Wir dürfen als typisch wohl die bei den Tagfaltern am weitesten verbreitete, am wenigsten
specialisirte Form der grossen, am Ende vielzackigen, jederseits des Stieles in einen basalen Zipfel (Sinus)
auslaufenden Deck-Schuppen ansehen, welche wir auch bei den Gastnien antreffenl).
Diese scharf ausgeprägte Form fand ich bei fast allen Arten der „ R i n n e n f a l t e r “ 2) (Machaon-,
Nireus-, Pammon-, Dissimilis-, Erithonius-, Eredheus-, Ulysses-, Protenor-, Memnon-, Turnus-, Andraemon-
Gruppe von Papilio). Meist tru g das freie Ende drei bis fünf, seltener sechs Zacken, und war der Sinus
g u t entwickelt. Die einzigen Ausnahmen beobachtete ich b ei P. Troilus L. und Palamedes L., bei welchen
nur wenige Schuppen den Sinus besitzen.
Bei den meisten „ A r i s t o l o c h i e n f a l t e r n “ fand ich meist keine, seltener undeutliche, n u r bei-
der Priamus - Gruppe fand ich deutliche Sinus und ausserdem bis neun scharfe Endzacken (Processus).
Bei P . E e d o r L. und Antenor Dru. sitzen anstatt des Sinus kleine Spitzchen jederseits des Stiels am
Hinterrande der wenig gezackten Schuppen.
Auch die „ S e g e l f a l t e r “ besitzen keinen entwickelten Sinus; die Zahl der Zacken geht über
fünf meist nicht hinaus (Codrus Gr., Policenes Cr.); die Schuppen der Alebion-Glycerion-Gxwppe gleichen
denen von P. Antiphates.
Die Schuppen von Euryades und Eurycus erinnern an die vielzackigen der iZecior-Gruppe, und wie
die der T hais- und Parnassier-Gruppe sind auch die von Teinopalpus ohne Sinus.
Die bei Armandia noch vorhandenen vier bis sechs scharfen Spitzen werden bei Sericinus unregelmässig
und treten bei Thais, Luehdorßa und JDoritis allmälig zurück. Endlich nehmen die Schuppen bei
Parnassms eine eig en tüm lich e ganzrandige Nierenform an, welche an die von Pieriden (.Aporia) erinnert.
So entspricht oft die allmälige Abrundung der Schuppen auch, dem Reductionsgrade des Geäders
in den verschiedenen Gattungen.
D i e G r u n d f o rm e n d e r Z e i c h n u n g .
Jede Veränderung des Geäders ü b t auch ihren Einfluss auf die Zeichnung aus. So richtet sich
z. B. die Stellung eines hellen Fleckes am Gabelgrunde der Radialis der Vorderflügel nach der Länge
des Gabelstiels, welche mit aufsteigender Entwickelung zunimmt, wofür P . Lyd iu s Feld. $ und P . Antenor
Dru. als Beispiel dienen mögen. Ebenso bewirkt ein Zurücktreten der Analfalte eine Vereinigung der
Randmonde und umgekehrt die secundäre stärkere Ausbildung der Intercostalfalten eine Spaltung der
Bindenreste.
Von besonderer Bedeutung für die Erhaltung der Zeichnung is t natürlich die Flügelform. So
bedingt ein Ausschnitt im Analfelde der Hinterflügel die für Segelfalter und Aristolochienfalter typische
Unterdrückung des bei den Rinnenfaltern stets entwickelten Randmondes. Zugleich ist die Elasticität
bemerkenswerth, mit welcher bei einzelnen Formen die constanten Binden sich jeder Veränderung des
Flügelumrisses anpassen, sich mit der Erweiterung der Fläche ausdehnen, mit ih re r Verengerung zusammenziehen.
Ein ausgezeichnetes Beispiel dafür giebt Papilio Evan Dbld., dessen Postmarginalbinde sich genau
.mit der jedesmaligen äusseren Verlängerung des betreffenden Randfeldes ausdehnt. Ebenso bildet bei den
’) Der Vergleichbarkeit der Kesultate wegen wurden stets nur Schuppen aus der Mittelzelle der Unterseite der
Vorderflügel untersucht, auf welche allein sich die nachstehenden Bemerkungen beziehen.
