nicht in einzelne Muskelringe aufgelöst und nicht so mächtig entwickelt ist als die des Herzens. Auch
der Pumpapparat mit seinen beiden Blindsäcken zeigt eine ausgebildete Ringmusculatur, die ungefähr
zwei bis drei Mal so dick als die der Kopfaorta ist und eine deutliche Querstreifung aufweist. Die
Wandungen des vorderen Endstückes der Aorta cephalica entbehren dagegen der Muscularis.
Betreffs der Seitenarterien des Rückengefässes sei erwähnt, dass dieselben nur aus der äusseren
Schicht des Herzschlauches und der unter ihr liegenden homogenen, mit Zellkernen versehenen Membran,
welche die Umhüllungen der einzelnen Muskelringe liefert, ihre Entstehung nehmen (Taf. V, Fig. 30).
Scolopendra macht hiervon in gewissem Sinne eine Ausnahme, indem sich bei dieser Form die Muscularis
des Herzens klappenartig eine kurze Strecke weit in den Anfangstheil der Seitenarterien hinein erstreckt
(Taf. V, Fig. 33 kla). Durch diese Einrichtung wird zugleich ein Zurückströmen des Blutes aus den
Seitenarterien in das Rückengefäss verhindert. Dasselbe würde nämlich in diesem Falle zwischen die
klappenartigen Vorsprünge und die eigentliche Wand der Seitenarterien gerathen und dadurch einen
vollkommenen Verschluss des kleinen Spaltes verursachen, durch den die Herzhöhle mit den Seitengefässen
in Cominunication steht.
Was die Endverzweigungen der Arterien betrifft, so bestehen dieselben nur noch aus der
homogenen Membran, während die bindegewebige Adventitia verschwunden ist. Besonders schön ist dies
bei Scolopendra an dem Gefässbündel zu sehen, welches zu den Pleuraldrüsen verläuft. Die einzelnen
Capillaren dieses Bündels erscheinen selbst auf stark gefärbten Totopräparaten als vollkommen helle
homogene R ö h ren , in deren Wandung deutlich wahrnehmbare Zellkerne eingestreut sind. Die einzelnen
Phasen der Vereinfachung der Gefässwandungen bei den Chilopoden (und vielleicht auch bei vielen
anderen wirbellosen Thieren) sind demnach denen bei den Wirbelthieren äh n lich ; der einzige Unterschied
ist nur der, dass bei ersteren sowohl die Intima der Hauptgefässstämme wie die Wandung der Capillaren
von homogenen, mit Kernen versehenen Membranen gebildet werden, während dieselben bei den Wirbelthieren
bekanntlich Epithele sind. .(Vergleiche hierzu L e y d ig ’ s Lehrbuch der Histologie § 397 — 405.)
Nun im Anschluss an die Histologie des Rückengefässes und seiner Seitenzweige noch Einiges
über die Pericardialmembran! Dieselbe ist bei Scutigera eine dünne, continuirliche, elastische Membran,
welche stark abgeflachte Zellkerne besitzt. Bei starker Vergrösserung bemerkt man an ihr eine feine
Längsstreifung, die jedoch möglicherweise keiner wirklichen Streifung entspricht, sondern nur durch eine
zarte Fältelung hervorgerufen wird. Im Gegensatz hierzu ist die Pericardialmembran von Scolopendra
nicht continuirlich, sondern weist eine grosse Anzahl Löcher auf (Taf. V, Fig. 29 pc). Die Flügelmuskeln
gehen in diese Membran derartig allmälig ü b e r, dass man nicht sagen k an n , wo sie anfangen, und die
Membran aufhört.
Was endlich die Structur des Supraneuralgefässes anbetrifft, so ist bei Scutigera die Dorsalwand
hinter der Einmündung der Aortenbogen deutlich von der unteren verschieden (Taf. I , Fig. 4 bg).
