Jemand, dem die Schätze des British Museum zur Verfügung stehen, einmal mit Erfolg dieser Arbeit unterziehen
können, da der vortreffliche B a t es in seinen gewaltigen Sammlungen alle Insectenordnungen in
gleicher Weise berücksichtigte. Auch wird in den nächsten Jahren die Fortsetzung der ausgezeichneten
„Biologia centrali-americana“ manches dieser Anpassungsverhältnisse begründen.
Durch ihren schweren, plumpen Körper und die schmalen Flügel, die langen, kräftig bedornten
Beine und die kurzen Fühler waren die Zygaeniden besonders befähigt, sich unter verhältnissmässig geringen
Modifikationen des Bau e s*) stechenden Hymenopteren anzupassen. Wie unsere europäischen Arten
sind auch die neotropischen ursprünglich sehr bunte Formen, deren meist stahlblaue Vorderflügel gelbe,
rothe oder weisse Tüpfel führen, ^deren Hinterflügel roth oder gelb, deren Leib schwarzblau und roth oder
gelb geringelt ist. Eiese auffallende Färbung macht es wahrscheinlich, dass auch die Zygaeniden als eine
nicht allzusehr begehrte Nahrung in gewissem Grade vor den Nachstellungen insectenfressender Vögel
gesichert sind.2) Auch die wenigen an unseren europäischen Zygaenen gemachten Erfahrungen sprechen
für diese Annahme.
In Südamerika treten zuerst zahlreiche Arten mit glasigen Flügeln und breit gelb- oder rothbindigem
Hinterleibe auf (.Haematerion H.-Sch., Cosmosoma Hb.), welche schon eine geringe Aehnlichkeit
mit Hymenopteren besitzen und fast allgemein noch recht häufig sind.
Zunächst nun bildete sich eine wespenartige Zeichnung und Färbung des Hinterleibes aus
(Isanthrene Hb.). So besitzt zunächst I. incendiaria Hb. (Rio) gelbe Fleckreihen auf dem Abdominalrücken,
so sind bei I . crabroniformis Stdgr. Beine und Fühler auffällig roth, die Flügel gelblich glasig, der Leib
mit grossen gelben Tüpfeln besetzt, endlich sind bei I. Melos Cr. die Fühler ebenfalls roth und der
Rücken des Hinterleibes vom zweiten bis vierten Segment mit queren gelben Binden versehen wie bei
gewissen Vespiden.
Bei anderen Formen liegt die Hauptanpassung wieder in der Flügelfarbe; so haben Amycles
anthracina H.-Sch. (Para) und Pterygopterus superbus Godm. et Salv. schwärzliche Vorderflügel mit weisser
Spitze und erinnern dadurch an gewisse dunkelflüglige Chartergus-Avten (Gh. ater Lep.).
Bei anderen Arten entwickelte sich allmälig die Hymenopteren-Form des Hinterleibes. Zuerst
wird die charakteristische Verengerung der Hinterleibsbasis, die „Wespentaille“, oft dadurch v o r g
e t ä u s c h t , dass die schwarze Grundfarbe durch leuchtend weisse Flanken verdeckt wird und dass durch
diese „Uebermalung“ der Leib verengt erscheint. Bei Pseudosphex semihyalina (Walck.) mit blauschillernden
Flügeln erinnert auch der Leib an den Habitus von Sphegiden.
In der eigenthümlichen Gattung Macrocneme treten uns den Melittien analoge Formen entgegen,
welche auffallend lange Hinterbeine besitzen, die am Hinterende der Tibia und am Tarsaltheil lang abstehende
dichte, federartig angeordnete Borsten tragen und selbst meist auffällige Flügel von blauer, stahlgrüner
oder brauner Farbe besitzen. Bei M. evelina Godm. et Salv. sind die dunklen Vorderflügel an der
Spitze aufgehellt: so erinnert sie an Polybia atra Sauss.
*) Wir müssen hier von Umwandelung der Localfarbung za mimetischer Anpassung absehen, wie wir sie in Frocris
centralis Walck. und Pyromorpha dimidiata H.-Sch. für die lycoide Anpassung annehmen dürfen.
a) So erwähnt Dr. Hahnei (1. c. p. 161) eine „Neuroptere“ (wohl eine Libelle!), die eine Glaucopide gefangen hatte
und mit ihr auf ein Aestchen flog, um sie in Ruhe zu verspeisen; kaum aber hatte sie ihre Mundtheile näher an das Thier gebracht,
als sie, ihren Irrthum erkennend, auch sogleich dasselbe wieder losliess, das nun ohne Weiteres, wenn auch flügellahm,
seinen Flug fortsetzte.
