E r s t n a c h d em d i e g e s c h m a c k s w i d r i g e n F o r m e n v 011 i h r en F e i n d e n a l s s o l c h e
e r k a n n t u n d g e m i e d e n w a r e n , k o n n t e n a u s d e r U n m a s s e d e r s c h m a c k h a f t e n
S c h m e t t e r l i n g e h e r a u s s i c h d i e mimetischen Formen e n tw i c k e l n .
Di e s c h m a c k h a f t e n m im e t i s c h e n A r t e n n u n g e h ö r e n . s o b e s t i m m t e n U n t e r -
g a t t u n g s - , G a t t u n g s - u n d F a m i l i e n v e r b ä n d e n a n u n d h a b e n e i n e s o b e s t i m m t e
g e o g r a p h i s c h e V e r b r e i t u n g , d a s s d i e G e s e t z m ä s s i g k e i t d i e s e r B e z i e h u n g e n u n s
e b e n f a l l s a l s e i n e d e r S t ü t z e n f ü r d i e B e r e c h t i g u n g d e r M i m i c r y - T h e o r i e
d i e n e n dar f .
So kommen mimetische Formen unter den Nymphalinen vor: in der Ar<jr?/wms-Gruppe bei Argynnis
(indo-austral. und nearkt. Arten ); in der Melitaeen-Gruppe bei Phyciodes (neotrop. Arten); in der Diademen-
Gruppe bei Hypolimnas (indo-austral. und afrikan. Arten) und bei Victorina (neotrop. A rt); in der NeptiSr-
Gruppe bei Neptis (austral. A r t) ; in der Ä p f e -G r u p p e bei Pseudacraea, Euphaedra (afrikan. Arten) und
Adelpha (neotrop. Arten) und in der neotropischen Awaeew-Gruppe (Anaea, Protogonius).
Sämmtliche mimetische Satyrinen gehören mit Ausnahme der afrikanischen Elymnias - Art
(E. Phegea L.) dem indo-australischen Gebiet und den Gattungen Elymnias, Zethera und Orinoma an.
Während die. mimetischen Lycaeniden sich auf das tropische Afrika beschränken, stossen wir auf
nachahmende Eryciniden nur in dem Eldorado ihrer Entwickelung, in Südamerika. Weiter kommen
inimetische Pieriden der Gattung Eronia in der indo-australischen und afrikanischen Region, solche der
Gattung Pieris in allen drei tropischen und solche der Gattungen Dismorphia (Leptalis), Archonias, Pereute
nur in der neotropischen Region vor. Endlich finden sich mimetische Papilionen in der Untergattung
Papilio in allen, ausser der paläarktischen und in der Untergattung Cosmodesmns nur in den drei tropischen
Regionen.
Die durchaus schmackhaften und zugleich mimetischen Heteroceren dürften sich vielleicht auf
einzelne Castnien und alle Sesiiden '), einzelne Macroglossen und die Spinner Artaxa simulans, die Diop-
tiden und die p. 73 angeführten Spanner und Tineiden beschränken.
Suchen wir nun das System der Schmetterlinge durch Aufzählung derjenigen Familien und
grösseren Gruppenverbände zu ergänzen, in dem wir weder immune noch mimetische Arten finden, so
erhalten wir unter den Tagfaltern nur die Brassoliden und Hesperiiden, unter den Hetero.ceren die meisten
Sphingiden, die meisten Gruppen der Bombyces, alle Noctuen, die meisten Spanner und Microlepidopteren.
Die neotropischen Brassoliden nun. enthalten anscheinend deshalb keine mimetischen Arten, weil
sie hauptsächlich nach Sonnenuntergang und nur selten freiwillig am Tage fliegen. Und die Hesperiiden 2)
sind, wie schon A. S e i t z hervorhob, im Besitze eines so hoch ausgebildeten Flugvermögens und so
flüchtig, dass es wenigen Feinden g e lin g t, sie im Fluge zu nehmen; ausserdem sind gerade manche
grössere Formen dämmerungsliebend und die meisten Arten wie bei den Eryciniden zu klein, um den
Modellen auch hinsichtlich der Grösse in etwas zu gleichen; weiter ist die Variationsfähigkeit bei ihnen
•’) Die Larven beider Familien leben im Holz, wie die der unter den Käfern am meisten verfolgten Cerambyciden.
*) Nach G ö ld i (Zool. Jahrbücher, Äbth. f. Systematik I, p. 411 ff.) stellt eine blüthenbesuchende Spinne fast
ausschliesslich Hesperiiden nach.
sehr beschränkt. Die meisten ') schmackhaften Bombyces, Sphingiden und fast alle Nockiae, die meisten
Spanner und Microlepidopteren ruhen dagegen tags in möglichst ihrer Schutzmusterung entsprechender
Umgebung und fliegen nur nachts, wo keine noch so täuschende Anpassung an widrige Modelle ihnen von
Nutzen wäre.