*) Diese Eintheilung von Papilio ist weiter unten begründet.
m -
echten Segelfaltern die Reihe der Marginalmonde auf den Hinterflügeln eine den Randzacken entsprechende
Stufenreihe. Diese Anordnung dehnt sich bei Armandia auf fünf Binden aus, so dass z. B. der Marginalmond
eines Randfeldes in einer Linie mit dem Submarginalmond des folgenden Feldes etc. liegt.
Vor Allem ist durch die Verkürzung des Hinterrandes der Vorderflügel ein Zusammentreten der
Zeichnungselemente gegen den Innenwinkel bedingt. Weiter kehrt, entsprechend der grösseren Zusammenziehung
der Hinterflügelfelder, welche uns die Entwickelungsgeschichte erkennen liess, meist nur ein
Theil der auf den Vorderflügeln entwickelten Randzeichnung auf den hinteren wieder. Zugleich tritt oft
noch eine stärkere Verschmälerung der Aussenrandfläche hinzu, welche die Zeichnungen nach innen
zwängt. Dadurch wird die Continuität der den beiden Flügeln gemeinsamen Bänder oft verwischt, und
häufig setzen sich verschiedene Systeme anscheinend in einander fort. So empfiehlt es sich in schwierigen
Fällen, im Interesse einer befriedigenden Deutung der Binden etc. die Zeichnung am Vorderrande der
hinteren Flügel auch mit der am selben Rande der vorderen zu vergleichen.
Ueber die Zeichnung einer kleinen Gruppe der Gattung Papilio , welche nur die „eigentlichen“
Segelfalter umfasst, gab vor Kurzem E. E im e r eine umfassende Arbeit heraus, stellte darin den nordindischen
P . Alebion Gray als ursprünglichsten Zeichnungstypus hin, auf den sich die Zeichnung aller
Papilioniden zurückführen lasse, und bestimmte letztere durch die bei Giycerion vorkommenden „Längsstreifen“,
deren er elf annahm und vom Aussenrande nach der Basis zu nummerirte.
Es sei mir gestattet, zuerst gegen den Ausdruck der „Längsstreifung“ einzuwenden, dass der Herr
Autor in seinen früheren Arbeiten für die entsprechende Bänderung an den Flügeln der Raubvögel1) und
'so g a r der Schmetterlinge2) immer den Ausdruck Q u e r s t r e i f u n g gebrauchte und dass es sich im
Anschluss an den allgemeinen Sprachgebrauch ebenfalls wieder empfehlen d ü rfte , solche senkrecht gegen
die Wachsthumsrichtung eines Organs, somit gegen seine Hauptachse gerichteten Zeichnungen als „quere“
zu bezeichnen.
Während E im e r die einzelnen Zeichnungselemente, welche er als „Streifen“ bezeichnet, von der
äussersten Flügelspitze bis zur Basis aufsteigend nummerirt, sehe ich mich leider gen ö th ig t, den umgekehrten
Weg der Bezeichnung einzuschlagen, und -folge damit nicht nur einer allgemeiner gültigen
Anschauung, welche besonders für die Betrachtung bilateraler Thiere auch ihre „inneren Gründe“ finden
dürfte, sondern sogar E im e r 3) selbst. Wenigstens zählte derselbe bei der Mauereidechse die Streifen
|des Körpers ebenfalls von der Mittelzone des Rückens nach aussen auf.
Um die characteristische Zeichnung des P . Alebion, welche E im e r seinem Bezeichnungsmodus
zu Grunde le g t, ebenfalls als Schema zu benutzen, kann man auf die elf Streifen zurückgehen, welche
derselbe hier annimmt, muss sie aber natürlich, wie erwähnt, umgekehrt signiren. So zähle auch ich wie
E im e r in der Mittelzelle der Vorderflügel sieben Zellstreifen, von denen ich jedoch im Anschluss an
ihn selbst den sechsten und siebenten besser in e i n e n zusammenfassen zu müssen glaube. Denn die
zwischen ihnen gelegene Binde ist nur in wenigen Fällen vorhanden, während die verschmolzenen Streifen
einen characteristischen und zugleich constanten Zeichnungsfactor bilden. F ü r E im e r ’s Ausdruck
, rT Prof- Dr- E im e r, Ueber die Zeichnung der Vögel und Säugethiere. (Jahresheft des Vereins für vaterl Naturk
Würtemberg, XXXIX, 1883, p. 61 ff.)
*) Ders., Untersuchungen über das Variiren der Mauereidechse. (Archiv für Naturg. 47. Jahrg. 1881, I, p. 452.)
) 1. c. p, 330.