Bei der sehr seltenen Mastigocera Oedipus Boisd. sind die Hinterschienen breit behaart, die Flügel
dunkelbraun und der Leib gelb mit schwarzen Ringeln.
Auch die seltsame Horama Prelus Cr. mit gelben, am Schienenende schwarz beborsteten Beinen,
lohbraunen Flügeln, gelbem Hals- und zweiten Abdominalringe (St. Thomas) dürfte Polybien gleichen.
Bei den sehr seltenen Arten von Trichura Hb. tritt zu dieser Verdeckung der Hinterleibsbasis
noch oft (T. caudata H.-Sch., T. coarctata Dru.) ein langer Schwanz, der abstehend behaart ist und nach
S e i t z den Eindruck eines Legestachels macht.
Endlich bildet sich wirklich eine Wespentaille aus, indem der Hinterleib sich hinter der Basis
stielartig verdünnt. Bei diesen Formen ist der Schmetterlingshabitus vollkommen verwischt und kann nur
eine genauere Untersuchung die Ordnungszugehörigkeit erweisen.
Hierher gehört die Gattung Sphecosoma Butl., deren Arten solchen von Polybien sehr ähnlich
sind, „so das Sph. testaceum Godm. et Salv. der Polyb. brasiliensis Sauss.1), das Sph. fasciolatum mit gelben
Hinterleibsringen wie Pseudosphex polistes Hb. (s. u.) der Polyb. fasciatä 01. Auch Argyroeides Menephron
Godm. et Salv. (Panama) gleicht letzterwähnter Art.
Dasselbe gilt für Myrmecopsis Hü b n .; so ist Myrm. crabronis Godm. et Salv. der Polybia angulata F. Vpfg;
täuschend ähnlich. Ebenso gleicht nach gütiger Mittheilung des Herrn Ko h l Myrm. vespa H.-Sch. mit
stahlblauen Flügeln (Para) der Synoeca cyanea F. (Brasilien)2) derart, „dass sich genannter Schmetterling
unter dem von N a t t e r er gesammelten und zusammengesteckten Synoeca-Matenal vorfand und sich der
Sammler H e t s c h k o in derselben Weise täuschen liess.“ Eine noch unbestimmte Myrmecopsis-Axt aus
Bogota (Mus. Wien) ähnelt der Polistes aurichalcea 01.
Amycles albomarginatus Godm. et Salv. mit an der Spitze weissen, sonst schwarzbraunen Flügeln
gleicht wie Macrocneme evelina Godm. et Salv. (Panama) der Polybia atra Sauss.
7. Mimetische Anpassungen von Seiten der Dipteren.
Obwohl ich die Sammlung des königl. Museums in Berlin durcharbeitete, wage ich doch nur
wenige der notirten Fälle mimetischer Anpassung unter den Fliegen mitzutheilen, auf welche andere
Autoren noch nicht hinwiesen, da es nur selten möglich war, das specifische Modell festzustellen. Ich bin
überzeugt, dass erfahrene Entomologen diese Lücke bald ausfüllen werden.
Vereinzelten Anpassungen i n n e r h a l b d e r Or d n u n g dienen als Modelle vor Allem die räuberischen
Asiliden, starke kosmopolitische, besonders in den Tropen der neuen Welt kräftig entwickelte
Formen. So erinnert nach F r. B r a u e r 8) die Xylophagide Heterostomus curvipcdpis (Chile) an mehrere
gleichgefärbte Scylaticus-Arten (Sc. tricolor P h il., Sc. fulvicornis Phil., Sc. Philippii Schin.); so erinnert
Arctophila flagrans O.-S. (Syrphid.) an die Asilide Laphria lasipus Wied. (Nordamerika.)
Viel häufiger dagegen sind Anpassungen an stechende Hymenopteren. So erinnern Asiliden selbst
wie dieMydaide Mydas rupiapex Wied. (Mexico) und ein Asilus nach F r . B r a u e r an die grossen Pepsis-
Arten, welche dieselbe Färbung des Körpers besitzen.
Andere Raubfliegen (JDolichogaster brevicomis) erinnern an Scolien.
. i) Die Angaben dieser Hymenopteren-Namen verdanke ich Herrn Fr. Kohl in Wien.
2) Auf diese Analogie von Myrm. (Pseudosphex) vespa H.-Sch. und die von Sphecosoma (Pseudosphex) polistes Hb.
machte zuerst Gerstäcker (Stett. ent, Zeitung, 1863, p. 431) aufmerksam.
*) Fr. Brauer, Systematisch-zoologische Studien. 3. Betrachtungen üb,er täuschende und wahre systematische Aehn-
lichkeiten etc. (Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. in Wien, 1885, I, Bd. XCI. p. 385 392; mit Tafel.)