gelben fünf- bis sechsmal so viele vom Männchen durchaus abweichende dunkle Weibchenformen auf, und
schon in Süd-Illinois scheinen die gelben Formen ausgestorben zu sein. So findet man im Süden des
Gebietes nur die dunklere Varietät (v. Glaucus L.), welche die ursprünglichere männchenfärbige Weibchenform
vollkommen verdrängt hat.
Vielleicht gilt dasselbe für den südlicher auftretenden P. Polycaon Cr.
Auch bei einem Segelfalter, P. (Gosm) Xanticles Bates (Guatemala etc.) kommt ausser der ursprünglichen
Weibchenform im Süden des Verbreitungsgebietes, in Panama, eine verdunkelte abweichende
Varietät desselben Geschlechts, var. Philenora, vor.
Forschen wir nun nach den Ursachen, welche diese Abweichungen des Weibchens von der Tracht der
Art veranlassten, so dürfen wir wenigstens für Pap. Merope L. und P. Turnus L. nach den Auseinandersetzungen
des I. Theiles dieser Arbeit mit Sicherheit annehmen, dass die heute noch erhaltenen Spuren der En tstehung
beider Arten nach dem Punkte ihres Verbreitungsgebietes hinweisen, in dem sie heute nochmonomorph
sind. Wie P. Turnus in Nordamerika, ist auch die madagassische Inselform von P. Merope,
subsp. Meriones Feld., sehr häufig, nach M a b i l l e 1) sogar „gemein.“ 2) Aehnliches gilt, soviel meine E rfahrungen
ein Urtheil erlauben, für die Singapurform der Elymnias undularis Dru., die ich zahlreich längs
der Waldwege dahinfliegen sah. Dasselbe gilt vielleicht für einige der übrigen polymorphen Arten von
Papilio, so für P. Paimnon L. an den Orten, an welchen nur männchenfärbige Weibchen Vorkommen.
Leider fehlen für die meisten Arten genauere Notizen über diesen wichtigen Punkt.
Mit der Verbreitung des P. Merope und des P. Turnus nach Süden scheinen sich nun die günstigen
Existenzverhältnisse, welche im ursprünglichen Gebiete die monomorphe Art in hoher Individuenzahl
erhielten, zu ändern. Wahrscheinlich trug hierzu besonders eine zunehmende Spärlichkeit der sonst als
Baupennahrung dienenden Futterpflanze b ei, welche die Unterbringung aller Eier seitens des legereifen
Weibchens erschwerte und nicht die Ernährung aller Jugendstadien gestattete. Dadurch konnte ein Zustand
des N a h r u n g sm a n g e l s eintreten, dessen Resultat nach D ü s i n g im Allgemeinen das Vorwiegen
des männlichen Geschlechts ist. Letzteres ist aber u n t r e n n b a r v e r b u n d e n mi t d e r r e l a t i v e n A b n
a hme de s w e i b l i c h e n : so erklärt sich die grössere Seltenheit des weiblichen Geschlechts, wie wir
es z. B. bei den Tagfaltern mit wenigen Ausnahmen so häufig ausgesprochen finden.8)
Zu solchen ungünstigen Ernährungsverhältnissen kam wahrscheinlich noch ein n e u e r o e k o l o -
g i s c h e r F a c t o r hinzu: die sich mehrenden Angriffe hartnäckiger, zum Theil erst neu auftretender
Feinde der Art.
Im Allgemeinen nimmt die Erbitterung des Kampfes um die Existenz schon mit dem Herantreten
an die Wendekreise zu und findet ihren Höhepunct in Thier- und Pflanzenwelt in den Tropen , bedingt
hauptsächlich durch die vielseitigere und raffinirtere Entfaltung, wenn oft auch kürzere Dauer der Lebens-
thätigkeit. So nimmt denn auch vor Allem die Zahl der insectenfressenden Vögel, Eidechsen, Raub-
insecten und wahrscheinlich auch diejenige der Schlupfwespen und Raupenfliegen zu.
*) P. Mabille, Hist, des Lépidoptères de Madagascar 1886, p. 8.
2) Merkwürdigerweise habe ich kein der Insel eigenthümliches Beispiel von Mimicry aus der madagassischen Fauna
auffinden können, was ich für einen Beweis für die Entstehung der Mimicry durch sociologische, nicht physikalisch-chemische
Lokaleinflüsse halte.
3) Allerdings geben Zimmerzuchten oft ein von den im Freien herrschenden Verhältnissen abweichendes Resultat.
