Weiter erwähne ich als hierher gehörig den in beiden Geschlechtern vorhandenen Widrigkeitsduft
afrikanischer Acraeen (p. 41)y die starke, nach L. de N i c e v i l l e mehrere Ellen weit bemerkbare Ausdünstung
des P. (Pharm.) Philoxenus, den p. 47 erwähnten Foefcor des P. (P/i.) Philenor. Auch frisch ausgekrochene
Danaer haben oft einen unangenehmen Duft, der sich an älteren Stücken nicht immer feststellen
liess. Von Heteroceren führe ich den auffallend widrigen Duft gewisser Ghalcosnden (p. 37) und
denjenigen der Eusemien (p. 28) an.
Manche Heteroceren setzen noch besondere Schreckmittel gegen ihre Feinde in Anwendung. So
stösst die ergriffene Hyelosia (Pericopid.) nach A. S e i t z 1) „mit einem seltsam quiekenden und brodelnden
Geräusch zwei gelbe Schaumwülste aus der Nackengegend hervor, die, wie der Kukusspeichel, bald das
Thier vollständig umgeben“. Aehnliches in geringerem Maasse zeigt auch Becopeia. 2)
Andere Saftabsonderungen werden nun besonders in der älteren Literatur auch von vielen Tagfaltern
angegeben, so von indischen Danaern (p. 21), „wo sie die Haut gelb färben und einen bestimmten
Duft hinterlassen“, von afrikanischen Acraeen (p. 4 0), wo sie der Hauptträger des Widrigkeitsduftes
sind, und von Arten von Pharmacophagus. Nach dem von mir in Indien untersuchten Material an Banaus,
Euploea, Pharmacophagus bin ich jedoch zu der Ansicht gekommen, die ich schon p. 25 fragweise äusserte,
dass es sich nur um das gelbe, stark ölige Blut der Thiere, das bei den Verletzungen h erv o rtritt, nicht
um das Secret besonderer Drüsen handelt.
Noch weniger als ihre Larven scheinen von den A n g r i f f e n d e r I n s e c t e n f r e s s e r die Falter
zu leiden. Und doch fordert ih r oft schwankender, taumelnder F lu g , ihre meist grosse Schwerfälligkeit,
ihre manchmal gewaltige Menge förmlich zu solchen au f, wie dies A. S e i t z für die neotropische
Acraea Thalia anschaulich schildert. Trotzdem sah er nie einen Vogel eine Acraea verfolgen und fand
nie einzelne Flügel auf dem Boden. Dasselbe wird von T r i m e n (p. 40) für afrikanische Acraeen und
Danaer, von B a t e s und B e l t (p. 58) für die neotropischen Heliconier (im weiteren Sinne) angegeben.
Ich selbst fand nur einmal einen Ban. Plexippus im Netz der in Siam gemeinen Spinne Nephila chrysogaster
Walck. und fing einmal eine mir durch ihren übermässig taumelnden Flug auffallende Eupl. siemensis,
in deren Leib sich eine rothe Arbeiterin („red a n t“) von Formica smaragdula fest eingebissen hatte.
Ebensowenig gelang es mir, Banaus-, Pharmacophagus-, Belias- und Euschema-Arten an meine zahmen
jungen Hühner zu verfüttern.
Nur einmal wurde ich Zeuge des Angriffes eines Vogels auf einen Bmaer. Auf einem Waldwege
vor mir zog ein Banaus septentrionalis langsamen schlappen Fluges dahin, als plötzlich ein anscheinend
junge r Angehöriger der Dicruriden, welche besondere Schmetterlingsfeinde sind, sich von seinem
als Warte dienenden Zweige gegen den F alter stürzte, ungefähr zwei Fuss vor ihm etwas rüttelte und
dann, ohne das Thier anzunehmen, au f seinen Platz zurückkehrte. Auch die siamesischen Sperlinge
(Passer montanus), die absolut nicht heikel sind, sah ich nie einen der genannten so gemeinen Falter
verfolgen. Ebenso wurden sie von gefangen gehaltenen Calotes mystaceus Dum. et Bibr. zurückgewiesen,
einer Eidechse , die ich sonst manchen Schmetterling (besonders Junonien) von den Barleria-Hecken, in
') A. S e itz , Die Schmetterlingswelt des Monte Corcovado (Stett. ent. Zeitung 1890, p. 265).
*) Trotzdem beobachtete ich in Siam mehrere Male, dass Fliegenfänger die schwerfälligen kleinen Spinner
verzehrten.
deuen .sie lauerte, nehmen sah. Auch ich sah nie einzelne Flügel der erwähnten immunen Formen am
Boden liegen, was bei ihrer grossen Häufigkeit auffällig ist. *)
Eine den immunen Schmetterlingen allgemein zukommende Eigenschaft ist neben der relativ
grossen Sorglosigkeit, mit der sie sich fangen lassen, die auffallende L e b e n s z ä h i g k e i t , für welche
ich auf die Angaben auf p. 20, 40, 47 verweise. In der That kann ein fast zerquetschtes Thier nach
einiger Zeit wieder davonfliegen.
