
gann nemlich jeden Morgen nach Aufgang der
Sonne mit dem Singen eines Psalms und dem
Lesen eines Capitels aus der Bibel. Nicht nur
die Kinder sondern sämtliche Sclaven und Hottentotten
mufsten dabei zugegen sein und von
den letztem wufsten die mehrsten, besonders die
"W eiber die beliebtesten Psalmen auswendig und
sangen sie in schneidendem Discant mit. Dann
wurden die Heerden ausgetrieben, die Hirten
bekamen ihre Portionen rohes Fleisch zugetheilt
und nach dem Frühstück ging ein Jeder an seine
Arbeit. Wenn Abends die Heerden zurückgekehrt
und eingezählt und die Flirten aufs Neue
bekösigt waren, versammelte sich das ganze Gesinde
aufs Neue im Hause. Zuerst erschien eine
Hottentottin, mit einem grofsen Gefäfs voll Wasser,
die sämtlichen Mitgliedern der Familie vom
Hausvater bis zum kleinsten Kinde die Füfse
wusch. Dann ward ein Tisch in die Mitte gerückt,
um den sich Alles was Christ war setzte;
Sclaven und Hottentotten huckten sich wieder
wie des Morgens an den Wänden umher auf die
Erde und der Vater las eine Betrachtung aus einer
seiner alten Postillen vor, auf welche wieder
das Singen eines Psalms und endlich der
Abendsegen folgte. Ausserdem ward Sonntags
Morgens noch ein feierlicher Gottesdienst gehalten
und jedesmal eine recht lange Predigt verlesen.
Da ausser diesen Postillen kein andres
Buch im Hause war als die Bibel und man mich
vorzugsweise nur in dieser lesen sah, so hielt
man mich bald nicht nur für einen sehr frommen,
sondern auch gottesgelehrten Menschen und
machte mir bald den Antrag, die Abendvorlesung
zu übernehmen und (wie es die durchreisenden
Missionäre zu thun pflegten) den versammelten
Familiengliedern ein Gapitel aus der Bibel frei
zu erklären. Ich war dazu um so bereitwilliger,
da mir die alterthiimlich pietistischen Predigten
längst ein Argernifs und langweilig gewesen waren
und da ich bei Darlegung meiner eignen religiösen
Ansichten offenbar selbst mehr Erbauung
und Unterhaltung finden mufste. Ich wählte denn
absichtlich solche Stellen der Bibel, die mir Gelegenheit
gaben, die kopfhängerischen Grundsätze
der Missionäre auf eine unmerkliche Weise
zu bestreiten oder darauf aufmerksam zu machen,
wie ohne Nächstenliebe, Verträglichkeit und andre,
den africanischen Golonisten fehlende Tugenden
keine wahre Frömmigkeit bestehn und
man nicht hoffen könne, durch blofse Demuth
Gott wohlgefällig zu werden. Ungeachtet dieser
oft sehr dreist ausgesproehnen Äusserungen, hatte
ich das Vergnügen zu bemerken, dafs meine Vor-
trägö gefielen und den auffallendsten Beweis davon
fand ich darin, dafs bald sich auch die Nachbaren
zu unsern Abendandachten einfanden und
mir mit Aufmerksamkeit und Beifall zuhörten.
Ich mufste oft bei mir selbst lächeln, wenn ich
bedachte, wie seltsam ich, als deutscher Lutheraner
zu der Stelle eines holländisch reformirten
Vorlesers gelangt war. So grob unwissend und
unduldsam sind aber diese Menschen, dafs auf
die blolse Erklärung, ich sei Lutheraner, Alle mit