Wahrscheinlich war cs a u c h d e r f l i e g e n d e F a l t e r , der unter den Angriffen z. B. der Vögel
litt. Ich führe dafür von den erwähnten Arten nach den wenigen vorliegenden Literaturangaben nochmals
an, dass P. Turnus nach E dw a r d s von einem Kuckuck genommen, P. Merope von einer Tchitrea verfolgt
und dass nach A. A r n o l d P. Pammon von Vögeln gefressen wurde. Dass diese Angriffe der Artfeinde
sich besonders auf das Wreibchen richten werden, ist daraus erklärlich, dass dieses, besonders wenn
es nach der Befruchtung mit prall von Eiern erfülltem schweren Hinterleibe die einzelnen für die Raupe
geeigneten Futterpflanzen zur Eiablage aufsucht, ebenso durch seinen schwerfälligeren Flug wie als anscheinend
fetterer Bissen die Aufmerksamkeit der Vögel erregen muss, deren Angriffen es schwerer als
das stets schnellere Männchen entgeht.
So sind nach A. R. Wa l l a c e (Darwinism p. 248) in den Prärien, wo das dunkle Turnus-
Weibchen fliegt, die insectivoren Vögel besonders zahlreich.
Daher wird es erklärlich, dass eine neu eingewanderte Art, ehe sie sich den herrschenden Lokaleinflüssen
angepasst, durch diese Angriffe und ungünstigen Ernährungsbedingungen in ihrer Individuenzahl
so leiden konnte, dass sie dem Aussterben nahe war. Die zunehmende Seltenheit liess es endlich nicht
mehr vermeiden, dass Kreuzungen zwischen blutsverwandten Individuen eintreten mussten, durch welche
die Zahl der Keime und wahrscheinlich auch der weiblichen Geburten nicht nur vermindert, sondern auch
besonders das weibliche Geschlecht in seiner Lebenskräftigkeit krankhaft gestört wurde. In dieser Zwanglage
nun begann bei den Arten, welche einer Varietätenbildung überhaupt fähig waren, eine reiche
Bildung von Spielarten des Weibchens, die theilweise zuerst auf secundärer Verdunkelung der F lü g e l1)
beruhten (centralamerikanische Rinnenfalter), welche das Thier unauffälliger machte.
Zu den besonderen Eigentümlichkeiten des neuen tropischen Aufenthaltsortes tritt nun n o c h
e i n o e k o l o g i s c h e r F a c t o r hinzu, welcher die Erhaltung bestimmt gerichteter Variationen im Verhältnisse
zu den übrigen begünstigte: d a s V o r h a n d e n s e i n c h a r a c t e r i s t i s c h g e f ä r b t e r , in
g r o s s e n Me n g e n a u f t r e t e n d e r e i n h e im i s c h e r t a g f l i e g e n d e r S c hm e t t e r l i n g e , w e l c h e
v o n d e n e i n h e im i s c h e n Vö g e l n b e r e i t s i h r em A e u s s e r e n n a c h a l s wi d r i g s c hm e c k e n d
e r k a n n t u n d v o n i h n e n g emi e d e n wa r e n . So musste eine Varietät vor den übrigen Formen der
immer noch sehr seltenen Art gegen die Angriffe der Falterfeinde relativ mehr gesichert sein, je mehr sie
den immunen Arten glich.
Eine Untersuchung über clie ä u s s e r l i c h e n Vorgänge, welche die Umwandlung der noch nicht
mimetischeh in die mimetische Weibchenform bewirkten, wird sich natürlich auf diejenigen Formen am
besten stützen, welche n o c h m ä n n c h e n f ä r b i g e Weibchen besitzen.
Um wieder der im descriptiven Theil inne gehaltenen systematischen Anordnung zu folgen, so
treffen wir unter den Nymphalinen bei Argynnis Argyrius Sparrm. in der am weitesten verbreiteten Form
des selteneren Weibchens Niphe L. eine unvollkommene Anpassung an den gemeinen mit ihr zusammen
vorkommenden Dan. Chrysippus L. Bei var. Niphe nun treten anscheinend hauptsächlich Rückschlags-
erschemungen auf eine schwärzliche mit weisser Subapicalbinde gezierte Vorform auf, wie sie uns in
') Wir haben in dieser Schwärzung w o h l eine Reaction des krankhaft empfindlichen Organismus auf die specifischen
physikalisch-chemischen Einflüsse des lieisseren Klimas zu vermuthen.