Die Factoren nun, welche den sog. Habitus, d. h. Form, Zeichnung und Färbung, modifiziren und
aus Varietäten Birnen und endlich is jä rte Arten bilden, die schliesslieh wieder zu Vertretern von Untergattungen
etc. sich umbilden können, dürften neben schwerer nachweisbaren Aeusserungen „innerer Bildungsfortschritte“
in erster Reihe auf äussere Einflüsse der besonderen pbysikalisih-chemischen und oekologischen
Existenzbedingungen zurückzuführen sein, welche auf die bestimmte Konstitution nach verschiedenen Ricta
tungen hin einwirken.
Scheiden wir -vorerst die zahlreich im Thierreich verbreiteten A n a l o g i e e n d e s K ö r p e r b a u e s
aus, welche sich als b e d e u t u n g s v o l l e u n d n o t hw e n d i g e A n p a s s u n g a n d i e s e l b e b e s t immt e
L e b e n sw e i s e zu'erkennen geben (Fischform der Wale* Grabfüsse von Sotoryctes» Talpa, Giyflotälpa;
Flughäute von Petaurus, Galeopithecus, Pteromys, Urnco), so dürfen wir die offenbar im Allgemeinen für
die Lebenserhaltung mehr irrelevanten A e h n l i c h k e i t e n im H a b i t u s , wie sie sich z: B. zwischen den
Vertretern verschiedener Gattungen, Familien oder Ordnungen zeigen, als z u f ä l l i g e A e h n g f is h k e it,.
(accidental resemblance) bezeichnen, sobald beide Formen eine durchaus verschiedene Lebensweise führen
oder v,on einander weit entfernten Wohnbezirken angehören. So ähnelt von den zu letzterwähnter Kategorie
gehörigen Formen nach W. B u l l e r 1) ein neuseeländischer Kukuk einem nordamerikanischen
Habicht. Solche Aehnlichkeiten sind auch unter den Insecten trotz der Fülle der F o rm jfjn u r vereinzelt,
und zwar besonders bei ßfüeopteren,?) naohgewieäen worden. Natürlich kommen dieselben desto leichter
vor, je näher die beiden in Frage stehenden Arten mit einander verwandt sind. So erinnert unter den
Tagfaltern die einzige Vertreterin der indischen Krycinädon - Gaininii Stikogw, St. Xgmpli'dia Btlr., an
mehrere Arten der rein neotropisohen Gattung Nymphiäium F. j f l m AUgpipeinen wirkt jedoch der längere
Einfluss der äusseren physikalisch-chemischen und oekologischen Eigenarten des bestimmten Wohnortes
den überhaupt einer empfindlichen Reaction fähigen Formen auf die durch „cohstitutionelle Ursachen“ mehr
oder minder bestimmten Entwickelüngsanlagen §1 eigenartig ein, dass der Kenner nach dem HaSiius auch,
einer ihm bis dahin nicht vorgekommenen Art oft ihre Heimath anzugeben w<tes. So erwähnt Q. M e in e
N H 192—103) als besonders auffällig die aus Roth und Blau bestehenden „Cuhafarben“ verschiedener
Cerambyciden (Trichaus, ÖgUidimi, Elmria, Exochomus) und dhrjsCbiüeliden nnd
die habituelle Gleichartigkeit der aus Chile stammenden Ooleopteren, die sich besonders in der „überwiegenden
Neigung zu prismatischer Farbentheilüng“ ausspricht und bei Angehörigen ganz verschiedener
Familien (Carabiciden und Cerambyciden) vorkommt.
Gesellt Bich zu der Gemeinsamkeit des Aufenthaltsortes mit einander nicht näher verwandter Formen
noch eine Gleichartigkeit der Anpassung an dieselbe bestimmte Lebensweise, Bö entsteht, besonders zwischen
den Bewohnern eigenartiger oder isolirter Lokalitäten, oft jene bei den Insekten besonders entwickelte
relative Aehnlichkeit des Habitus, welche wir als Erscheinung der C o n v c r g e n z bezeichnen.
i) Oitirt bei Fr. E.-Bedtlard, some recent oliservations npon Mimiely (Nat. Science I, -1892, p. 13).
=) Vgl. darüber J. 0. Westwood, Blnstr. of Eelationships ete-(Trans. Um. Soo. 1837, ji. 409) and A. Gcrstäcker
1. c. (Stett. entomol. Zeitung XXV, 1863). I ' BW
>) Die weiteren, soviel mir-bekannt, in der lepidopterologiselen Literatur angeführten Fülle zufälliger Aelmlichkcit
beschränken sieh anf A. Gerh ard 's Znsamwenstellnng (Bell. See. Ent. Ital. XV 1883, p. 158) zweier einander kaoin ähnlieher
Vertreter verschiedener Familien, des Satyrus Brahminus (Hjmalaya) und des Papilio Cymrta F. (Afrika) und auf die Angabe
Dr. Standinger's (Exot. Schmetterl. S. 92), dass die brasilianische Plu/ciodes Imcoicsma Feld, „oben ziemlich stark an die (ebenfalls
za den Nymphalinen gehörige) Neptis H B aas Madagascat erinnern nnd dadorch gewissermassen eine Widerlegung der
Mimiorv-Tlieorie hildo “ In der Tliat ist diese Aehnlichkeit anf der Oberseite aber nur ganz oberflächlich nnd findet sich auch
bei verwandten, anscheinend ebenfalls das ursprüngliche Eymphalinen-Kleid tragenden, amerikanischen »yaoÄes-Arten, wie bei
Ph. OfeUa He w. etc.
