III. Kapitel.
Sobald, wir aus dieser Schlucht hinausgetreten waren, änderte
sich der Charakter der Landschaft gänzlich, und durch
ein liebliches Thal gelangten wir auf eine grössere Ebene, in
der Entfernung von höheren Bergen umgeben, unter denen
Djebel Mssld, mit einer „Sauya” Kloster — gekrönt, sich
durch seine Höhe und Gestalt auszeichnet. Es ist eigen-
thümlich und für die alte Kulturgeschichte dieser Gegenden
überaus interessant, dass die zwei ausgezeichnetsten Berge,
welche Tar-hönä, der eine im Westen, der andere auf der
Ostseite, begrenzen, gleichen Namen haben, und zwar einen
Namen, der sie augenscheinlich als alte religiöse Verehrungsstätten
darstellt. Beide Berge haben eine grossartige, imposante
Kuppenform, aber der westliche hat eine- regelmässi-
gere Gestalt. Leider hatte ich keine Zeit, auch die östliche
Kuppe zu besteigen, von der eine weitumfassende Aussicht
sich darbieten muss. Der fette Weidegrund, dessen sich die
Heerden in diesen Ebenen erfreuten, machte es ihren Eignem,
den Mehaedi, möglich, uns mit einem Trunk sehr
schöner, frischer, saurer Milch zu erquicken.
An der Stätte eines alten Dorfes;
am Bande eines kleinen Regenbaches,
fand ich nebenstehendes merkwürdige
Beispiel von aufrecht stehenden
Pfeilern mit dem Kämpfer, bemer-
keUswerth durch ihre Höhe sowohl,
als auch durch die rohe Skulptur
eines Ungeheuers, welches auf dem
höheren Theile des einen der beiden
Pfeiler zu sehn ist. Ungefähr 1000
Schritt hinter dem Regenbache, Namens
Ksaea, hatten wir dann zur
Rechten ein grosses Gebäude aus
Quadern, etwa 60 Schritt in’s Gevierte, und hier, in den
Ruinen dieses Gebäudes — entschieden ein alter Tempel —
L
Ausflug um Tripoli. 79
sah man sechs Paare dieser Afrikanischen Cromlech’s, aber
einige von ihnen gegenwärtig am Boden liegend. Durch alle
diese Beispiele ist vollkommen erwiesen, dass diese Bauten
nicht zu Eingängen oder Portalen bestimmt sein konnten;
denn der Raum zwischen den aufrechten Steinen ist so eng,
dass nur der schlankste Mensch sich eben Mnd'urchpressen
könnte. Andere Ruinen liessen wir zur Linken.
Hier traten wir in die Bergkette ein,, welche die natürliche
Grenze bildet zwischen den Landschaften Tar-höna und
Meselläta und zwischen den Scenen nomadischen Lebens und
fester städtischer Siedelungen, wenigstens, in gegenwärtiger
Zeit. Denn dass Tar-höna im Alterthume voll Dörfer gewesen
ist, wird klar aus der Menge Ruinen, die über seine
Oberfläche zerstreut sind. Der höchste Theil der den Tar-
höna von Meselläta scheidenden Bergkette gruppirt sich rund
um Djebel Mssld und blieb uns zur Linken; die Höhen zur
Rechten senkten sich allmählich hinab..
Die Breite der Kette ist sehr gering, und wir -gewannen
unmittelbar einen Blick über die Landschaft vor uns, welche
einen so ganz verschiedenen Charakter von derjenigen hatte,
die wir eben verliessen, indem sie uns die von ihren Olivenwäldchen
umgebene' Burg Meselläta zeigte. Alterthümliche
Wohnstätten sind hier mit neuen, aus Steinhäusern bestehenden
Dörfern untermischt.
Nachdem wir ein Dorf, Namens Fatir, zur Linken gelassen
hatten, das in einer südwestwärts sich hinabsenkenden
Schlucht liegt, erblickten wir bald zu unserer Rechten eine
kleine alte Festung, Namens Kasr Saäde, etwa 20 Schritt
ins Gevierte und aus grossen, unregelmässigen Steinen auf
einem Hügel erbaut. In einer Senkung am Fusse dieser
Burg sah ich die erste Olivenpflanzung und den ersten zu
Meselläta gehörigen Fruchtgarten. Von hier an folgen sie
einander in kurzer Unterbrechung.
Eine kleine Anhöhe mit einem schönen Olivenwäldchen