
Vergl. Taf.
Fig. 124—
"Viel zahlreicher sind Anpassungen an Vespiden, besonders an Polistcs- und Polybia-Arten der neotropischen
Region. So erinnern gewisse Kleinzirpen (Heteronotus, Tettigonia, S. 10) an Polistes-Arten, so
iäv’ gewisse Grabwespen (Gorytes, S. 10) an Polybia-Arten. Die neuholländische Cerambyciden-Gattung 'Esthesis
gleicht gelb geringelten Vespiden.
Besonders interessant sind die wundervoll ausgebildeten Anpassungen aus zwei Schmetterlingsfamilien.
So gleichen gewisse Sesiiden (Trochilium) in Europa grossen Vespa-, in Nordamerika theilweise Polistes-
Arten (S. 75). Noch höher ausgebildete Anpassungsformen liefern die neotropischen Glaucopiden in den
Gattungen Sphecosoma und Myrmecopsis (S. 77). Bei diesen bildet sich nämlich (vergl. Taf. X III) eine
wi r k l i c h e „W e s p e n t a i l l e “, eine an der Basis stielartig verschmälerte Hinterleibsform au s, wie sie
jene Aculeaten characterisirt. So wird hier der höchste im Thierreich überhaupt. nachgewiesene Grad dev
Anpassung an die Modelle erreicht.
"Weniger häufig und ausgebildet sind mimetische Anpassungen an die Apiden.
An die Bombus-Arten erinnern unsere Hummelschwärmer (Macr. bonibyliformis S. 74), und unter
den Dipteren einige Asiliden und Syrphiden (S. 78), darunter auch besonders die bei ihnen schmarotzenden
Volucella-Aiten. Während die indische LopJmra Hylas Bsd. (S. 75) nur unbedeutend gewissen grünbehaarten
Xylocopa-Arten ähnelt, mit denen ich sie oft zusammen traf, ahmen dagegen die zu den Sesiiden gehörigen
MelitUa-Arten (S. 75) durch die gelbe und schwarze Zotten tragenden, an die Sammelhosen der Blumenbienen
(Anthophila) gemahnenden Hinterbeine, die sie im Fluge genau tragen wie die Bienen, durchaus
AnthopJiora-A-Yten nach, denen sie auch nach A. S e i t z darin gleichen, dass sie sich „nicht auf die Blüthe
niederlassen, sondern davor schwebend erhalten.“
Auch viele Schlupfwespen sind im Stande, ziemlich empfindlich zu stechen.J) So kann man denn
auch den einheimischen Bockkäfer Molorchus salicis F. (S. 18) als Anpassungsform an Schlupfwespen, wie
Anomalon heros Wesm. o, ansehen, denen er in der That recht ähnlich ist.
Die einzigen W i r b e l t h i e r e , welche wegen besonderer, mit Giftdrüsen in Verbindung stehender
Vertheidigungs- und Angriffswaffen als Modelle der Anpassung für wehrlosere Formen gedient haben dürften,
scheinen die Giftschlangen zu sein.
Ganz vereinzelt steht die wenig ausgebildete Anpassung eines neotropischen Batrachiers (Phryniscus
varius, S. 78) an JElaps-Arten da. Häufiger sind dagegen Anpassungen von anscheinend weniger giftigen
Schlangen (GaUophis) an stärker giftige Arten (Acleniophis) derselben Unterfamilie (Elapinae) oder solche
von vollständig harmlosen an unzweifelhaft giftige Vertreter derselben Familie. Besonders zahlreich sind
die Färbungsanpassungen an die neotropischen Elaps-Arten (Proteroglyph.) von Seiten vollkommen harmloser
Schlangen (Aglyph.). v- ' . '
Hier dürfte vielleicht auch als einziges mir bekannt gewordenes Beispiel der mimetischen Anpassung
eines im Wasser lebenden Thieres die des zu den Opisthoglyphen gehörenden Homalopsiden Hipistes
hydrinus Cant, aufzuführen sein, welcher giftigen Seeschlangen sehr ähnlich ist, mit denen er zusammen lebt.
Mimetische Anpassungen seitens der Angreifer.
Verhältnissmässig selten sind diejenigen Fälle mimetischer Anpassung, in welchen letztere, bedingt
durch ein oekologisches Verhältniss, das die wichtigsten Interessen der nachahmenden Art, die Ernährung und
die Unterbringung der Nachkommenschaft betrifft, dem Angreifer im Kampfe um die Existenz Nutzen bringt.
*) Nach einem Referat ans der Revue entomolog. soll R. du Bnysson neuerdings auch bei acht verschiedenen Arten
von Ichneumonen Giftblasen nachgewiesen haben.
