
Augenzeuge dieser schrecklichen That gewesen
war, unterhielt uns mit einer ausführlichen Erzählung
davon.
Ich fand hier für die kurze Zeit unsers Aufenthalts
hinreichende Beschäftigung, denn es hatten
sich viele Kranke und Gebrechliche aus der
Gegend eingefunden, die meinen Rath und Hülfe
begehrten. Wunderbar ergriff mich die Anrede
der Mehrsten, indem sie mich mit gläubigem Vertrauen
auf die Unfehlbarkeit meiner Kunst, „M e i s
t e r “ titulirten und mir, durch eine sehr natürliche
Erinnerung an die Wunder des Evangeliums,
die eigne Ohnmacht recht fühlbar machten *).
Dazu waren die Mehrsten mit langwierigen, tief
eingewurzelten Uebeln behaftet,O ' die selbst e•ine
fortgesetzt sorgfältige Behandlung schwerlich geheilt
haben würde. Ueberhaupt sind chronische
Beschwerden in der Colonie unverhältnifsmäfsig
viel häufiger als hitzige. Bei weitem der gröfste
Theil der Frauen in den entlegenem Districten
leidet an hysterischen Beschwerden, die bei einer
sonderbar widersinnigen Behandlung, die man dagegen
anzuwenden gewohnt ist, oft einen furchtbar
hohen Grad erreichen' und sogar zuweilen
hectischen Tod bringen. Dann sind in dieser Gegend
Steinbeschwerden eine gewöhnliche Plage der
*) Die holländischen Schiffs Chirurgen heifsen in der Schiffersprache
: Me e s t e r , und dieser Name ist mit vielen ändern
Schiffer-Ausdrücken in die Colonistensprache übergegangen.
Dasselbe ist, wie E d w a r d s in seiner trefflichen Beschreibung
der englischen Besitzungen in'Westindien bemerkt, auch in
den dortigen Colonien der Fall.
Männer, welches vielleicht dem durchgehend»
schlechten Trinkwasser und dem Mangel an geistigen
Getränken zuzuschreiben ist. In den Gpr
genden, wo guter Wein wächst oder wohlfeil zu
haben ist, kennt man dieses Uebel durchaus nicht.
Die venerische Krankheit kommt unter den Weifsen
höchst selten vor, erreicht dann aber, bei der Unbekanntschaft
mit einer zweckmäfsigen Heilart, einen
fürchterlichen Grad von Bösartigkeit. Häufiger
lindet man sie unter den Hottentotten, bei
denen sie (auffallend genug) nie so sichtbar zerstörend
wirkt.
Nächst diesen Krankheiten sind rheumatische
Zufälle und Gicht-Beschwerden die allgemeinsten
und durch die ganze Colonie verbreiteten Uebel.
Doch werden sie mit Hülfe des milden Glima’s-
durch die dagegen üblichen einheimischen Mittel
und den Gebrauch der natürlichen warmen Bäder
leichter besiegt, als jene. Kinder leiden viel an
Bräune und Gichtern, aufser diesen sind aber auch
fast keine Kinderkrankheiten bekannt. Scrofeln
kommen sehr selten vor und die Blattern haben
nie in dern Innern der Colonie geherrscht. Ueberhaupt
kennt man wenig hitzige Krankheiten und
die Fieber erreichen unter den Golonisten nie den.
Grad von Bösartigkeit als in Europa, oder unter
den eingewanderten Europäern.
Wie grofs aueh unser Vorrath von Arzneien
war, so würde er dennoch nicht hingereicht haben,
wenn alle Hülfesuchenden nach Erfordernifs
hätten versehen werden sollen. Ich war daher
bald genöthigt, mich mit den Heilkräften der