II.
Die Eireifnng und die damit zusammenhängenden Erscheinungen.
Die Reifungserscheinungen des Arthropoden-Eies sind erst in den letzten Jahren Gegenstand
eingehender Untersuchungen geworden.
Wenn durch die Arbeiten von S t u h lm a n n 1) und H e n k i n g 2) die Vermutung erweckt worden,
war, dass an den. mit einem reichen Dotter ausgestatteten Eiern dieser Tiergruppe eigenartige Reifungserscheinungen
ausgebildet sein möchten, so haben die Untersuchungen von B lo c h m a n n 3) und W e i s m
a n n 4) diese Annahme sehr bald als eine irrige erwiesen.
Es hat sich gezeigt, dass an den sehr dotterreichen Eiern d e r Insekten und einzelner Daphniden-
die Reifung durch Bildung von Richtungskörpern in ganz ähnlicher Weise vor sich geht wie bei allen
ändern bisher daraufhin untersuchten Thiergruppen. Im Anschlüsse an diese Ergebnisse theilte ich in
einer kurzen Notiz mit,5) dass ich an den Eiern einer Assel, des Asettus aquaticus ebenfalls eine normale.
Bildung von Richtungskörpem beobachtet hätte. Die genaueren Resultate meiner diesbezüglichen Untersuchungen
erlaube ich mir in der vorliegenden Abhandlung darzulegen.
J e allgemeiner die Verbreitung der hier in Rede stehenden Erscheinungen im ganzen Thier-
reich nachgewiesen wurde, je mehr die Ueberzeugung von der prinzipiellen Wichtigkeit derselben sich
befestigte, um so lebhafter tra t in neuster Zeit die Frage nach den feineren karyokinetischen Prozessen,,
welche dabei eine Rolle spielen, in den Vordergrund des Interesses. An günstigen Objekten ist es inzwischen
gelungen, diese F rag e in sehr befriedigender W^eise ihrer Lösung entgegenzuführen. Nichtsdestoweniger
erscheint die Forderung nach einer möglichst vielseitigen Bestätigung und Prüfung der gewonnenen
Ergebnisse durch Beobachtungen an anderen Thiergruppen als durchaus berechtigt.
Unter den dottereichen Eiern der Arthropoden kann dasjenige von Asellus aquaticus vielleicht
als eines der günstigeren Objekte für derartige Untersuchungen betrachtet Werden. Wenn auch durcli
den stark angehäuften Nahrungsdotter und die dadurch bedingte Undurchsichtigkeit der Eier, welche
*) S tu h lm an n . Die Reifung des Arthropodeneies. Ber. d. naturf. Ges. zu Freiburg i. Br. Bd. I. 1886.
*) H en k in g . Untersuchungen über die Entwickelung des Phalangideneis. Zeitschr. f. wiss. Zool. XLV. 1887,
8) B lo chman n . Ueber die Richtungskörper bei Insecteneiera. Morph. Jahrb. XII. 1887.
*) W e ism an n und Is ch ik aw a . Ueber die Bildung der Richtungskörper bei thierischen Eiern. Bericht der
naturf. Ges. zu Freiburg i. B. III, 1887.
e) Zool. Anzeiger 1887, p. 533.
ein Zerlegen in Schnitte [nothwendig macht, d e r Untersuchung dieselben Schwierigkeiten in den Weg
gelegt werden wie bei den meisten Arthropodeneiern, so sind andrerseits die Richtungsfiguren verhältniss-
mässig gross und durch eine geringe Zahl und übersichtliche Anordnung der chromatischen Elemente
ausgezeichnet. Diese Umstände bestimmten mich, auch die karyokinetischen Vorgänge, soweit es möglich
war, an den mir vorliegenden Präparaten zu verfolgen.
Andererseits haben speziell bei den Isopoden gewisse Vorgänge am mütterlichen Organismus,
welche die Eireifung begleiten, durch die Untersuchungen von S c h ö b l 1) und F r i e d r i c h 2) an Onisciden
neuerdings besonderes Interesse gewonnen. Es wird somit auch die Frage zu erörtern sein, in wie fern
den von jenen Forschern geschilderten merkwürdigen Vorgängen eine allgemeinere V erbreitung unter den
Asseln zuzuerkennen ist.
Die hier gegebene Darstellung beschränkt sich vorwiegend auf Asellus aquaticus. Da derselbe
leicht in reichlicher Menge zu beschaffen ist und ohne Schwierigkeit in der Gefangenschaft fortpflanzungsfähig
erhalten werden kann, bietet er alle Vortheile, welche zu einer derartigen Untersuchung wünschens-
werth sind.
Ich gehe zunächst auf die Umgestaltungen am weiblichen Organismus ein, welche der Eireifung
theils vorausgehen, theils dieselbe begleiten.
D i e B i l d u n g d e s B r u t r a u m s .
Zur Zeit der Geschlechtsreife treten bei den weiblichen Asseln eigenthümliche lamellöse Anhänge
a n . der Basis einzelner Thorakalbeinpaare auf, welche unterhalb der Brust eine geräumige, zur Aufnahme
der sich entwickelnden Eier bestimmte Bruthöhlung abschliessen. Diese sogenannten Brutlamellen haben
sich in allen Familien der Isopoden, abgesehen von einigen auch sonst sehr abnorm gestalteten Formen,
als charakteristische Schutzorgane der Brut nachweisen lassen. Indessen sind über die feinere Struktur
und die Entwicklung derselben bisher nur wenige und unzureichende Daten bekannt geworden.
Was zunächst die Entwicklung dieser Organe anbetrifft, so h at erst neuerdings F r i e d r i c h 3)
einige au f die Familie der Onisciden bezügliche Angaben veröffentlicht. Hiernach legen sich dieselben
ursprünglich als Verdickungen der Chitinogenmembran an. Bei geschlechtsreifen Weibchen liegen sie
als fertig- gebildete Organe zusammengefaltet in der Lücke zwischen der Hypodermis und der Cuticula
der Brustsegmente eingeschlossen, bis sie durch eine Häutung kurz vor der Eiablage enthüllt werden.
Bei Asellus aquaticus nimmt die Entstehung dieser Organe einen etwas abweichenden Verlauf.
Bereits bei ganz jugendlichen Weibchen, deren Ovarien in den ersten Stadien der Dotterbildung begriffen
sind, wölbt sich die Hypodermis an den späteren Ansatzstellen der Brutlamellen zu kleinen Erhebungen
vor, und diese wachsen zu kurzen, schmalen nach d e r Medianlinie des Körpers gerichteten Fortsätzen
aus, welche unter der zarten Chitinhaut der Brustsegemente schon bei äusserlicher Betrachtung des Thieres
sichtbar sind. Wie der in F ig. 1 (Taf. III) abgebildete Querschnitt erkennen lässt, sind diese Fortsätze nicht als
blosse Verdickungen der Haut zu betrachten, sondern als Ausstülpungen, als Duplikaturen der Hypodermis,
deren inneres lumen mit der Leibeshöhle in offener V erbindung steht. Ausserdem bemerkt man am Quer*)
Schöbl. Die Fortpflanzung isopoder Crustaceen. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 17.
*) F r ie d r ic h . Die Geschlechtsverhältnisse der Onisciden. Inaug.-Diss. Halle. 1883.
3) F r ie d r ic h , 1. c.