
Willfcühr aller Handlungen, dafs bei aller Einfachheit
und Reinheit der Sitten, bei aller Unbekanntschaft
mit den grdbern Lastern der europäischen
Völker, der africanische Pächter dennoch viel
öfter von einer verwerflichen als von lobenswer-
then Seiten sich darstellt. Selbstsucht, Gesetzlosigkeit,
Hartherzigkeit, Unverträglichkeit und Rachsucht
sind die vorherrschenden Flecken in seinem
Character, die wohl schwerlich durch Genügsamkeit,
Sparsamkeit, Treue, Gastfreiheit und Religiosität
aufgewogen werden. Am verabscheuungswürdigsten
erscheinen Einzelne durch die Härte,
mit welcher sie ihre Sclaven und Hottentotten
behandeln, Andre durch die Erbitterung und Unversöhnlichkeit,
mit welcher sie sich unter einander
anfeinden. Es geht ein unglücklicher Gebrauch
im Schwange, der nemlich, jede persönliche
Verunglimpfung, jede nachtheilige Aeufse-
rung, jeden Eingriff in die vermeintlichen Rechte
durch schriftliche Zeugnisse mehrerer Personen sich
bestätigen und bekräftigen ¡zu lassen, um den Beleidiger
damit, oft nach Jahren noch, gerichtlich
verfolgen zu können. Jeder Golonist hat ein
grofses Paket solcher unnützen Papiere und sammelt
deren fortdaurend, um diesem öder jenem
seiner Feinde gelegentlich damit schaden zu können.
Ein jeder Privatstreit wird so die Sache
einer ganzen Gemeinde, indem Alles was nur
schreiben kann, für die eine oder andre Partei
eine sogenannte Verklaaring liefern mufs, in welcher
oft weiter nichts bezeugt wird, als dafs dieser
oder jener einen ändern einen gottlosen Kerl
genannt, oder hinter seinem Rücken übel von
ihm geredet habe. Dem Gouverneur, wie dem
General-Commissär, wurden auf ihren Reisen
solche Erklärungen in unglaublicher Anzahl überreicht,
aber nirgends mehr als zu Graaff-Reynett.
Ein jeder hat hier seine Feinde und führt gegen
irgend einen ändern, es sei nun ein Mitglied der
Regierung oder eine Privatperson, bittere Klagen,
niemand erkennt das eigne Unrecht und gerade
die, welche der Vergebung am mehrsten bedürfen
, schreien am lautesten über Bedrückung und
Verfolgung. Obgleich von der Regierung eine
allgemeine Amnestie erklärt und das Andenken an
alle Missethaten, die ihren Grund in einer politischen
Meinung hatten, vertilgt war, so liefen doch
noch täglich Anklagen ein, in welchen einer den
ändern dieses oder jenes aufrührerischen Schrittes
beschuldigte, oder das Betragen der vormaligen
Landdrosten gehässig darzustellen suchte.
So verwickelten und tief liegenden Uebeln
konnte nicht auf der Stelle abgeholfen werden.
Der Gouverneur begnügte sich daher, auf seiner
Reise den Zustand der Colonie Graaff-Revuen
aufs genaueste kennen gelernt zu haben, ermahnte
aufs nachdrücklichste zur Ruhe und Eintracht,
suchte vorläufig einige Ordnung in den Gang der
Regierungsgeschäfte zu bringen und berathschlagte
nach seiner Zurückkunft in der Capstadt mit dem
General-Commissär ernstlich über die Mittel zur
Abheilung der gegenwärtigen und zur Vorbeugung
künftiger Uebel. Die Ausführung der in dieser
Hinsicht genommenen Beschlüsse war einer der
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