Ich bin an dieser Stelle au f das Phänomen des Geisselwanderns so ausführlich eingegangen.,
weil es mir wichtig genug erscheint, um den Unterschied zwischen den .eigentlichen Flagellaten und den
Mastigamoeben, mit welchem Ausdruck alle geisseltragenden Amoeben. bezeichnet werden sollen, zu bekräftigen,
denn ich glaube nicht, dass sich dasselbe bei den ersteren irgendwo wiederfindet, während es
bei den letzteren zwar auch nicht überall mit gleicher Schärfe auftritt, selten aber ganz zu vermissen
ist. Nicht uninteressant ist ferner, wie sich das Plasma, die Hautschicht etc. bei jenem Wandern verhalten,
und wir werden weiter unten sehen, dass auch im Innern des Amoebenleibes tiefgreifende Verschiebungen
vor sich gehen.
Schwimmt die Mastigina ruhig vorwärts, so schwingt die Geissel, wie schon gesagt, ganz wie
die einer Flagellate, ohne aber ein Rotiren des Gesammtkörpers zu bewirken. Ih re Bewegung ist also
derjenigen einer Schiffsschraube vergleichbar, die das Schiff rückwärts bewegt und sich gewissermaassen
in das Wasser hineinschraubt, jenes mit sich ziehend. Oft sah ich daher auch die Geissel fast starr
nach vorne gestreckt und nur ihr vorderstes Ende eine kleine Schraube bilden (Taf. IV, Fig. o, 4). Zuweilen
schien es, um auch dies noch zu vermerken, als ob die Geissel plötzlich verschwand und eingezogen
wurde, um dann plötzlich an einer anderen Stelle wieder hervorzuschiessen. Genaueres Zusehen
überzeugte indessen jedesmal, dass dies eine Täuschung w a r, und dass sie nur sehr schnell von einem
F leck zu einem anderen eilte. Ebenso glaubte ich anfänglich hin und wieder m e h r e r e Geissein zu
sehen, kam jedoch auch bei dieser Form immer wieder zu dem Schluss, dass n u r eine einzige Geissel
vorhanden war, die nur so schnell ihren Ort wechselte, dass man sie dort noch zu sehen glaubte, wo
sie soeben schon verschwunden war.
Schliesst sich die Mastigina hinsichtlich der Geissel an die anderen Mastigamoeben enge an, so
nimmt sie hinsichtlich eines anderen Punktes eine ganz -^absonderliche Stelle ein, indem sie nämlich eine
recht merkwürdige H a u t s c h i c h t e besitzt, die sich, soweit mir bekannt, bei keinem anderen Rhizopoden
wiederfindet. Das Hauptmerkmal derselben ist die Q u e r s t r e i f u n g , die ihr das Ansehen einer ganz
regelmässig gestrichelten oder von Poren durchsetzten Substanz giebt. Ihre Dicke ist eine nicht unerhebliche
und gleicht etwa der von Amoeba liercules n. sp. (s. d.). Sie mag 1,5 bis 2 ,w betragen. Ih r Lichtbrechungsvermögen
ist jedoch ein sehr geringes, wodurch ein wichtiger Unterschied von letzterer Amoebe
bedingt wird, deren Hautschicht ziemlich stark glänzt. So kommt es, dass eine gewisse Aufmerksamkeit
und nicht zu helle Beleuchtung dazu gehören, um sie überhaupt zur Ansicht zu bringen, also ähnlich
wie bei Cochliopodium bilimbosum, wo ja der e ig en tüm lich e Schleier auch nicht immer k la r hervortritt.
Dabei ist die innere Begrenzung (Contur) der Hautschicht durchaus scharf markirt, da das Plasma
stärker lichtbrechend als die letztere ist, während die äussere Begrenzung besonders- undeutlich ist, was
vielleicht auch an einer ungleichmässigen S tru k tu r ihrer Substanz liegt, so etwa, dass die äusseren
Schichten lockerer oder wasserreicher sind und daher in ihrem Lichtbrechungsvermögen dem des Wassers
nahe kommen.
Die Hautschicht ist sowohl jüngeren wie älteren Individuen- eigen. Sie überzieht aber selten
den Körper ganz gleichmässig, sondern verdünnt sich am Schwanzende ganz beträchtlich oder fehlt
do rt auch ganz (Taf. IV, Fig. 4, 5, 6), namentlich wenn sich lappige Schwanzanhänge bilden, wie denn
ferner die strahlenartigen Pseudopodien n a ck t und frei von ihr sind.
