Wie die Brutsäckchen nach innen, so stellen diese Duplikaturen d e r Hypodermis nach aussen
dar (Taf. VI, Fig. 10). Erst wenn die Brutsäckchen sich bereits in einem vorgerückten Stadium der
Entwicklung befinden, beginnt auch der innere Epithelbelag der zungenförmigen Fortsätze durch einen
ähnlichen Faltungsprozess sich zu erweitern (Taf. VI, Fig. 11); und hier tritt nun die merkwürdige E rscheinung
ein, dass diese Faltungen nicht im Innern der cuticularen Fortsätze vor sich gehen, wie bei
Asellus, sondern das ganze Gewebe zieht sich aus diesen heraus (dies ist schon in Fig. 11 angedeutet)
und wächst in der Lücke zwischen cuticula und Hypodermis weiter. In diesem Raume sehen wir
schliesslich, nachdem sich das gefaltete Gewebe völlig herausgezogen und wieder gestreckt hat, die
Lamellen in ihrer Längsrichtung einmal nach unten zusanimengeklappt liegen und zwar soweit entwickelt,
dass sie bei der nächstfolgenden Häutung als fertige Organe enthüllt werden können.
Die ganze Anlage ist also hier auf zwei Häutungsperioden vertheilt und der Bildungsmodus
hält in eigenthümlicher Weise die Mitte zwischen demjenigen, welcher für Porcellio scaber und demjenigen,
welcher für Asellus aquaticus charakteristisch ist. Die Lamellen treten zwar wie bei Aselhis
ursprünglich als freie Anhänge nach aussen h erv o r; die definitive Ausbildung erfolgt aber nicht in
diesen, sondern wie bei Porcellio in dem Raum zwischen matrix und cuticula der Brustsegmente. Es
wird gewissermassen ein Ansatz gemacht zur Bildung grösserer Lamellen, wie sie Asellus aquaticus besitzt,
alsdann aber wieder aufgegeben. Die primitiven Fortsätze erscheinen so zu sagen als rudimentäre
Organe, als phyletische Reminiszenzen, und wir dürfen hierin, wie ich glaube, eine Andeutung erblicken,
dass die Vorfahren der Sphaeromen grössere Brutlamellen besessen haben, womit vielleicht eine normale
Brutpflege verbunden gewesen sein mag.
Alle hier geschilderten Umgestaltungen am weiblichen Organismus gelangen endlich zum Ab schluss
durch einen Häutungsprozess, welcher noch vor der Umlagerung der Eier eintritt. Die H äutung
erfolgt in ganz ähnlicher Weise wie bei Porcellio und Asellus, indem zuerst die hintere Hälfte des alten
Chitinpanzers vom fünften Segment ab, alsdann erst die vordere im Zusammenhang abgestreift wird.
Nachdem dies geschehen, treten nun zunächst die spaltförmigen Mündungen der Säckchen frei
nach aussen hervor, wie wir uns an Fig. 12 (Taf. VI) überzeugen können, welche einen Längsschnitt
darstellt, der seitlich von der Ganglienkette durch das ganze Thier hindurchgelegt ist. Hier sehen wir
die vier Brutsäckchen der einen Seite in ihrer definitiven Ausbildung vor uns, durch die mächtigen, die
Leibeshöhle füllenden Ovarien eng an die Bauchwand gedrückt. (Wie einzelne undeutliche Kernbilder
vermuthen lassen, sind die Eier in der Bildung der Richtungskörper begriffen.) Die Wandungen der
Säckchen sind in zahllose zierliche Falten zusammengelegt, die so dicht und eng an einanderschliessen,
dass sie den Verlauf der Contouren nicht mehr deutlich erkennen lassen. Die zweizipfelige Gestalt der
Säckchen tritt in der zusammengefalteten Lage bereits charkteristisch hervor. Noch eines verdient b e achtet
zu werden: Ursprünglich zeigte sich die Wandung der Einstülpungen (Fig. 7) in ihrer histologischen
Struktur von der Hypodermis nicht verschieden; sie besass dieselbe Dicke, dieselben rundlich gestalteten
Zellkerne. J e tz t scheint sie sich zu einer ungemein dünnen Membran verflacht zu haben, in
der auch die Kerne eine platte, längliche Form angenommen haben. Unterhalb der Brutsäckchen treten
uns die Brutlamellen (lam), welche ebenfalls durch die Häutung enthüllt worden sind, im Querschnitt
entgegen.