Beispielsweise zeigen nach 0 . T h i e m e 1. c. die Laufkäfer der Canaren „eine Neigung zur Rundung
und Verbreiterung; namentlich mögen sie das Halsschild häufig erweitern.“
Yon den übrigen Familien der Coleopteren treten uns auffällige Aehnlichkeiten zwischen Angehörigen
anderer oder derselben Unterfamilie hei verschiedenen Gattungsvertretern der Lamellicornier‘)
der Cerambyciden2) und der Curculioniden8) entgegen.
Auch bei den doch sehr variationsfähigen Lepidopteren sind solche Convergenzerscheinungen zwischen
denselben District bewohnenden Vertretern verschiedener Gattungen verhältnissmässig selten. Als besonders
charakteristisch erwähnen wir die Aehnlichkeit zwischen einzelnen neotropischen Nymphalinen aus den
Gattungen Catagramma, GallitJiea und Agrias.
Seltener sind solche bestimmt ausgebildete Aehnlichkeiten, welche wir nicht als Ausdruck mime-
tischer Anpassung anzusehen brauchen, sondern noch durch C o n v e r g e n z erklären können, z w i s c h e n
V e r t r e t e r n . . v e r s c h i e d e n e r F am i l i e n . So erinnert der seltene einheimische Spanner Ploseria
diversata (S. 21) an die häufigen Prephos-Äxten. Ein noch interessanteres Beispiel der Convergenz zwischen
Angehörigen zweier Familien liefert uns die abenteuerliche Laufkäfergattung Mormolyce Hagenb., welche nicht
nur allein im Vaterlande (Java), sondern auch nur am bestimmten Aufenthaltsort der viel kleineren pilzfressenden
Endomyohiden-Gattung Eumorplvus Web. entstehen konnte, den auch ihre wohl carnivore Larve theilt.
"V ielleicht gehört auch die von K. M. H e 11 e r hervorgehobene Aehnlichkeit zwischen der madagassischen
Cicindele Peridexia fulvipes Dej. und dem mit ihr zusammen vorkommenden Pompiliden Pogonms v&nustissimiis
Sauss. hierher, welche sich allerdings nur in der Färbung der Vorderflügel ausspricht, die bei beiden in
chromgelbem Grunde zwei schwarze Querbänder und hei der Mordwespe noch eine solche Spitze führen.
H e l l e r rechnet diese-Aehnlichkeit unter die Fälle der „aggressiven Mimiery,“ da er die Cicindele als
„den nachgeahmten Theil“ ansieht, dem die Mordwespe sich anpasste, um sich ihm desto leichter annähern
zu können. Gegen diese Ansicht spricht aber schon das in der Gattung Pogonius a l l g em e i n e 4) Vorkommen
zweier schwarzer Flügelbänder auf wasserhellem Grunde. Ausserdem gehört denn doch mehr dazu
als die ähnliche Färbung der den Körper durchaus nicht deckenartig umschliessenden Vorderflügel, um eine
Grabwespe als Cicindele erscheinen zu lassen.
Schliesslich könnte diese Anpassung nur dann von Nutzen sein, wenn die Mordwespe hauptsächlich
diese Cicindelen für ihre Brut einschleppte.0) Viel näher hätte die Deutung gelegen, dass die Cicindele
sich der stechenden Hymenoptere angepasst, um im Kleide der letzteren sicherer zu sein.6)
Von den Erscheinungen der Convergenz zu denen der echten Mimiery führen besonders solche
Formen über, welche Vertretern anderer offenbar in höherem Grade als sie selbst geschützter Familien,
mit denen sie zusammen auch die gleiche Lebensweise führen, in-beiden Geschlechtern zwar in gewissem
Grade ähnlich, aber doch noch nicht derart angepasst sind, dass sie einen Vertreter der anderen Familie
0 Nach 0. Thieme 1. ;c. p. 193 stimmen z. B. das copraphage PacJiysoma Aesculapkis 01. mit dem Dynastiden Syrich-
thus vents Burm. (Capland) in „merkwürdigster Weise in der ganzen Erscheinung überein.“
2) Hierher gehört auch die Aehnlichkeit zwischen Nemophas Grayi und Agnia faseiata, welche ihr Entdecker, A. R.
Wallace, als mimetiseke Anpassung seitens der selteneren Art ansah.
®) Mehrere Beispiele aus der neotropischen und madagassischen Fauna finden sich bei K. M. Heller, ein bemerkens-
werther Fall von Mimiery (Entomol. Nachr. XVIII, 1892, S. 183—185).
4) J. L eu n is, Synopsis d. Thierreichs. 3. Aufl., bearh. v. H. Ludwig, H, S. 634.
6) Nach der Nahrung unserer einheimischen .Pogonius-Larven zu scliliessen, die besonders aus einheimischen Spinneu
besteht, dürfte das wenig wahrscheinlich sein.
6) So besteht auch eine gewisse Aehnlichkeit zwischen indischen Collyrinen nnd Sphegiden, ist aber zu unbedeutend,
um als Anpassung an letztere angesehen werden zu dürfen.
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