Denn während die erstere ziemlich dick und homogen ist und auf Querschnitten ein gewelltes Aussehen
hat, ist der übrige Theil von einer Membran gebildet, die dünner ist als die erste Schicht, deutliche
Zellkerne besitzt und bei stärkerer Vergrösserung betrachtet aus zwei getrennten Lamellen zu bestehen
scheint. Dieser Theil der Wandung bildet auch die Wände der unpaaren und der paarigen Aeste des
Supraneuralgefässes. Ich halte es für sicher, dass die Contraction und Ausdehnung des Gefässes einzig
und allein von der dickeren dorsalen Schicht besorgt wird, während die zartere ventrale Wandung nur
eine passive Rolle dabei spielt.
Bei Scolopendra ist dieser Unterschied zwischen dorsaler und ventraler Wand nicht vorhanden.
Hier zeigt das Supraneuralgefäss dieselben zwei Schichten, welche auch den Seitenarterien des Rückengefässes
zukommen, erstens nämlich eine iunere homogene, mit Zellkernen'versehene Membran, die hie r
von ziemlicher Dicke ist und eine gewellte Oberfläche besitzt, und daun eine äussere bindegewebige
Adventitia. Die Seitenäste sind wenigstens in ihren Anfangstheilen ebenso gebaut; von ihren capillaren-
artigen Endverzweigungen, zu denen die Gefässe der Pleuraldrüsen gehören, wurde bereits oben gesprochen.
Histo risches über den feineren Bau des Gefässsystems.
In seiner Arbeit über das Gefässsystem der Myriapoden etc. berichtet N e w p o r t auch Einiges
über den feineren Bau des Herzens. E r unterscheidet an ihm zwei Schichten:
1) Eine dicke äussere. Dieselbe besteht aus locker mit einander verwobenen Muskelfasern und
scheint zum Verkürzen des Herzens zu dienen.
2) Eine innere. Dieselbe besteht aus zwei Muskellagen:
a. einer inneren, welche aber fast nur auf die dorsale und ventrale Mittellinie beschränkt
ist und Längsmuskeln enthält;
b. einer äusseren, welche aus kurzen Ringmuskelbändern besteht. Diese reichen nur halb um
das Herz herum bis zu dem dorsalen und ventralen Hauptzug der Längsmuskelschicht.
Aus meiner im vorigen Abschnitt gegebenen Darstellung von dem feineren Bau des Herzens geht
hervor, dass die Punkte 1 und 2 a unrichtig resp. ungenau sind, dagegen Punkt 2 b mit meinem Befund
übereinstimmt, nämlich dass jeder Muskelring des Herzens aus zwei Theilen besteht, die in der dorsalen
und ventralen Mittellinie mehr oder weniger fest mit einander verlöthet sind.
V o g t und Y u n g 32) sagen in ihrer Anatomie von Lithobius über die Beschaffenheit der
Wandung des Herzens n u r , dass dieselbe aus zwei Membranen gebildet s e i, welche häufig innig mit
einander verbunden und aus äusserst feinen Muskelfasern zusammengesetzt wären. Vom Supraneuralgefäss
berichten sie, dass dessen Wandungen relativ dick seien und zahlreiche Fasern enthielten, welche nur ein
bindegewebiges, kein musculöses Aussehen darböten.
3. Rückblick über das gesummte Gefässsystem und einige allgemeine
Erörterungen.
Nach der vorstehenden Beschreibung können wir folgendes Schema für das Gefässsystem der
Chilopoden aufstellen:
In der dorsalen Mittellinie des Körpers verläuft das mit Ringmuskeln versehene H e rz , welches
gewöhnlich in einer von der übrigen Leibeshöhle abgegrenzten Höhlung lieg t, an deren Wandung sich
die Flügelmuskeln inseriren. In jedem Segment entsendet dasselbe ein Paar Seitenäste, welche sich
mannigfach verzweigen und, wenigstens bei Scolopendra, einem reichen Gefässnetz im Peritoneum den
Ursprung geben. An seinem Vorderrande geht es bei allen Formen in die Aorta cephalica üb er, die
ebenfalls Seitenzweige aufweist; das Hinterende zeigt dagegen Verschiedenheiten.
Bibliotheca Zoologien. Heft IX. |