Das blosse Vorhandensein als widrig erkannter und gemiedener Modelle selbst kann nach heutigen
Ansichten über die Umbildung der Arten keine gleichgerichtete A n p a s s u n g einer anderen Art bewirken2),
sondern l e t z t e r e mu s s v o n d e r v a r i i r e n d e n F o rm s e l b s t a u s g e h e n , - d u r c h innere, in die
Organisation tief eingreifende physiologische Vorgänge bedingt.
U e b e r d i e b e s o n d e r e n B e d i n g u n g e n , u n t e r w e l c h e n e i n e m im e t i s c h e A n p
a s s u n g e n t s t e h e n u n d s i c h zw e c k e n t s p r e c h e n d a u s b i l d e n k o n n t e , g e b e n u n s b e s
o n d e r s e i n i g e „ p o l ymo r p h e “ Ar t e n A u f s c h l u s s , b e i we l c h e n a u s s e r d em mä n n c h e n -
f ä r b i g e n n o c h e i n e o d e r m e h r e r e mim e t i s c h e W e i b c h e n f o rm e n b e k a n n t sind.
Das Vorkommen der mimetischen resp. der männchenfärbigen Weibchen neben einander oder sich
gegenseitig ausschliessend ist nun meist auf bestimmte Verbreitungsbezirke der Art beschränkt. So sind,
um zuerst die Nymphalinen zu besprechen, bei Argynnis Argyrius Sparrm., einer weit von Indien bis Australien
verbreiteten Art, bei der australischen Varietät inconstans Butlr. und der var. Castetsi Oberth. (aus
Trichonopoly, Südindien) männchenfärbige Weibchen nachgewiesen, welche von den meisten anderen
Fundorten unbekannt sind, und beide Endformen werden durch Stücke aus Caschmir verbunden. Weiter
kommen bei Hypolimnas Bolina Cr. männchenfärbige Weibchen nach Dr. S t a u d i n g e r besonders in Cochin-
china, Calcutta und den Andamanen vor, fehlen dagegen nach meinen Erfahrungen in Siam (Bangkok) und
nach L. de Ni c ö v i l l e (Butt, of Ind. IT, p. 124) auch in Indien, wo alle Weibchenformen vom Männchen
abweichen und der Form Jacintha Dru. entsprechen. 8)
Unter den Satyriden kommt die bekannteste Art der Gattung Elymnias, E . undularis Dru., auf
der Insel Singapur und auf Malacca in der var. discrepans, auf Borneo in der var. nigrescens, auf Timor
in der var. timorensis nur in männchenfärbigen Weibchen vor, während z. B. alle weiblichen Stücke aus
Siam, Vorderindien, Ceylon (var. Protogmia Cr.) vom Männchen durchaus verschieden sind.
Weiter kommt von Papilioniden Pap. Merope L. in Madagascar nur in der monomorphen geschwänzten
Rasse (subsp. Meriones Feld.), vor; in Abessynien bleibt die Art als subsp. Anünorii Oberth.
zwar in beiden Geschlechtern geschwänzt, doch treten neben der männchenfärbigen noch zwei in der
Färbung und Zeichnung durchaus'abweichende Weibchenformen auf, var. niavina und ruspinae Kheil. In
Mittel- und Südafrika endlich kommen weder männchenfärbige, noch geschwänzte Weibchen vor und sind
sämmtliche Vertreter dieses Geschlechts, so z. B. die $ var. ITyppoeoon F., Dionysos Westw. Trophonius
Westw. von dem Männchen so durchaus verschieden, so dass man erst in neuester Zeit, nach den Beobachtungen
T r im e n ’s und W h e a l e ’s, ihre Artzusammengehörigkeit zugestanden hat.
Ebenso besitzt Pap. Turnus L. in den nördlichen Staaten der Union nur männchenfärbige Weibchen.
Mit der Verbreitung der Art nach dem Süden treten nach W a l s h in Nord-Illinois neben einzelnen
') Ausgenommen sind einige besonders flüchtige Formen, z. B. in Enropa Macroglossen nnd Aglia tau L.
2) Wie durch photochemische Reflexwirkung von Seiten der Modelle.
8) Vielleicht dürften die von Dr. S ta u d in g e r (Exot. Schmetterl. S. 137) erwähnten „männchenfärbigen Weibchen“
doch nur zu der - grösseren, besonders während der trockenen Jahreszeit erscheinenden Form der Männchen gehören, worüber
jedenfalls die Untersuchung der Vordertarsen den entscheidenden Aufschluss geben würde.
Bibliotheca Zoologien. Heft VIII.'1"'' 15