Was nun den Geburtsakt selbst anbetrifft, so habe ich Gelegenheit gehabt, denselben bei einem
Weibchen zu beobachten. Wie sich erwarten liess, e r f o l g t d i e E n t l e e r u n g d e r S ä c k c h e n d i r e k t
d u r c h d i e ä u s s e r e n M ü n d u n g e n , d u r c h w e l c h e d i e E i e r u r s p r ü n g l i c h in d i e s e l b e n
a u f g e n o m m e n w u r d e n . W i r h a b e n e s a l s o m i t a c h t g e t r e n n t e n G e b u r t s ö f f n u n g e n
..zu th u n .
Bereits lange vor dem Ausschlüpfen sieht man die jungen Larven im Inneren der Säckchen
lebhafte Bewegungeu ausführen. Die äussere Organisation, die Segmentirung des Körpers, lässt sieb.
• deutlich wahrnehmen und namentlich schimmern die mächtigen glänzenden Augen auffällig durch die-
Haut des Mutterthieres hindurch. Bald erscheint denn auch ein Kopf oder ein Abdomen über d er'
Mündung eines der Säckchen, und wir sehen nun, dass das Junge sich allein durch lebhafte Eigenbewegungen
seines Körpers aus seinem Brutbehälter hervorarbeitet.
Ich habe niemals bemerkt, dass zwei Junge zu gleicher Zeit auskrochen, wohl aber erscheinen
gewöhnlich zwei in rascher Folge hinter einander. Beide verweilen dann noch eine kurze Zeit (selten
länger als eine Stunde) innerhalb der Brutlamellen.
Welchen Zweck dieses Verweilen hat, dürfte in folgender Beobachtung eine Erklärung finden^
Wenn die Jungen die Säckchen verlassen, erscheint ihr Abdomen seitlich etwas zusammgedrückt, indem
ihnen hier noch Reste von Eihüllen anhaften, während der Ko p f bereits frei hervorragt. Ob diese-
Reste durch das Chorion repräsentirt werden, oder eine Larvenhaut darstellen, habe ich nicht ermitteln
können. Gewöhnlich erfolgt nun die völlige Abstreifung dieser Hüllen während des kurzen Aufenthalts-
der Larven im Brutraum der Mutter, und erst wenn dieses geschehen ist, werden sie durch ein momentanes
Auseinanderschlagen der Brutlamellen in Freiheit gesetzt.
Bei der Geburt aller folgenden wiederholt sich dasselbe Schauspiel. Indem zwischen je zwei
Geburten oft eine längere Pause eingeschoben ist, nimmt der ganze Vorgang mehrere Tage in Anspruch.
In dem Falle, welchen ich beobachten konnte entschlüpften nur 14 Ju n g e den Säckchen, doch geschah dies*
gegen Ende August, also zu einer Zeit, wo die Intensität der Fortpflanzug bereits nachzulassen beginnt.
Die neugeborenen Larven (Taf. 1 Fig. 8 und 9) gleichen in ihrer Körperform fast vollkommen
den ausgebildeten Thieren; nur fehlt ihnen, wie allen Isopodenlarven, das siebente Beinpaar,.
während das entsprechende Segment bereits als eingeschobenes Glied angelegt ist. Der K opfabschnitt erscheint
proportionirt, doch machen sich die Augen durch ihre unverhältnissmässige Grösse auffällig bemerkbar.
Die unteren Antennen sind völlig entwickelt, während die oberen an Stelle der Geissel n u r ein einziges
Glied aufweisen, welches an seiner Spitze mit einem Büschel pinselförmiger Borsten besetzt ist. D a die
innere Organisation der Larven im ersten Theil dieser Abhandlung eingehend geschildert worden ist,
kann ich hier davon absehen, und ich hebe nur hervor, dass die Ganglienkette schon bei äusserlicher-
Betrachtung in ihrem ganzen Verlauf hervoiüritt, bemerkenswerth durch die noch völlig getrennten
Anlagen der Abdominalganglien (Taf. I, Fig. 9).
In dem Maasse, wie die Jungen die Brutsäckchen "verlassen, schrumpfen diese zusammen und
können schliesslich wieder wie vor ihrer Entfaltung als kleine, weisse, kreisförmige Scheiben durch die
äussere Haut hindurchschimmernd zu beiden Seiten der Ganglienkette wahrgenommen werden. Ob
dieselben Säckchen zu einer nochmaligen Brutperiode Verwendung finden, vermag ich nicht zu sag en ;
ich glaube aber, dass dies nicht der Fall ist. Denn ich habe bei Weibchen, welche ihre Brut abgesetzt
b a tten , niemals eine vorgeschrittene Neubildung von Eiern in den Ovarien beobachten können.
