und zugleich spezifischen Auszeichnungen getragen wurde. So verliert bei Pyranga rubra*) das Männchen
sein 8charlach-rothes Hochzeitskleid nach der Paarung, um dann zunächst eip Uebergangskleid anzulegen
und endlich wieder in dem oben zeisiggrünen, unten gelben Gewände des Weibchens zu erscheinen,
welches bereits die Jungen trugen.
Aehnliches gilt für die derselben Unterfamilie ungehörige JEuphone violacea, deren Männchen sein
an Stirn und Unterseite dottergelbes, oben stahlblau und erzgrün schillerndes Prachtgewand ebenfalls nur
zur Paarung anlegt.
Auch bei den meisten Enten und Sägern (Mergtis) der gemässigten Zone entspricht das nach der
Paarung angelegte „Sommerkleid“ des Männchen dem sich gleich bleibenden Kleide des Weibchens.
Bei weiterer Fixirung der Schmuckfarben des Männchens treten letztere endlich bei diesem Geschlecht
besonders in den Tropen dauernd auf. So erinnert bei Cotinga cincta mit ultramarinblauem klein-
fedrigem Gefieder des Männchens nur mehr der junge Vertreter dieses Geschlechts an das ein grossfederiges,
vorherrschend braungefärbtes Gefieder tragende Weibchen.2)
Daher dürfen wir in diesen Fällen die Beibehaltung des ursprünglichen, auch bei den Nestjungen
auftretenden Artkleides seitens des Weibchen als einen E n tw i c k l u n g s s t i l l s t a n d bezeichnen, welcher
als für die Arterhaltung vortheilhaft, durch Naturauslese befestigt wurde.3)
Wie nützlich diese Beibehaltung des ursprünglichen Artkleides sein kann, zeigt z. B. das W eibchen
der Eidergans (Somatma mollissima), welches in seiner rothbraunen, an Kopf und Hals mit braunen
Längsflecken, auf den Oberflügeln mit halbmondförmigen Querflecken gezeichneten Färbung eine so vollkommene
Uebereinstimmung mit dem Boden besitzt, dass es nach A. Brehm (1. e. p. 499) „dem Ungeübten
wirklich schwer wird, die brütende Alte zu entdecken“. Aehnliches dürfte auch für die von den Männchen
abweichenden Weibchen der meisten Phasianiden und der grossen Waldhühner (Tetrao) gelten, welche
ebenfalls am Boden brüten.
Bei anderen ursprünglicheren, dauernd am Boden lebenden Hühnern ist diese schützende Färbung
auch bei dem Männchen erhalten. Daher verbirgt sich das von Raubvögeln verfolgte Felsenhuhn (Tefrao-
gallus) des Caucasus zwischen Steintrümmern, denen es in der Färbung ähnelt; daher duckt sich das südamerikanische
Steisshuhn (Orypturus) bei harter Verfolgung auf den Boden der einförmigen Ebene nieder.
In beiden Geschlechtern kommt eine höher ausgebildete, aus verschiedenen Tönen von Braun oder
Grau und feinen quer zur Längsachse der Deckfedern verlaufenden Zeichnungen zusammengesetzte Schutzfärbung
besonders bei tagsüber ruhenden Vögeln vor. So schliesst sich das feingezeichnete Gefieder der
meisten Eulenvögel der Färbung des Bodens, des Astes oder des Gesteines an, auf dem das Thier seinen
Tagschlaf hält. Auch die Nacbtschwalben (Caprimulgid.), deren Weibchen meist auf dem nackten Boden
brüten, besitzen eine ausserordentlich feine und zierliche Zeichnung, während die Färbung nach A. B r e hm
(1. c. Vögel I, S. 343) bèi den waldbewohnenden Arten rindenartig, bei den in Wüsten und Steppen
lebenden dagegen sandfärbig ist. Weiter gleicht die Tracht der Schnepfen (Scolopax) der Umgebung des
tagsüber meistauf dem Boden ruhenden Vogels, der nach A. Br e hm (1. c. I l i , S. 287) auch „genau weiss,
welch vortrefflichen Schutz ihm das boden- oder rindenfarbige Kleid gewährt und es meisterhaft versteht,
beim Niederfallen stets eine Stelle auszuwählen, welche ihn verbirgt“.
