Es ist eine allen Copepoden-Yorsehern bekannte Thatsache, dass die Individuen einer bestimmten
A rt, welche die pelagische Region der grossen Binnenseen bewohnen, sich von den derselben A rt ange'
hörigen Tieren der kleineren Gewässer nicht unwesentlich unterscheiden. Die Hochseetiere sind in der
Regel farblos und in hohem Grade durchsichtig, gewöhnlich kleiner als die Bewohner der Teiche and Tümpel,
und die Eiballen derselben bestehen meist aus einer geringeren Zahl von Eiern, als es bei jenen d e r Fall
ist. Die Farblosigkeit ist. entschieden als ein Schutzmittel gegen Feinde zu deuten. Die geringere Grösse
und F ru ch tb a rk eit ist durch den Umstand bedingt, dass ihnen in dem reinen durchsichtigen Wasser bei
weitem nicht dieselben Nahrungsmengen zu Gebote stehen, wie den Tieren kleinerer Wasserbecken.
(Bezüglich des letzten Punktes vergl. die Ausführungen b ei Cycl. oithonoides.)
Auch für Cycl. strenuus treffen diese Verhältnisse zu. Freilich sind die Ang ab en , welche
sich in der L itte ratu r darüber finden, rech t spärliche. R i c h a r d berichtet, dass er in den Seen Pavin,
Chambon, Guery und Bourdouze1) ,,une variété de cette espèce adaptée à la vie pélagique1*, gefunden
habe, und bezüglich, des Cycl. strenuus, welcher den See Balaton2) bewohnt, sagt e r: „C’est une variété
plus élancée, plus petite, dont les soies furcales médianes sont plus longues et qui se rapproche, comme
la variété des lacs de l’Auvergne, des C. abyssorum (!) et C. scutifer Sars. Cette forme n’est pas identique
à celle de l’Auvergne**. Bezüglich der Varietät der Seen d e r Auvergne sagt dieser Forscher an
einem anderen O rte8) : „Elle est plus élancée et plus grêle que le .ty p e ; les expansions latérales des
deux segments thoraciques, bien plus développées que chez C. strénuus, la rapprochent de C. scutifer.
Elle ressemble au contraire davantage à C. abyssorum par les sois de la furca et l’allure générale du
corps.** F e rn e r8) beobachtete R i c h a r d in den grossen Teicben von. Brenne eine F o rm , welche sich
gleichfalls vom typischen Cycl. strenuus etwas entfernt. Diese Varietäten mit besonderen Namen zu
belegen, hält R i c h a r d nicht allein für überflüssig, sondern für verwirrend, wie ich dies weiter oben
ebenfalls bereits ausgesprochen habe.
V o s s e i e r 4) fand in einer Tiefe von etwa 20 m im Bodensee eine Form, welche von dem
typischen C. strenuus ebenfalls nicht unwesentlich abwich.
Auch d e r C y c l. s c u t i f e r S a r s , den der Autor selbst als „Cycl. strenuo ajfinis11 bezeichnet, ist
nach meiner Meinung a l s n i c h t s a n d e r e s a l s e i n a n d a s p e l a g i s c h e L e b e n a n g e p a s s t e r
C y c l. s tr e n u u s z u b e t r a c h t e n . Wie S a r s selbst mitteilt, ist diese A rt eine echte Seeform, die er immer
nu r in grösseren Gewässern, nie in kleinen Tümpeln fand.
Die wichtigsten Unterschiede zwischen Cycl. scutifer und Cycl. strenuus sind nach d e r S a r s ’sehen
Diagnose und den beigefügten Bemerkungen folgende:
1) „Céphalothorax sat elongatus** (cf. die soeben angeführten Mitteilungen R i c h a r d s ) ,: .,.'
2) Die beiden letzten Thoraxsegmente sind bedeutend entwickelt. — Nach den mir vorliegenden
Exemplaren, welche ich der Güte des Herrn Prof. S 'a r s verdanke, ist die
Entwickelung dieser Segmente nicht mächtiger als bei der typischen Form. (cf. Taf. II,
Fig. 12.)
l) R ic h a r d , Cladoc et Copép. non marin de la fauné franç. p. 5.
) R ic h a rd , Sur les entomostr. du lac Balaton, p. 136.
) R ic h a r d , Recherches sur les Copep.
H V o s s e le r , 1. c. p. 195.