"Wo,J habe ich häufig die Bemerkung gemacht, dass solche Weihehen sieh zu einem Häutungsproeie
»,-vorbereiteten. Es hatte' s ie ! nämlich die Bauohchitihhaut weit vön der Hypodennis abgehoben
u n d im* Sich die innern ehitinösen Membranen der Säckchen, die . zu kleinen K n ö p feh e J zusammen-
-geschrumpft an ihr hingen, aus der Leibeshöhle herausgezogen; '
Es kann wohl vorausgesetzt Werden, dass die hiei gischildeite sehr eigenartige Brutpflege nicht
-auf .die beobachtete Species allem beschränkt ist, dass sie zum mindesten u n te r’ den Arten der Gattung
■Sphae.roma eine allgemeinere Verbreitung .besitzen dürfte.
In wie fern allerdings in den ändern- Gattungen -der. Sphaeromiden ähnliche Verhältnisse aus-
gebildet- sind ; ob namentlich'- die Aehtzahl der Bmtsäckchen überall gewahrt, ob die Anordnung derselben
im Körper überall dieselbe is t: das werden erst weitere und umfassendere Untersuchungen zeigen
können. Gewiss ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sieh hier im Einzelnen abweichende Ver-
hältnisse finden werden.
So viel aber scheint aus allen bisherigen Erfahrungen mit Sicherheit hervorzugehen, dass
•ausserhalb der Familie der Sphaeromiden bei den freilebenden Isopoden, einschliesslich der ektoparasitischen
Aegiden und Cymothoiden, analoge Erscheinungen nirgend Vorkommen.
. Diese Thatsaoh« legt uns die Frag e nahe, wie wir uns .«ine solche abweichende Brutpflege in
e in e r vereinzelten Gruppe entstanden zu denken haben. Knüpft dieselbe an die für die Ordnung als
normal erkannten Erscheinungen an und kann sie ans jenen hergeleitet werden; oder führt sie nns ein
ursprüngliches Verhalten vor Augen, welches in den ändern Gruppen nur abgeändert worden i s t S S
Auf diese Frage lässt sieh s e h o n f tt z t mit einiger S i * e r h | | antworten, dass die eigenartige
Bru tp fleg e, d«r Sphaeromiden. als eme:.secundäre Erscheinung zu betrachten, dass sie zweifellos aus dem
normalen Typus der Brutpflege, welchen wir bei. den übrigen Isopoden so allgemein ausgeprägt finden,
•erst hervorgegangen ist. Dafür spricht ganz unzweideutig däs. Vorhandensein der Brutlamellen. Dieselben
erscheinen u n s j f e |i morphologisch,, sowie funktionell als rückgebildete, » g a n e , deren Bestimmung allein
-dann besteht, die abgelegten Eier solange festzuhalten, bisssie in die Brutsäekehen aufgenommen worden
« n d . Denn in der häufig nur au f Augenblicke beschränkten EmMn g ; der ausgeschlüpften Larven wird
man kaum effe Wesentliche Funktion,, dieser Organe erblicken können, ln wie' fern weiterhin der eigentüm
lic h e Bjldungsmodus der Brutlamellen .für die hier vertretene Anschauung geltend gemacht werden
kann, ist bereits im Vorhergehenden gezeigt worden.
W i i w e r d e n a l s o d i e B r u t p f l e g e d e r Sphaeroma rugicauda a l s e i n e , w e n n a u c h
w e i t g e h e n d e M o d i f i k a t i o n d e s f ü r d i e I s o p o d e n a l lg e m e in , c h a r a k t e r i s t i s c h e n V e r h
a l t e n s a u f z u f a g s e n h a b e n , u n d es w i r d v o n In te .r& s s ü |s e in , zu . e r f a h r e n , ob s i c h in
i r g e n d e i n e r G r u p p e d e r S p h a e r o m i d e n d i - e ^ u r s p r ü n g l i o h e F o rm d e r B r u t p f l e g e
n o c h h e u t e e r h a l t e n h a t . .
D i e B r u t p f l e g e im B r u t r a u m .
Es ist im vorhergehenden Abschnitt gezeigt w o rd e f d a s s !® d e r Familie der Sphaeromiden die,
Eier während ihrer ganzen Entwicklung in einer sehr innigen Berührung mit dem mütterlibhen Organismus
verbleiben Eine Folge dieser innigen Verbindung ist, dass die embryonale Entwickelung von einem
nicht unbedeutenden Wachsthum begleitet wird, welches nicht allein an f das Dottermaterial des reifen