Späterhin finden wir nun stets die Ovarien entleert und die Eier in die acht Brutsäckchen übergeführt,
welche dann ihrerseits alle Hohlräume der Leibeshöhle ausfüllen. Die Weibchen bieten je tzt im
Querschnitt das Bild dar, wie es in der mehrfach erwähnten Fig. 13 (Taf. VI) wiedergegeben und oben
beschrieben worden ist.
Wie erfolgt aber die Ueberführung der Eier in die Säckchen ? Ich habe diesen Vorgang nicht
direkt beobachten k önnen1), glaube aber, dass er aus den anatomischen Verhältnissen mit Sicherheit erschlossen
werden kann. Da aus den Ovarien kein anderer Ausweg nachweisbar ist, als die Ovidukte
(Fig. 7 u. 9, Taf. VI), so können die Eier auch nur durch diese entfernt werden. Ein mechanisches
Hindernis, etwa ein Verschluss der Genitalöffnungen existirt hier ebensowenig wie bei Asellus aquaticus,
und dass die Eileiter die nöthige Ausdehnungsfähigkeit besitzen, um die grossen Eier hin durch treten zu
lassen, wird nicht bezweifelt werden. Es dürfte grade neben seiner Funktion als receptaculum seminis
mit eine Bestimmung des erweiterten distalen Abschnitts sein (ähnlich wie bei Asellus aquaticus) die zur
Eiablage nothwendige Dehnbarkeit des Ausleitungsapparäts herzustellen-.
D i e E i e r w e r d e n a l s o w o h l a b g e l e g t u n d g e l a n g e n w ie b e i d e n A s s e l n m i t
n o rm a l e r B r u t p f l e g e in d e n R a um u n t e r h a l b d e r L am e l le n - , v o n d e n e n d a s l e t z t e
P a a r s i c h m i t s e i n e n h i n t e r e n R ä n d e r n a u c h ü b e r d i e G e n i t a l ö f f n u n g e n am f ü n f t e n
S e g m e n t h e r ü b e rw ö l b t . Es mag gestattet sein, hier au f die oben citirte Angabe von H e s s e
zurückzugreifen, wonach derselbe eine Ablage der Eier in den Brutraum beobachtet haben will. Wenn
die von H e s s e untersuchten Sphaeroma-Species dieselbe Brutpflege besitzen wie die hier dargestellte —
und ich glaube dies aus den wenigen unklaren Andeutungen dieses Forschers vermuthen zu können — ;
wenn andrerseits jene Mittheilung au f einer thatsächlichen Beobachtung beruht: so d ü r f te 'H e s s e das
Stadium der Umlagerung der Eier Vorgelegen haben.
Gewiss besitzen nun die Brutlamellen trotz ihrer Zartheit doch so viel Widerstandsfähigheit, um
die Eier eine kurze Zeit lang festzuhalten; denn wenn wir späterhin bei der Geburt der jungen Larven
sehen, dass dieselben noch eine Weile offenbar nur durch den mechanischen Widerstand der Lamellen
in dem Brutraum zurückgehalten werden und n u r durch eigne lebhafte Bewegungen oder durch ein
willkürliches Auseinanderklappen der Lamellen von seiten des Mutterthieres in Freiheit gesetzt werden
können, so folgt daraus, dass die Brutlamellen einmal einer gewissen Elastizität nicht entbehren, und
dass sie andrerseits an ihrer Basis mit Muskeln in Verbindung stehen, welche ebenso wie sie ein Auseinanderschlagen
ermöglichen auch ein festeres Andrücken an die Bauchwand gestatten müssen.
D a s s n u n d i e A u f n a h m e d e r E i e r in d i e S ä c k c h e n d u r c h t d i e a c h t s p a l t f
ö rm i g e n O e f f n u n g e n e r f o l g e n m u s s , l i e g t a u f d e r H a n d , d a e i n a n d e r e r Z u g a n g zu
d i e s e n e b e n n i c h t e x i s t i r t . Allerdings habe ich keine Längsmuskeln entdecken können, welche
ein willkürliches Oeffnen der Spalte denkbar erscheinen Hessen. Indessen sehen wir an Fig. 12 (Taf. VI),
dass die Verschlussfalten zu dieser Zeit noch g a r nicht fest au f einander schliessen, und ich glaube, dass
schon ein blosses Nachlassen der die Bauchhaut spannenden Muskeln genügen muss, um die Spaltenränder
gegen einen leichten Druck vonseiten der Eier, vielleicht verstärkt durch ein Andrücken der
*) Ein Weibchen, welches bis zum Häutungsprozess in der Gefangenschaft zu halten mir gelungen war, starb
Während der Häutung des vordem Körperabschnitts.