menten gerade ihm um so interessirter nachstellen müssen, wenn die übrige Fluggenossenschaft für sie
ungeniessbar geworden wäre.“
Hätte S c h i l d e seine Behauptungen an einer grösseren Sammlung prüfen können, würde er seinen
ersten Einwurf gegen die Möglichkeit einer gradweisen Anpassung zurückgezogen haben, denn,.wie wir im
descriptiven Theile unserer Arbeit so oft angedeutet haben, kann man noch unter den heute gleichzeitig
lebenden Arten die allmählige Ausbildung der Anpassung in einer Reihenfolge nachweisen, die auch für
ihre Entstehung gelten dürfte. Bei den vielgestaltigen Weibchen des Rinnenfalters P. Memnon, welche
noch heute im Kampfe ums Dasein stehen, lässt sich dieser Process der mimetischen Umbildung, wie er
i n n e r h a l b e i n e r A rt stattgefunden hat, besonders gut verfolgen. Die geringe aber doch vorhandene
Aehnlichkeit, welche die Zeichnung der Hinterflügelunterseite mit derjenigen der P r ia p u s -G m ^ e der
Aristolochienfalter h a t, wurde zuerst gewissen Weibchen, in deren Verbreitungsgebiet der Ph. Priapus
häufig war, dadurch von Nutzen, dass sie, wie wir dies bei Rückschlagserscheinungen auf den Flügeln so
häufig fanden, auch auf der Oberseite der Hinterflügel erschien, während die Vorderflügel sich secundär
verdunkelten. So erinnert die ursprünglichste Weibchenform der Inselrasse Laomedon Cr. in der That noch
etwas an den seltenen Ph. Priapus Cr. (Java, Sumatra). Auch in der Continentalrasse lehnte sich das
Weibchen ursprünglich an das der Männchenform ähnlichste rein continentale Modell, an den je tz t seltenen
Ph. Astorion Westw. Hew. an, denn die var. Esperi Butl. besitzt noch blaubespritzte Hinterflügel wie das
Männchen, während die des Modells einen bläulich schwarzen Glanz haben. Auch die übrigen von
P. Memnon bekannte Weibchenformen sind in gewissem Grade durch ihre mimetische Anpassung geschützt,
bis endlich Varietäten wie var. javanus und var. Agenor Cr. den Uebergang zu den jüngsten mit kräftigem
Hinterflügelschwanz versehenen Endformen von Achates und Achatiades bilden, welche Arten der Doabledayi-
oder Jqphon-Gr. in Färbung und Flügelform gleichen.1)
Weiter ist zu bedenken, dass die Schmetterlinge sicher seit längerer Zeit nur einen Nebenbestand-
theil der Insectenfresser-Nahrung bilden und dass neben den mimetischen Arten und den widrigen Modellen
immer noch die Hauptmasse auch der Tagfalter (besonders der Pieriden und Nymphalinen) aus schmackhaften
Formen bestand, so dass keine besondere Aufmerksamkeit der Schmetterlingsfeinde auf die im
Anfänge mimetischer Anpassung stehenden Arten nöthig wurde, die zudem ihren Modellen' gegenüber
äusserst selten waren.
Gegen S c h i l d e ’s weiteren2) Einwand, „dass auch die Instincte der Verfolger durch Stadien der
Erfahrung vererbt werden müssten, die das den Vorfahren einst durch Irrthum widrige Mahl längst als
acceptabel lehrten und erkannten“, verweise ich auf die Darlegungen Fr. M ü l l e r ’s, für welche auch die
von ihm gefangenen und mir gütigst übersandten Acraeen und Neotropinen mit deutlichen Bissspuren an
den Flügeln sprechen. Nach Fr. Mü l l e r sind es besonders junge Vögel, welche die widrigen Bissen erst
durch Erfahrung kennen zu lernen haben. Dass aber selbst junge Vögel allmählig den immunen Falter
besser kennen lernen, so dass sie ihn schon aus der Nähe von geniessbaren unterscheiden, ohne ihn anzunehmen,
geht aus der an einem jungen Dicrurus gemachten Beobachtung (Seite 105) hervor. Schliesslich
kümmern sich dann die erwachsenen Vögel um die sie umschwärmenden Danaer, Acraeen, Neotropinen,
Heliconier etc. nicht mehr. Da nun die Schmetterlinge zur Zeit keine Hauptnahrungsobjecte der Vögel
*) So kommt bei -Bangkok, wo das Weibchen von P. Memnon viel seltener .ist als das überans flüchtige Männchen
ansser der var. Achatiades, als deren Modell hier der etwas kleinere Ph. aristolochiae var. diphilus zu gelten hat, noch sehr
selten die vorbereitende Varietät Agenor vor, obwohl ihr ursprüngliches Modell (PA. Zaleucus Hew.) durchaus fehlt.
