So vorzüglich auch dio M ü l l e r ’sehen Beschreibungen und Abbildungen dieser — wie aller
übrigen — Arten für seine Zeit gewesen sein mögen, so u n m ö g l i c h i s t e s n a c h m e i n e r A n s i c h t ,
a u c h n u r in e i n e r d i e s e r F o rm e n e i n e d e r v o n d e r n e u e r e n W i s s e n s c h a f t a u f g e s t e l l t e n
A r t e n w i e d e r z u e r k e n n e n . Es lässt sich mit Sicherheit nur sagen, dass M ü l l e r im Cyclops
minutus i r g e n d e i n e Canthocamptus-Form und im Cyclops coeruleas, rubens und lacinulatus, irgend
welche Diaptomus-Formen vor sich gehabt h a t; welchen der je tz t zu Recht bestehenden Arten dieser
Genera die M ü ll e r ’sehen Species zugehören, ist unmöglich anzugeben1). Der Cyclops quadricornis ist,
wie der aller übrigen älteren Autoren, eine Collektivart, die eine grössere Anzahl verschiedener Formen
in sich fasst. Dass der dänische Forscher vielleicht auch den Cyclops strenuus gesehen hat, ist wohl
möglich, aber durch nichts zu beweisen. Der Cyclops claviger und crassicomis sind beides noch vollkommen
unentwickelte Tiere, deren systematische Stellung anzugeben ganz unmöglich ist.
L. J u r i n e 3) (1820) ging insofern wieder einen Schritt zurück, als er sämtliche (Süsswasser-)-
Entomostraceen — Copepoden, Clndoceren und Ostracoden — zu einer Gattung (Monociäus) vereinigte, aber
auch insofern einen Schritt vorwärts, als er den Cyclops quadricornis (d. i. sein Monocidus quadric. rubens)
in vier Varietäten (albidus, viridis, fu scu s und prasinus) spaltete.
Obgleich er diese Varietäten dem derzeitigen Standpunkte der Wissenschaft entsprechend nur
au f folgende Charaktere gründet:
„1) Sui* la couleur permanente de. J ’individu adulte,
2) Sur la grandeur et sa forme,
3) Sur la manière dont les femelies portent les ovaires externes,
4) Sur la couleur de ces ovaires et celle des tetards“ ,
so lassen sich doch die drei ersteren, besonders dank der vorzüglichen Abbildungen, wiedererkennen.
Die v ar. prasinus ist vielleicht mit der gleichnamigen Art F i s e h e r ’s identisch. Bezüglich des
Monoculus quadricornis rubens, welcher v o n S a r s und mehreren neueren Forschern als identisch mit dem
Cyclops strenuus Fischer angesehen worden ist, muss dasselbe gelten, was soeben vom Cyclops quadricornis
Müller ausgesprochen ist.
Die beiden anderen Copepoden-Arten J u r i n e ’ s, der Monoculus Castor und Monoculus staphylinus,
sind je tz t in die beiden Genera Diaptomus und Canthocamptus eingereiht.
Derjenige, welcher die von M ü l l e r und J u r i n e begonnene Scheidung in gesonderte Gattungen
und Arten weiterführte, war ein Deutscher, C. L. K o c h 8), welcher in den Jah ren 1835—41 nicht
weniger als 11 Cyclops- und 5 Glaucea- (Diaptomus-) Arten und eine Dons- (Canthocamptus-) Form beschrieb
und abbildete.
Mit ihm beginnt die Reihe der deutschen Copepoden-Forscher.
') Die Behauptungen, welche in dieser historiselien Einleitung betreffs der Synonymie dieser oder jener Species
ausgesprochen sind, habe ich im speziellen Theile bei der Behandlung der einzelnen Arten zu beweisen versucht. Man
vergl. deshalb die betreffenden Capitel.
2) J u r in e , L. Histoire des Monocles.
) Koch, L. L. Deutschlands Cruslaceen, Myriapöden und Arachniden.
