I I I .
Die Brutpflege.
D i e B r u t p f l e g e b e i d e n S p h a e r o m i d e n .
Es ist bekannt, dass die Isopoden ihre reifen Eier nicht ins Wasser ablegen, sondern bis zur
völligen Entwickelung der Jungen mit sich herumtragen. Zu diesem Zweck treten bei den geschlechts-
reifen Weibchen eigenthümliche lamellöse Anhänge an der Basis einzelner Thorakalbeinpaare, die sogenannten
Brutlamellen auf, welche unterhalb der Brust eine geräumige, zur Aufnahme der Embryonen
bestimmte Bruthöhlung abschliessen.
Eine An an ahm p. von diesem sehr allgemeinen Verhalten bilden nach den bisherigen Erfahrungen
allein die beiden parasitisch lebenden Familien der Anceiden und Cryptonisciden, deren sehr eigenthümliche
Fortpflanzungsverhältnisse durch die Forschungen von D o h r n , B u c h h o l z und F r a i s s e zum
Theil allerdings sehr unvollständig zu unserer Kenntniss gelangt sind. So findet sich nach D o h r n 1)
bei den Weibchen von Anceus maxillaris keine Bruthöhlung in dem angedeuteten Sinne v o r; vielmehr
gelangen die reifen Eier aus den Ovarien in den Raum zwischen der cuticula und matrix der Brustsegmente
und durchlaufen hier die ganze Embryonalentwickelung, bis schliesslich die ausgebildete Brut
durch einen Häutungsprozess des Mutterthier es in Freiheit gesetzt wird. Besonders interessant ist nach
der Darstellung von B u c h h o l z 2) die Gattung Hemioniscus dadurch, dass die Ovarien in zweischenklige
Ovidukte auslaufen und durch doppelte Oeffnungen nach aussen münden; indem eine Bruttasche fehlt,
entwickeln sich die Eier in der Leibeshöhle, in einen weiten zarthäutigen Schlauch eingeschlossen, dessen
Verbindung mit den Ovidukten nicht genauer festgestellt werden konnte. Was schliesslich die sehr
merkwürdigen Mittheilungen von F r a i s s e 3) über die Gattungen Cryptoniscus und Entoniscus betrifft, so
scheint mir aus diesen mit Sicherheit nur soviel hervorzugehen, dass auch hier im Allgemeinen Brutlamellen4)
vermisst werden, und dass die Eier in bestimmten zu Bruträumen umgestalteten Partieen der
Leibeshöhle des Mutterthieres zur Entwickelung gelangen.
') Dohrn,. Untersuchungen über Bau und Entwickelung der Arthropoden. 4. Zeitschr. für wissenschaftl. Zool.
XX. 1870. p. 70.
®) B uchholz. Ueber Hemioniscus, eine neue Gattung parasitischer Isopoden. Zeitschrift für wissenschaftliche
Zoologie. XVI. 1866.
s) F r a is s e . Arbeiten des zool.-zoot. Instituts zu Würzburg. IV. 1877 u. 78. Siehe auch: Fritz M ü lle r,
Bruchstücke zur Naturgeschichte der Bopyriden. Jen. Zeitschr. f. Nat. VI., und Kossmann, Beiträge zur Anatomie der
schmarotzenden Rankenfüssler. Arbeiten des zool.-zoot. Inst, in Würzburg I.
4) Die Arten der Gattung Entoniscus besitzen theils Brutlamellen von ganz bizarrer Form, theils fehlen ihnen
solche. Bei Cryptoniscus scheinen sie stets zu fehlen.
in allen diesen Fällen handelt es sich um Formen, deren ganze Organisation durch den P a ra sitismus
stark deformirt erscheint und von dem Typus der Ordnung sehr auffallend abweicht.
W e n n es daher nicht befremden konnte, bei diesen auch eigenartige Verhältnisse in der F o rtpflanzung
ausgeprägt zu finden, so durfte andrerseits bisher auf Grund aller Erfahrungen die Annahme
als gerechtfertigt gelten, dass für die freilebenden Isopoden-Familien der bekannte normale Verla
u f der Brutpflege ganz allgemein charakteristisch sei.