2) J. Schilde, gegen pseudodoxische Transmutationslehren, Seite 11.
mehr bilden, braucht sich der vor den geschmackswidrigen Faltern warnende Trieb als irrelevant auch
nicht zu vererben, zumal unter den Schmetterlingen wehrhafte Thiere, welche dem Angreifer gefährlich
werden können, vollkommen fehlen.
Gegen S c h i l d e ’s Behauptung,1) dass dem nachahmenden Weissling sein altbewährtes Kleid nicht
nützlicher als ein fremdes Habit werden kann, führe ich einfach die zahlreichen bereits mitgetheilten Beobachtungen
über immune Tagfalter an, die alle darin übereinstimmen, dass die letzteren in der That vor
den Angriffen der Insectenfresser r e l a t i v in hohem Grade gesichert sind. Dass sie in keinem Stadium
Feinde haben, ist nicht allgemein wahrscheinlich,2) sicher aber sind sie als Falter in höherem Grade immun
als andere Schmetterlinge, so dass schmackhaftere Arten von der Aehnlichkeit mit ihnen e i n e n V o r t
h e i l h a b e n müss e n .
Dass die Zahl der widrigen Arten aber ewig dieselbe bleibt, wie S c h i l d e behauptet, ist durch
unsere Untersuchungen über die Anpassungen zwischen immunen Faltern sehr unwahrscheinlich gemacht.
Gerade bei den immunen Tagfaltern, deren Raupen meist auf eine bestimmte Pflanzengattung
als Nahrung angewiesen sind, ist durch die Ausrottung der letzteren (z. B. durch Cultur), ein allmähliges
Aussterben der Modelle bedingt, wenn die Art nicht auswandert oder, was unwahrscheinlicher ist, sich
einer neuen Nahrungspflanze zuwendet.
Kommen wir noch auf den letzten auch von Dr. S t a u d i n g e r 3) aufgenommenen Ein wand S c h ild e ’s
gegen den Vortheil mimetischer Anpassung, welcher lau te t4) : „die Darwinianer melden übrigens und zwar
ohne eine Erklärung dafür zu geben, dass die nachäffenden Formen immer nur sehr selten unter den zahlreichen
Individuen der wirklich geniessbaren Arten Vorkommen. Nun eine Immunität der nachgeahmten
Falter als vorhanden angenommen, so wäre die Erklärung: die Nachäffung hat den naturzugewiesenen
Consumenten gegenüber keine Bedeutung, die Mimicry wird erkannt oder mittelst geeigneter Sinne
(Geruch)5) gar nicht als solche estimirt und die Seltenheit der geniessbaren Nachäffer entsteht durch die
den Gegnern derselben aufgenöthigte, besonders intensive Aufsuchung dieser geniessbaren Falter unter den
ungeniessbaren. “ Dagegen habe ich nur kurz einzuwenden, dass die aus starker Verfolgung etc. entspringende
Seltenheit und daraus drohende Gefahr für die Erhaltung einer Art es allerdings ursprünglich war, welche
die Anpassung zuerst des selteneren und daher für die Arterhaltung wichtigeren Weibchens veranlasste,
dass aber unter günstigen Lebensbedingungen die mimetische Form besonders bei in beiden Geschlechtern
dem Modell angepassten Arten doch relativ häufig, in m a n c h e n F ä l l e n s o g a r h ä u f i g e r al s das
Mo d e l l w e r d e n k o n n t e .
Die Unbeständigkeit der äusseren Existenzbedingungen, welche besonders für die früheren Stände
der schmackhaften mimetischen und der als Modell dienenden immunen Arten d u r c h a u s v e r s c h i e d e n
u n d z u g l e i c h u n a b h ä n g i g v o n e i n a n d e r sind? e r l a u b t s o g a r n i c h t e i nma l eine dauernd
constante Proportion der Individuenmenge beider Arten. So gibt es denn auch mehrere schmackhafte
*) J. Sch ild e, antidarwinistisclie Skizzen C. c. Seite 343.
^ 2) Von Pharm. Philenor, Acraeen, Heliconiern, Neotropinen sind, soviel ich in der Literatur fand, zur Zeit noch keine
Feinde der Jugendstadien bekannt.
3) Dr. Staudinger, exot. Schmetterlinge Seite 6.
4) J. Schilde, antidarwinistische Skizzen C. c. Seite 344,
B) Bekanntlich tritt bei den Vögeln gerade der Geruchssinn gegen den des Gesichts bedeutend zurück, wie besonders
die Experimente mit Aasgeiern zeigen.