*) Vergl.'A. Brehm, Thierleben 3. Aufl. Vögel II, S. 369—371.
*) Vergl. A. Brehm 1. c., 3. Aufl. Vögel II, S. 604—605.
*) Darum lassen sich die „halinenfedrigen Hennen“ durchaus -nicht z. B. mit den männchenfarbigen ‘Weibchen der
polymorphen Rinnenfalter, wie Pap. Merope (Tlieil I, S. 68) und Pap. Patnnton (Tlieil I, S. 48) vergleichen, denn erstere treten
erst dann in das Männchenkleid, wenn ihre normalen Geschlechtsfunktionen durch hohes Alter etc. inhibirt sind.
Im Gegensätze zu der meist nur bei bestimmten stärker verfolgten Formen des Thierreiches allgemeiner
ausgebildeten „schützenden Aehnlichkeit“ ist die „schützende Färbung“ bei Angreifern und Angegriffenen
fast gleich verbreitet. So tragen nicht blos Eidechsen, Flughühner und Antilopen, sondern auch
der Karakal und der Löwe das isabellfarbene Wüstenkleid. Und im eisigen Norden sind nicht nur das
Schneehuhn und der Schneehase, sondern auch Hermelin und Eisfuchs im Winter, zur Zeit des grössten
Nahrungsmangels und erbittertsten Kampfes um die Existenz, weiss wie der Schnee, der den Boden deckt
während in den höchsten Breiten mit ihren starrenden Eiswällen der Polarhase und der Eisbär dauernd
das weisse Kleid tragen, welches auch die alten Jagdfalken (Falco arcticus) und Schneeeulen anlegen.
Als niedrigste Form der schützenden Anpassung an die Verhältnisse der Umgebung haben wir
die „ s c h ü t z e n d e Ma s k i r u n g “ (protective maskiüg) anzusehen, bei welcher das Thier nicht seinen
Körper selbst der Umgebung anpasst, sondern dies durch bestimmte auf die freie, den Blicken der Feinde
ausgesetzte, Rückenfläche befestigte Fremdkörper zu erreichen sucht. Wie die Larve der Neuropteren-
Gattung Ghrysopa, haben auch bestimmte Brachyuren diesem Zwecke angepasste Angelhaare, mit denen
sie den schützenden Fremdkörper über sich befestigen. Dass aber diese besonderen Einrichtungen aus
noch einfacheren Verhältnissen hervorgingen, zeigt eine Wollkrabbe (Dromia vulgaris), welche nach
0 . S c hmi d t (Thierleben L. c. X, S. 15) mit ihren Rückenfüssen meist einen Schwamm (SarcoWagus oder
Suberites) über sich hält, der sich mit seiner Unterfläche eng an den Rückenschild anschmiegt. Aehnlich
beobachtete ich’ in Siam verschiedene Reduviiden-Larven, die sich mit trockenen Blattstücken oder sogar
mit einem Haufen todter Ameisen bedeckt hatten, mit denen sie langsam an den Stämmen der Bäume
herumkrochen.
Wahrscheinlich entwickelten sich alle diese verschiedenen Anpassungen an die bewegliche oder
unbewegte, lebende oder todte Umgebung besonders in Zeiten harten Existenskampfes im Interesse der
Arterhaltung aus zweckentsprechenden Zufälligkeiten, deren Fortbildung und Weiterentwickelung durch
Naturauslese gesteigert und durch Vererbung befestigt wurde.
Unter solchen • Umständen erscheint, um diese Untersuchungen mit einem schönen Worte Fr.
Brauer’s *) zu beschliessen, „de r g e s e t zm ä s s i g e Au s g l e i c h d e s Kamp f e s u m s D a s e i n v o l l e n d e t ,
d i e F o rme n h a l t e n s ic h im G l e i c h g ewi c h t , d i e ( u n t e r g l e i c h e n Ve r h ä l t n i s s e n ) l e b e n d e n
A r t e n e r h a l t e n s ic h .“
"*) Pr. Brauer, systematisch-zobl. Studien (Sitzb. kais. Ak. Wiss. XCI, 1885, S. 389).
Bibliotheca Zoologica. Heft VIII.** 21