466 XVII. Kapitel.
der That hatte sich, während'wir noch in Tintellust waren,
das Gerücht verbreitet, dass der eben erwähnte Stamm eine
Expedition gegen Air unternommen habe, und die ganze Bevölkerung
war im höchsten Grade aufgeregt. Die armen
Kel-owi, entartet, wie sie sind, und durch die Mischung mit der
schwarzen einheimischen Bevölkerung und durch ihre friedliche
Beschäftigung von ihrem ehemaligen kräftigen und kriegerischen
Geiste herabgesunken, sind nicht weniger vor den Auelim-
miden als vor den Kel-geress in beständiger Furcht, und der
alte Annür selbst pflegte uns eine schaudererregende Beschreibung
von den wilden Sitten jenes Stammes zu machen, worüber
ich nachmals oft herzlich mit demselben Volke, gegen welches
er mich so einnehmen wollte, gelacht habe. Er sagte uns
unter Anderem, um uns über die Verluste, welche wir von
den Bewohnern Arr’s erduldet, zu trösten, dass wir unter
den Auelimmiden noch viel schlimmere Verluste und ungleich
schlechtere Behandlung zu erdulden gehabt haben würden;
denn diese würden gar nicht angestanden haben, uns die
Zelte über unseren Häuptern in Stücke zu schneiden, um
sich daraus Hemden zu machen. Es war dies um so lustiger,
als eben mein Zelt, so geflickt, und mitgenommen, wie es
war, bei den Auelimmiden später stets einen Gegenstand des
lebhaftesten wissenschaftlichen Streites abgab, da diese Leute,
die niemals Hanf gesehn, nicht begreifen konnten, aus welchem
Stoff es bestehe, und die Hunderte von Flicken aus allen
möglichen Gegenden Afrika’s , von Bagirmi bis Timbuktu,
setzten sie gänzlich in Verlegenheit. Ich hatte aber allerdings
unter den Kel-owi keinen so treuen Beschützer und
Vermittler und keinen so verständigen Freund, wie ich ihn be^
sass, als ich drei Jahre später unter die Auelimmiden mich
begab. Gewiss hätten mich aber diese kräftigen, gewaltthäti-
gen Naturkinder ganz anders behandelt, wäre ich unbe-
schützt in ihre Hände gefallen.
Die alte und stets glimmende Feindseligkeit zwischen den
Kel-owi und Kel-geress', welche eben jetzt einem neuen Ausbruche
nahe gewesen, war durch, den einflussreichen, sehr
intelligenten Häuptling Ssidi Rhalli el Hadj Annür (eigentlich
E’-Nür), einen der ersten Männer von Agades, gedämpft
worden, und sie hatten geschworen, als engverwandte Stämme
ihre besonderen Streitigkeiten. zu wergessen, um sich gemeinsam
gegen die Auelimmiden zu vertheidigen und an
diesem gemeinschaftlichen Feinde Bache zu nehmen. Hamma
war sehr dringend, von mir einen guten Vorrath Pulver für
Ssidi Rhalli, welcher Anführer der Expedition sein sollte, zu
erlangen; aber ich hatte selbst fast nichts davon bei mir.
Als ich am Abend etwas trübselig auf meiner Matte ruhte,
da ich während dieser Tage gar nicht aus dem Hause gewesen
war, kam der alte freundliche Schmied und lud mich
zu einem Spaziergange ein; ich folgte mit Freuden seinem
Anerbieten. Der Mond schien glänzend und warf sein unbestimmtes
Licht über die Ruinen dieses ehemals wohlhabenden
Sitzes eines ausgebreiteten Handels. Wir wandten uns zuerst
auf der Ostseite zur Stadt hinaus, und indem wir uns
dann etwas südlich hielten, lenkten wir unsere einsamen,
widerhallenden Schritte über die.; steinige Ebene, bis die
Stimmen, welche vom Lager der Kel-geress herüberschallten,
meinen Gefährten, erschreckten und wir mehr nördlich nach
dem Brunnen in Amelüli abbogen. Hier ruhten wir eine
Weile und kehrten dann nach unserer Wohnung zurück.
[Donnerstag, 17tm Oktober.] Annür KäramI, unser liebenswürdiger,
aber energieloser Beschützer, ging heute mit
einem Briefchen von mir nach Tintellust ab. In diesem
Schreiben benachrichtigte ich meine Kollegen von meiner
glücklichen Ankunft, meiner gnädigen Aufnahme und vom
allgemeinen Charakter der Stadt. Die ganze Bewohnerschaft
war heute in einem Zustande von Aufregung, durch eine
jener charakteristischen Begebenheiten, welche in Städten,
die eine ähnliche Lage haben wie Agades, das Jahr in be