3) „Die Abdominalzweige scheinen verhältnismässig dicker zu sein, und die innere der zwei
mittleren SehwanzberSten, welche bei Cycl. tirmtmtsiietn derselben Länge oder unbedeutend
länger als die äussere ist, ist hier f 1/2 mal s0; lang.“ Diè Grösse der Furkalzweige und
f ' ; flie relative Länge p|§r Apikalborsten unterliegt, wie -bei fastv allen, A rte n , so auch bei der
vorliegenden, mannigfachen Schwankungen. (Man vergleiche hierzu die Zeichnungen V o s s e -
l e r s , Fig. 1, 6 , 7 und 10 auf Taf. V). — Dass*bei den zartefi,; pelagisch lebenden Tieren
die dorsalen Ohitinleisten der F :nrkalzweigifc';,auch n u r wenig entwickelt sind oder g a r verschwinden
müssen, is t^ lb s tv e rs tä n d lic h .
4) Die Differenzen hinsichtlich der Form der Eiballen und der Anzahl der dieselben bildenden
Eier finden ihre Erklärung durch die Lebensweise, des Cycl. scvtifcr: als eines pelagischen
Tieres (vergl. die Ausführungen über diese Verhältnisse bei ßgef. oithonoides).
5) Dasselbe gilt für die folgende Angabe : „Das T ie r ist meist ganz farblos und im hohen
Grade durchsichtig.**
. 6) Die nach meiner Meinung wichtigste Differenz betrifft die Spermatophoreib S a r s giebt an,
' dass dieselben bei dieser A rt grösser seien, als er sie bei irgend einer anderen gefunden
habe, und dass .sie, angeklebt an das erste weibliche Abdominalsegment, weit über die
Aussenränder desselben hervorragen. Diese Mitteilung kann ich, gestützt au f eigene Untersuchung
bestätigen, muss aber bemerken, dass sie auch bei Cycl. insiynis an der weiblichen
Genitalöffnung klebend weit über die Seitenränder des Segments hervorragen, (vergl. Taf. II
F ig . 1 8 .) Hierzu kommt nun noch — was S a r s nicht erwähnt — , dass sie bei Cycl.
scutifer s c h r ä g n a c h a u ss e n g e r i eh t e t s i n d , während sie beim typischen Cycl. strenuus
so an dem Porus des Receptaculum befestigt werden, dass ihre Längsachsen mit der Haupt-
körperachse des Tieres parallel laufen.
Also : ein wirklich w i c h t i g e r Unterschied zwischen den beiden Formen besteht nu r hinsichtlich des
letzten P u n k te s : d a s s d e r s e l b e a b e r h i n r e i c h e n s o l l t e , Cycl. scutifer zu e i n e r b e s o n d e r e n
A r t z u e r h e b e n , k a n n i c h n i c h t z u g e s t e h e n .
Hierzu kommt noch, d a s s a u c h d a s R e c e p t a c u l u m s em i n i s u n d d a s r u d im e n t ä r e
F ü s s e h e n v o n Cycl. scutifer g e n a u so g e b a u t s i n d , w ie b e i Cycl. strenuus, uin d d a s s d ie d i* e i
l e t z t e n S e g m e n t e d e r V o r d e r a n t e n n e n m i t d e n s e l b e n R e i h e n f e i n s t e r D o r n e n a u s g
e r ü s t e t s in d , w ie s o l c h e s i c h b e i Cycl. strenuus v o r f i n d e n . '. D i e U e b e r e in S tim m u n g i s t
a l s o e i n e v o l l k o m m e n e b i s a u f d ie G r ö s s e u n d H a l t u n g d e r S p e rm à to p h o r e n .
Auch R i c h a r d ist, wie schon aus obigen Citaten hervorgeht, dei Ansicht, dass der Cycl.
scutifer keine besondere Art, sondern nur ein an das pelagische Leben angepasster Cycl strenuus sei.
Ebenfalls n u r eine pelagische Form des Cycl. strenuus ist der C yc l. b o d a m i c u s V o s s e l e r ,
welcher im Untersee bei Radolfszell gefunden wurde. Aus der Charakteristik dieser A rt und den guten
Abbildungen, welche V o s s e l e r giebt, geht ' schon mit Sicherheit hervor, dass man es hie r mit einem dem
Cycl. strenuus sehr nahe stehenden Tiere zu thun hat. Folgendes zum Beweise:
1. Die e r s t e n A n t e n n e n sind genau so gebaut, wie bei dieser Art. — Die Länge derselben
(. . . „bis zum 4. Segmente“) ist nach dem von mir untersuchten Individuum etwas zu gross
angegeben.