Richtung nach dem Wadi Ghodua zu und vereinigt sich später
dann mit ihm. Indem ich dieser Richtung folgte, kam ich an
einen armseligen Weiler, Namens Märhaba, von nur wenigen
Familien bewohnt, welche die bittersten Klagen über ihre Ar-
muth laut werden Hessen. Auch hier stand früher ein Dorf,
das aus Lehm gebaut war und eine Burg hatte, 65 Schritte
in’s Gevierte. Dies Alles ist nun verlassen und nur ein kleiner
Theil des urbaren Bodens wird bebaut, etwa sechs bis sieben
Kunstfelder. Dasselbe Bild des Verfalls und gänzHcher Verarmung
stellt sich dem Reisenden in allen Orten Fesäns dar,
da die einzigen Orte, welche noch einigermassen das Ansehn
von etwas Wohlhabenheit und Leben haben, Sokna und
Mursuk sind.
In der That klingt es fast unglaubHch, wenn man sagt,
dass diese weite Provinz, die allerdings zum grössten Theile
aus unfruchtbarem Boden besteht, aber doch auch zahllose
sehr schöne Kulturflecken enthält und eine so überaus günstige
Lage für Handelsbeziehungen mit den verschiedensten
Gegenden dieses Erdtheiles hat, gegenwärtig eine Bevölkerung
von weniger als 60,000 Seelen ernährt*). :
Die Mittagshitze war schon eingetreten, als ich nach unserem
Zelte zurückkehrte, wo ich hoch erfreut war, mehrere
GHeder unserer Kafla ankommen und so die Aussicht eröffnet
zu sehn, dass wir bald nach jenen unbekannten und interessanteren
Gegenden aufbrechen würden. Mohammed ei
Ssfaksi, ein etwas abenteueriicher Mann, der sich vielfach
umhergetrieben und mit dem jetzt Gagliuffi eine gemeinschaftliche
Handelsspekulation nach dem Sudan eingegangen
hatte, war schon angekommen und am Nachmittag kam auch
das Boot; am folgenden Tage traf Yussuf Muckeni, Herrn
Richardson’s Dolmetscher, mit dem Reste des Gepäckes ein.
*) Die Bevölkerung scheint sich demnach seit Captain Lyon’s Zeiten um
wenigstens 10,000 Seelen vermindert zu haben.
So kam allmähhch Alles an seinen rechten Platz und nur noch
die Tuareg-Häuptlinge fehlten, um den ganzen Zug in Bewegung
zu setzen. Wir verschafften uns daher noch eine Ladung
Datteln von Aghär, und indem wir alles Materielle vorbereiteten,
machten wir uns zugleich geistig auf die Anschauung
neuer Dinge und die Ertragung schwieriger Verhältnisse gefasst.
Denn wo wir die Ersteren zu finden hofften, mussten
wir auch die Letzteren erwarten. Kein Europäer besucht je
ein neues Land, ohne zahllosen Schwierigkeiten und Entbehrungen
sich auszusetzen. In der ernsten Stimmung, in der
wir uns befanden, als wir nun endlich die eigentliche Erforschungsreise
antraten, machte es mir stilles Vergnügen, meinen
Deutschen Gefährten mit unermüdfichem Eifer bemüht
zu sehn, eine Kugel durch das Loch eines Bretes zu jagen.
In der That war jetzt männlicher Muth und rüstige Kampffähigkeit
das wichtigste Erfordemiss des GeHngens unseres
ferneren Unternehmens.
[Mittwoch, 19t«n Junii] Während der grössere Theil der Kafla
die gerade .Strasse nach dem Brunnen Schäraba nahm, wählten
Overweg und ich mit dem kleinen Rest den Weg nach
Tessaua, und obwohl unser Zug nur klein war, gewährte er
doch einen lebensvollen, anregenden AnbKck. Denn während
die faule Weise der Araber, ihre Kameele ganz nach Gefallen
rechts und links abschweifen zu lassen, für den Reisenden
äusserst ermüdend ist und seinen Geist wahrhaft angreift,
gibt es ihm Ermuthigung, dem Marsche in ungeheure Entfernungen
ruhig entgegenzusehn, wenn er die ganze Reihe Kameele,
eines an das andere gebunden *) und alle von Einem
Manne geführt, ohne Halt und Unterbrechung in gleichmäs-
sigem Fortschritt dahin ziehen sieht. In diesem Gebrauche
liegt ein tiefer Ernst, welcher sich der Seele des Reisenden