Wie alle immunen Tagfalter, fliegen auch die als widrig angesehenen Heteroceren theils freiwillig,
theils durch die geringste Störung aufgescheucht, am T a g e herum, jedenfalls fehlen alle Nachrichten
darüber, dass sie jemals in dunkler Nacht gefangen wurden.2) I n d i e s em F l u g e im h e l l e n T a g e s -
1 i e h t , d e n d i e N a c h a h m e r m i t d e n M o d e l l e n t h e i l e n , l i e g t e i n e w e i t e r e S t ü t z e
f ü r d i e B e r e c h t i g u n g d e r M im i c r y - T h e o r i e .
Ganz entgegengesetzte Verhältnisse finden wir nun bei den nicht durch Widrigkeit des Geschmackes
beschützten und zugleich stärker verfolgten nicht immunen Gruppen der Schmetterlinge.
Hierher gehören von Bhopaloceren die Mehrzahl der Nymphalinen und der Morphinen, die Brasso-
linen, Satyrinen, Libytheiden, Eryciniden, Lycaeniden, die meisten Pieriden, die Untergattungen Papilio
s. str. und Cosmodesmus von Papilio, sowie endlich die Hesperiiden. Weiter rechne ich hierher die Masse
der nur ausnahmsweise, besonders im Männchen, am Tage fliegenden Spinner, aller Eulen, aller Spanner
(mit Ausnahme der indo-australischen Gattung Hazis*) und wohl der meisten, wenn nicht aller, Micro-
lepidopteren.
So bilden die geniessbaren Schmetterlinge an Zahl der Arten den relativ immunen gegenüber die
ungeheuere Mehrheit.
Ihre R a u p e n , die nur zum geringsten Theil giftige Pflanzen (besonders Euphorbiaceen, seltener
Solaneen und Ficus) fressen, aber in nur wenigen Fällen (z. B. für Vögel und Eidechsen) geschmackswidrig
sin d 4), zeigen, wenn sie nicht durch starre Dornen oder lose Brennhaare geschützt sind, meist
eine gelungene Anpassung an ihren Aufenthaltsort, die Rinde (Catocala), den verzweigten Ast (Geometriden)
oder das grüne Blatt, wenn sie es nicht vorziehen, sich in Gehäuse zu verschanzen (Psychiden etc.) oder
tagsüber in der Erde zu verbergen (viele Noctuiden). D u r c h m e i n e b i s h e r i g e n B e o b a c h t u n g e n
i n S i am b i n i c h im A l l g e m e i n e n z u d e r A n s i c h t g e k o m m e n , d a s s d i e j e n i g e n
R a u p e n , w e l c h e s i c h a m s o r g f ä l t i g s t e n v e r s t e c k e n u n d d i e v o l l k o m m e n s t e
S c h u t z a n p a s s u n g z e i g e n , w o h l w e g e n i h r e r b e s o n d e r e n S c h m a c k h a f t i g k e i t am
m e i s t e n .von F e i n d e n a u f g e s u c h t w e r d e n . Denn aus den in Masse eingesammelten Raupen
1 ') Nur H. 0. F o rb e s (Wanderungen eines Naturforschers, übers, v. T e u sc h e r) Jena 1886, Bd. II. p. 12, giebt
an, mehrmals auf Waldwegen die losen Flügel von Pap. (Ornith.) Priamus gefunden zu haben. — Auffällig ist dagegen
die Beobachtung Th. B e l t ’s 1. c. p. 817, dass eine blüthenbesuchende Spinne besonders erpicht auf die „Heliconier“ war
und eine Wespe sie fing, um ihr Nest damit auszustatten. Es wäre vielleicht möglich, dass hier eine Verwechselung der
Modelle mit .ihren Nachahmern vorläge. . .
*) Fälle, in denen diese tagfliegenden Heteroceren durch starkes Licht angezogen werden, kommen hier nicht in
Betracht. Fing ich doch in Bangkok abends sogar irgendwie aufgescheuchte Libellen an der Lampe.
s) Wahrscheinlich sind auch die europäischen Abraxas-Arten in gewissem Grade immun.
') Dahin scheinen ans unserer europäischen Fauna zu gehören nach J e n n e r W e ir DüoU cocmlcocephalu,
Cuoullid rerbasci etc. (Trans. Ent. Soc.. London 1869, p. 21), Aach A. S e ite auch I M trassicae-, (vergl. A. S e ite . Betrachtungen
über die Schutzvorrichtungen der Thiere, Zool. Jahrb., Abth. f. Syst. III. p. 85).