Die Substanz der Hautschicht muss offenbar eine sehr weiche, etwa halbflüssige sein ; dafür
spricht nicht nur -ihr geringer Glanz, sondern auch die Leichtigkeit, mit der die Geissel sie beim
Wandern durchzieht. Ursprünglich glaubte ich zwar die Möglichkeit offen halten zu dürfen, dass sich
bei letzterem Processe die ganze Haut mit herumbewege, so wie es. bei dem den Kern umgebenden
Plasma d e r F a ll is t; dann ab e r müsste man auch von den Strahlen das Gleiche erwarten können, und
es müsste sich ferner die Lücke am Schwänze mit vorschieben, so dass sie wo anders hingeriethe und
der Schwanz nun von der Haut überzogen wäre. Dies ist indessen nicht so, denn man sieht bei
allen Wanderungen der Geissel das Schwanzende entblösst bleiben (Taf. IV, F ig . 6), Hinsichtlich der
feineren Stru k tu r der Hautschicht bliebe sodann noch zu erwägen, was die Querstreifung bedeute;
dass es wirkliche Porenkanälchen sind, liesse sich schwer beweisen,, denn man könnte auch an eine
ähnliche. Zusammensetzung wie an die des quergestreiften Muskels denken, wo zwei verschieden brechende
Schichten oder Streifen abwechseln. Unwahrscheinlich dagegen ist mir die Annahme? dass hier ein
Stäbchensaum vorliege, so etwa wie bei der von mir beschriebenen Gregarine Callyntrochlamys Plironi-
mae l), denn die äussere Begrenzung liess sich doch immer als eine zusammenhängende nicht punktartig
unterbrochene Linie erkennen, wie sie beim Vorhandensein von Stäbchen öder Härchen erscheinen
müsste. Dazu kommt, dass bei scharfer Einstellung die dunklen Striche nicht gleichmässig breit erscheinen,
sondern oben spitzer sind und unten so b reit, dass sie sich mit ih re r Basis gegenseitig fast
berühren (Taf. IV, Fig . 7). Umgekehrt sind die hellen Striche eingekeilt, eine Anordnung, die ihrerseits
auch zur Erklärung des verschiedenen Lichtbrechungsvermögens der Hautschicht mit herangezogen
werden kann, da, wie wir soeben sahen, die inneren Schichten mehr von d e r dunkleren, starkbrechenden
Substanz besitzen, als die äusseren.
Zur Kategorie der P s e u d o p o d i e n müssen wir zweierlei Anhangsgebilde, des Körpers der
Mastigina chlamys rechnen, obgleich derselbe? wie schon oben gesagt, eigentlicher Pseudopodien entbehrt.
D a wir aber ganz allgemein die Schwanzanhänge der Amoeben zu dem Begriff d e r letzteren hinzuziehen,
wenn auch als uneigentliche, so haben wir an dieser Stelle der gleichen Gebilde unseres Organismus zu
gedenken. Sie treten nicht in Maulbeer-, dagegeü in- Lappenform auf, im einfachsten Falle als eine
stark e Verjüngung des Hinterendes (Taf. IV Fig. 4), oder komplicirter als eine handförmige Glieder
ran g , gebildet aus kurzen, oben abgerundeten fingerförmigen Ausstülpungen. Oft ist abe r nichts von
allem dem zu sehen und das Schwanzende einfach abgerundet.
. Die andere A rt der Pseudopodien ist derart beschaffen, dass, wenn man ihre Gestaltung dör
systematischen Beurteilung der Mastigina chlamys zu Grunde legen wollte, diese eher zu den Helioamoeben
gestellt werden müsste, au f die übrigens auch schon die später zu besprechende Mastigamoeba Schulzei
hinweist. Die ersten der von mir gesehenen Exemplare waren frei von den in Rede stehenden Pseudopodien,
spätere, trugen gewissermaassen als Fortsetzungen der Streifung der Hautschicht hie und da kurze,
mässig dicke, senkrecht abstehende Stäbchen, die zunächst für Bacillen gehalten wurden, da sie völlig
zylindrisch waren (Taf. VII, Fig. 5). Ihre Länge war nur etwa das Dreifache der Dicke der Hautschicht.
• Anders musste aber die Deutung werden, als bei anderen Individuen erheblich längere Stäbchen
auftraten, die, wenn sie sehr lang wurden, sich nach dem Ende hin zuspitzten und das Aussehen der
Heliozoenstrahlen annahmen (Taf. IV, Fig. 4). Ih re Länge konnte* dann mehr als der Querdurchmesser
*•) (No. 12) J o b . F ren z e l. Geber einige in Seethieren leb. Gregaa-inen. Arch. f. mikr. Anat. Bdl. p. 24, 548 fg.