K o c h stellt folgende von ihm in der Umgebung von Regensburg beobachtete Arten auf:
Cyclops pictus n. sp., Cyclops lucidulus n. sp.,
. „ pulchellus n. sp., „ quadricornis n. sp.,
n agilis n. sp., Doris minuta n. sp.,
n vulgaris n. sp., Glaucea rubens n. sp.,
r obsoletus n. sp., „ coeridea n. sp.,
annulicorm s n. sp., j, caesia n. sp.,
n bistriatus n. sp., „ hyalina n. sp.,
| signatus n. sp., 1 ovata n. sp.
„ phaleratus n. sp.,
Die K o c l i ’sehen Beschreibungen und Abbildungen sind aber so oberflächlich und ungenau,
dass es n u r in einigen Fällen möglich ist, unzweifelhaft anzugeben, welche Species ihm Vorgelegen hat.
^Ehe ich deshalb zu der Beurteilung der Arten selbst übergehe, muss ich mit einigen Wörtern die Weise
seines Diagnostizierens beleuchten.
Bei der Abgrenzung der Arten legt K o c h ein Hauptgewicht au f die F ä rb u n g *); ja es ist sogar
sicher, dass er dasselbe Thier, je nachdem es so oder anders gefärbt war, als zu verschiedenen Arten
gehörig betrachtet. Die F ärbung der Copepoden ist abe r bekanntlich sehr variabel, darf also bei der
Artbegrenzung nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen. Selbst die F arb e der mit Eiern erfüllten
Oviducte und den verschiedenen Grad der Füllung dieser Organe, deren Natur ihm unbekannt gewesen
ist, hält er für charakteristische Merkmale. So gibt er z. B. bei seinem Cyclops pictus an: „ dorso vittis duab us extus
ramosis“ , und in den der Diagnose angefügten Bemerkungen schildert er diese Verhältnisse mit folgenden
Wo rten : „auf dem Rücken des Körpers zwei Längsstreifen“ (d. s. die beiden Hauptstämme der Oviducte!),
„einen gelben Mittelstreif einschliessend“ (d. i. der durchscheinende Darm mit seinem gelb gefärbten
Inhalte!) „vorn sich in zwei Längsflecken verdickend, hinten etwas seitwärts gebogen; seitwärts an
diesen Streifen vier gleichfarbige Aeste“ (hiermit sind die vollkommen mit Eiern erfüllten Verzweigungen
des Oviducts gemeint!).
Bei dem Cyclops lucidulus, welcher ihm vorlag, waren die Nebenäste des Oviducts. noch unentwickelt
; deshalb sagt er. von ihm: „ein - Längsstreif auf dem Rücken orangeroth (d. i. der durchschimmernde
Darminhalt!), zwei Flecken vorn an diesem, ziemlich eine Gabel vorstellend, g rau b lau ;
beiderseits an dem Rückenstreif eine strichförmige, zuweilen mit einem schief vorwärts abstehenden
Aestchen versehene Einfassung, ebenfalls g rau b lau , aber heller“. J a , er hat sogar die Färb u n g des
Darminhaltes und selbst die des meist im vordersten Theile des Abdominaldarmes liegenden Kothballen als
charakteristische Merkmale in seine Diagnosen aufgenommen, z. B. bei Cyclops agilis: „C. pallidus macula
dorsali fusiformi et altera parva ochraceis“, und in den hierzu gehörigen deutschen Bemerkungen sagt
e r : „Auf dem Rücken ein vorn und hinten spitz ausgehender Längsfleck und ein Fleckchen vorn auf
dem Schwänze rbstgelb.“
*) F is c h e r (Beitr. zur Kennt, p. 410) bemerkt deshalb sehr richtig: „Koch stellt viele Arten von europäischen
Cyclops auf, allein ich muss sehr bezweifeln, ob es irgend Jemand möglich sein wird, seine meist nur nach
I* arbe und anderen weniger wichtigen Merkmalen verschiedenen Arten zu unterscheiden.“