E. B. P o u l to n hat diese Fälle neuerdings als „ a g g r e s s i v e Mimicry“ 1) der „ p r o t e c t i v e n “
gegenübergestellt, obwohl die Verkleidung selbst stets doch nur als Schutzmittel, nie als Angriffswaffe
dient, selbst wenn sie vom Angreifer getragen wird.
Anpassungen der aggressiven an die angegriffene Partei finden sich auch bei R a u b t h i e r e n nur
vereinzelt und anscheinend besonders bei solchen Formen, welche, wenn auch wehrhafter, doch schwerfälliger
als ihre Beute sein dürften. So erinnert von den Neuropteren (S. 11) Bittacus an die Tipuliden, von
denen er leht, und Drepanopteryx an kleine Nachtschmetterlinge, Drcpana etc., von denen er sich nach
B r a u e r 1. c. vielleicht nähren dürfte.
Etwas häufiger dürften diejenigen „ s c hm a r o t z e n d e n “ F o rme n sein, welche das Kleid der
Wirthe tragen, in deren Ban sie ihre Brat unterbringen. So erinnern unter den Hymenopteren Melecta-
Arten an die Anthophoren, bei denen sie schmarotzen. Ob jedoch die ausgebildete Aehnlichkeit, welche
z, B. Polistomprplm Surinammsis mit Polybia teskicea und Ghalcis emarginata und punctata mit Polyb.
Ctsymmcnsis h ab en , in der That dazu dient, diesen parasitischen Hymenopteren den Zutritt in das Nest
der betreffenden Polytm-Arten zu ermöglichen, ist erst durch die Beobachtung zu entscheiden.*) Mit
grösserer Sicherheit dürfen wir die Anpassung gewisser bei .Bornims-Arten schmarotzender Volucellen hierher
rechnen, deren bekannteste A rt in zwei Formen vorkommt, von denen die eine (bombylurus) durch
schwarze,, am Hinterleib'sende rothe Färbung kleinen Stücken des B . lapidahus gleicht, während die andere
Form (phmakt) mit gelbem, inmitten schwarzen Brustschilde und gelbbehaartem, h in ten . weisslichen Abdomen
eher an abgeriebene kleine Formen des B . muscorum und hortorum erinnert. Es würde von Interesse
sein, zu beobachten, ob nun die verschiedenen Weibchenformen zu ihrer Eiablage, bei der ihnen die in
der That vorhandene Aehnlichkeit mit den betreffenden Bombits-Avien besonders von Nutzen sein soll,
auch stets die Nester derjenigen Hummelart aufsuchen, welcher sie selbst gleichen. -
Ein Beispiel von schützender Aehnlichkeit einer ihre Eier in fremde Nester legenden Vogelart mit
ihrem Wirth dürfte ein indischer Kukuk Surniculus liujubris Horsf. ifiacumgdus dicruroides Cab.) abgeben,
welcher das Kleid der aggressiven Drongos (Dkrurus) trägt, in deren Gelege er auch sein Ei unterbringt!
Analogie, Convergenz und Mimicry.
Das Ergebniss der Untersuchungen des I. Theils dieser Arbeit berechtigte uns für die Species der
Gattung PapiUo zu dem Urtheil, dass die äussere Erscheinung einer Art, wie sie sich in Form, Zeichnung
und Färbung aussprioht, nicht immer nur die Blutsverwandtschaft innerhalb eines engeren Artenkreises
ausdrüokt. So dürfen wir der alten systematischen Schule, welche nach A. E. Wa l l a c e (Darwinism 1. c.
p. 187) in der Färbung nur einen „trivial character eminently instable and untrustworthy in the deter-
mination of species“ erblicken zu müssen glaubte, doch insoweit Recht geben, als bei einer Untersuchung
über die Blutsverwandtschaft auch nur der Arten e i n e r Gattung einer Vergleichung der äusserlich in Erscheinung
tretenden Eigenarten des Habitus die sorgfältige Berücksichtigung aller in den Harttheilen
gegebenen Stracturmerkmale vorauszugehen und allein als Grundlage zu dienen hat.
P o u lto n , Volucella as example of aggressive Mimicry (Nature, Vol. 47 [1892] p. 29).
*) Zwei weitere nach A. G e rs tü ck o r zur Mimicry gehörige Fälle einer gewissen Aehnlichkeit zwischen parasitischen
Schlupfwespen (Crypturus argwlus) resp. Dickhornßiegen (Conops diadematus) und ihren Wirthen (Vespa gailica resp. V. germanica)
sind wohl nicht als Anpassungsersckemnngen an die Modelle aufenfassen, da vor Allem die Aehnlichkeit zu gering ausge-
bildet ist, um eine Täuschung hervorrufen zu können.
Bibliotkeca Zoologien. Heft VIII.** j g