Indessen hat mich eine Untersuchung der Fortpflanzungsverhältnisse bei den Sphaeromiden zu
dem Ergebniss geführt, dass diese Annahme nicht mehr im vollen Umfange aufrecht erhalten werden
kann, dass vielmehr in dieser Gruppe n i c h t perasitischer Isopoden eine sehr eigentümliche und von
-allem bisher bekannten völlig abweichende Brutpflege ausgebildet ist. Nachdem ich die wesentlichsten
Resultate meiner Untersuchung bereits durch eine kurze Mitteilung1) bekannt gemacht habe, will ich
versuchen, im Folgenden diese Verhältnisse eingehender darzustellen.
Die Angaben, welche sich in der Literatur über Fortpflanzung und Brutpflege der Sphaeromiden
linden, sind sehr spärlich. H e i n r i c h R a t h k e , der eifrige Erforscher der isopoden-Entwickelung und
Fortpflanzung, äussert sich, seine Erfahrungen über diese Gruppe zusammenfassend, folgendermaassen:2)
Ich will bemerken, dass die Weibchen von Sphaeroma und den mit diesem zunächst verwandten Thieren
keine zur Bildung einer Bruthöhle bestimmte Platten erhalten, demnach entweder lebendige Junge gebären,
oder, was mir nach meinen Untersuchungen wahrscheinlicher ist, ihre Eier dem Meere zum Brüten
übergeben. Es machen also diese Thiere in der angegebenen Hinsicht eine grosse Ausnahme von den
übrigen Isopoden, die, wie es scheint, wohl alle eine Bruthöhle bekommen.“
Späterhin h at H e s s e 3) den Fortpflanzungsverhältnissen dieser Familie ein eingehendes Studium
gewidmet. Von seinen Ergebnissen verdient jedoch lediglich der Nachweis hervorgehoben zu werden, dass
-auch die Weibchen der Gattung Sphaeroma, wie andere weibliche Isopoden, zur Zeit der Geschlechtsreife
mit Brutlamellen ausgestattet erscheinen. Im übrigen bemüht man sich vergeblich, aus den zum Theil
einander widersprechenden Angaben dieses Forschers ein klares Bild über die Vorgänge zu gewinnen,
welche die Fortpflanzung in dieser Thiergruppe charakterisiren. Ich verweise nur au f Folgendes: „Les
•oeufs, à l'état primitif, sont renfermés dans un tube commun, dont le diamètre augmente en raison du
développement, qu’ils acquièrent. Plus tard ils sont successivement expulsés dans la cavité thoracique
formée p a r des lames ou plaques très-minces, membraneuses, fixées latéralement de chaque côté à la
base des pattes.4) Ces lames s’avancent obliquement et se croisent à leur extrémité, lorsque les oeufs
o n t encore un petit volume, mais s’écartent e t ne forment plus qu’un bord latéral lorsque l'incubation
-est très-avancée et que les petits sont près de quitter leur retraite. Les oeufs sont accumulés en grande
quantité dans tout le corps, qui en est pour ainsi dire farci. Ils occupent toutes les capacités disponibles,
depuis la tête jusqu’à l’extrémité inférieure de l’abdomen. Les embryons sont très-vivaces etc.“
Was wird aus den Embryonen, fragen wir uns, nachdem die Brutlamellen, durch welche sie in ihrer
J) Zool. Anzeiger 1890, No. 351.
*) R a th k e . Morphologie p. 143.
8) Hesse. Memoire sur la famille des SpMromiens etc. Ann. des Sciences, T. XVII, 1872—73.
*) Die Bemerkung, dass die weiblichen Sphaeromiden Brutlamellen besitzen, wird durch Harger bestätigt. Sillim.
Amer. Journ. 3. ser. völ. 5. 1873. p. 314.
Bibliotheoa Zoologien. Heft X.