch Naturzüchtung
entstandenen G e s e l l i g k e i t s t r i e b auch vollkommen ausgenutzt. So fliegen nach Ba t e s (1. c. p. 499)
nicht allein Individuen e i n e r Ar t dieser immunen Falter in Schaaren, so halten nicht allein die V e r b
ü n d e n a h e v e rw a n d t e r A r t en , welche denselben District bevölkern, in einer oder mehreren dichten
Massen sich zusammen, auch d i e d a s s e l b e K l e i d t r a g e n d e n V e r t r e t e r v e r s c h i e d e n e r G a t t
u n g e n vereinigen sich. Daher trifft man nach B a t e s (1. c. p. 521) Pircenna Bhaeo und Epidero in
Gesellschaft verschiedener ähnlicher Bhomien, so Geraünia Anastasia Bates (C. c. p. 526) in Gesellschaft
der MeUnaea Maelus; Napeogenes Gyrianassa Dbl. zusammen mit der gemeinen Ceratinia P a r ii; Nap. Ithra
Hew. zusammen mit Ithomia Gymo Hb.
Weiter schliessen sich diesen Schwärmen der Neotropinen noch stets die nachahmenden Heliconius-
Arten der Atthis- und ¿fyfccwms-Gruppe an und auch Eueides aliphera Godt. fliegt nur in Gesellschaft der
Golaenis Julia L. So findet man nach B a t e s (C. c. p. 550) in Gesellschaft der Melinaea Egina die
Mechanitis Polymnia, Mel. Mneme, Heliconius Sylvanus und Numatus, alle langsamen Fluges sich mischend.
Es bedingt nun, wie zuerst Fr. Mü l l e r und A. R. Wa l l a c e hervorhoben, diese Aehnlichkeit
ungeniessbarer Arten unter einander auch einen g e g e n s e i t i g e n V o r t h e i l der Antheilnehmer, indem
dadurch der Typus der immunen Formen b e s t im m t e r wird und sich in nur wenigen Formen ausspricht.
So werden seine Träger leichter von den Angriffen junger Vögel verschont, die erst Erfahrungen über die
verschiedenen Grade der Schmackhaftigkeit ihrer Nahrungsobjecte machen müssen und ihr Urtheil nach dem
äusseren Habitus der letzteren bilden werden.
In der That werden nach Fr. Mü l l e r auch widrige Falter von Insectenfressern angenommen,
wovon ich mich an den mir von dem verehrten Forscher übersandten bei Blumenau gefangenen Exemplaren
von Melinaea und Acraea mit scharfen Bissspuren am Aussenrande der Vorder- resp. Hinterflügel überzeugen
konnte, welche wohl theilweise dem ruhenden Thier beigebracht wurden. Diese Verletzungen sind
von den durch Begattungsacte oder Anstreifen an Zweige entstandenen Beschädigung am Analwinkel der
Hinter- resp. an der Spitze etc. Vorderflügel, wie man sie besonders häufig bei Nymphalinen beobachtet,
durch ihren scharf umschriebenen Umriss durchaus verschieden.
Einwürfe gegen die Mimicry-Theorie.
Da die speciellen Angriffe gegen die von Ba t e s , Wa l l a c e und uns vertretene Auffassung der
Mimicry als eines für die Arterhaltung vortheilhaften Resultates natürlicher Auslese besonders von Seiten
der Lepidopterologen ausgegangen sind, ist auch hier noch der Ort, auf sie zu erwidern.
So behauptete zuerst J. S c h i l d e 1), der die Mimicry etwas volksthümlich als — „Versohlungsprincip“
bezeichnete, in Uebereinstimmung mit einem, von anderer Seite sogar gegen die Möglichkeit jeder langsamen
Umbildung der Arten gemachten Einwande, dass der (nachahmende) Weissling, „wäre er in dem
eigenen Kleide nicht compensiv sicher, untergehen würde, lange bevor nur das erste Stäubchen zur ,Nachäffung
der bunten Art‘ -zielstrebig auf seine weissen Flügel selectirt wäre. Würden doch seine Consu-
’) J. S ch ild e , gegen pseudodoxische Transmutationslehre: 1879, Seite 13.
3) Derselbe, antidarwinistische Skizzen. (Deutsche entomöl. Zeitsçhr. XXVIII 1884, p. 343.)