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■was seit so langer Zeit von dem Edelmuthe und
dem Verstände des Löwen erzählt ist, so dünkt ^
mich darf man das eben Erzählte, das in der That
Yiel glaublicher ist, als hundert ähnliche Geschichten,
wohl kaum bezweifeln. Ich habe es aber um
so lieber aufbewahren wollen, da es mir den Löwen
afe Thier besser zu characterisiren scheint,
als die Geschichte von dem Löwen des Androd
e s und so manche andre von ähnlicher Art *).
Vormals als es der Löwen noch mehr gab und
die Golonisten noch nicht so ganz darauf ausge- |
lernt waren, stellte man grofse gemeinschaftliche jjj
Jagden auf einen Löwen an, suchte ihn in die
Ebene zu locken und schloss, einen grofsen Kreis
um ihn her. So wie er an einer Seite durch-
brechen wollte, ward von der entgegengesetzten
auf ihn geschossen, und indessen er sich nun zor- |
nig dorthin wandte, trafen ihn von der Rechten
und Linken soviel Kugeln , dafs er fiel. Jetzt aber
geht man selten anders als selbander auf die Lö-
¥) Ich kann es mir nicht versagen, hier an eine Fabel zu
erinnern, die man bei Leo. A fr i c a i i u s lieset und- die in dem |
eben Erzählten vielleicht ihre Erklärung findet. Denn eine Erklärung
verdienen und bedürfen ja Wohl alle Fabeln, da ihnen
doch meistens irgend etwas Wahres zum Grunde liegt. Hier
L e o ’ s 'Worte, wie sie sich heim Rat n u s i o (fol. ga.) finden:
}lo inteso da moiti huomini e donne che, guando avtdenne,
che una Jemina s’abbatta sola in luogo rimoto in uno di |
guesti leani, mostrandogli etia la sua natura, il ieone subito
grida f o r t e e al bassando gli ocehi sc ne va via. Ciascuno
c reda guello, che gli parel — Wenn hieran überhaupt etWas
ist, so wäre wohl nach dem Obigen das Stillestehn des Frauenzimmers
allein als die Ursache anzusehu, warum der Löwe
entfliehu —>
wenjagd, und recht fertige Schützen, die ihres
Schusses gewifs sind und sich darauf verlassen
können, dafs ihr Gewehr nicht vertagt, wagen es
auch wohl, ganz allein die Spur eines Löwen zu
verfolgen und ihn in seinem Schlupfwinkel aufzusuchen.
Gefährlich bleibt ein solches Unternehmen
allerdings und man erlebt häufige Unglücksfälle
der Art. Hier nur ein Paar Beispiele statt
vieler. Der Veld-Commandant T ja a rd van der
W a lt (derselbe der im Kaffernkriege sein Leben
verlor) und sein noch jetzt lebender Bruder Johannes,
verfolgten nicht weit von ihren Wohn-
plätzen am östlichen Abhange der Schneeberge die
Spur eines grofsen Löwen, der unter ihren Heer-
den vielen Schaden angerichtet hatte, und fanden
ihn endlich in einer mit rauhem Gebüsch bewachsenen
Schlucht- Sie nahmen ihre Stellung zu beiden
Seiten des Ausgangs und schickten ihre
Hunde hinein, um den Löwen herauszujagen. Das
glückte denn auch, der Löwe stürzte nach der
Seite des letzgenannten Bruders hervor, legte sich
zum Sprunge und ward von ihm geschossen. Unglücklicher
"SVeise hatte aber der Schufs nicht
recht getroffen, sondern nur das Ohr und die eine
Seite der Brust gestreift. Nach einer kurzen Betäubung
von wenigen Secunden erhohlte sich das
Ungethüm und stürzte nun wtithend vor Schmerz
mit solchem Grimme auf den Jäger, dafs er kaum
Zeit hatte sich aufs Pferd zu werfen und noch einen
Versuch zum Entfliehen zu machen. Aber in
wenigen Sätzen hatte ihn der Löwe ereilt j war
dem Pferde auf den Rücken gesprungen, das nun
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