Von der Niederlassung der Gurära haben wir mehrfache
Spuren; befremdend erscheinen die Tafimäta, von denen wir
sonst nichts wissen. Der Stamm von Ghadämes zerfiel in
die beiden erwähnten Abtheilungen und die Stadt selbst war
in zwei getrennte Quartiere oder vielmehr abgesonderte Städte
getheilt, bis endlich— ich glaube, im Laufe des 16. Jahrhunderts
— die Tesko unterlagen und in die Nachbarschaft von
Beni Ulid auswanderten. Die Tesko zerfielen wiederum in
zwei Unterabtheilungen, die Beni Darär und die Beni Masiar,
während die Beni Wasit vier Unterabtheilungen hatten, die
Tin-gasän, die Tefärfara, die Djere-ssän und die Aueläd Belil.
Die Letztgenannten bezeugen in ihrem Namen den Einfluss,
welchen Arabische Civilisation auf sie geübt, was, wie ich
glaube, mehr oder weniger mit allen diesen Stämmen der
Fall war.
Leider haben wir gar keine Nachrichten über die Art, wie
der grosse Sonrliay-Eroberer sich der Stadt bemächtigte. Das
Einzige, was wir ausser dem bestimmt angegebenen Umstande
wissen, dass er die fünf Berber-Stämme austrieb, ist die
noch jetzt in Agades umlaufende Tradition, dass eine beträchtliche
Anzahl Berber mit 500 Djachfa’s die Stadt ver-
liess. Die Djachfa aber ist der zum Transport der Frau bestimmte,
auf dem Kameelrücken befestigte Käfig, wie sie nur
wohlhabendere Araber oder Berber zu besitzen pflegen, so
dass man sehliessen kann, dass die Gesammtzahl der die
Stadt vor dem siegreichen Arm des Eroberers verlassenden
früheren Bewohner ansehnlich war. Unter welchen Umständen
sie jedoch die Stadt verliessen, kann ich nicht sagen;
gleichviel aber, ob sie hofften, als Verzweifelte sich durch
das feindliche Heer durchzuschlagen, oder ob sie einem Verdämes
angesiedelten Stammverwandten zur Stiftung einer gemeinsamen Kolonie
auf dieser Handelsstrasse nach Gögo konnte daher keine grosse Schwierigkeit
obwalten.
sprechen sicheren Abzuges vertrauten, genug, der Tradition zufolge
sollen sie insgesammt niedergemetzelt worden sein. Welcher
Art aber auch die näheren Umstände dieser Begebenheit
gewesen sein mögen, Niemand, der den Charakter der gegenwärtigen
Bevölkerung der Stadt auch nur mit der geringsten
Aufmerksamkeit beachtet, kann einen Augenblick zweifeln, dass
eine beträchtliche Anzahl der früheren Berber-Bevölkerung,
wahrscheinlich der ärmere Theil, zurückblieb und sichim Laufe
der Zeit mit den Sonrhay-Kolonisten vermischte. Denn selbst
wenn wir von der Sprache, die mit Berber-Wörtern stark untermischt
ist, absehn, so ist doch unverkennbar noch heutigen
Tages sehr viel Berber-Blut in der Bevölkerung von Agades enthalten,
eine Thatsache, die allerdings viel auffälliger beim
weiblichen Geschlecht als beim männlichen hervortritt. Der
Typus der Sonrhay-Nation ist, wie wir im Verlaufe unserer
Reise finden werden, allerdings sehr mannichfaltig, aber seine
hervortretendsten Züge scheinen, bei etwas über mittlerer
Grösse und nicht sehr muskulösem Körperbau, im Allgemeinen
breit offene Nasenlöcher, hohe Stirn, massig dicke Lippen und
eine hellschwarze Hautfarbe zu sein. Diesen Typus finden
wir allerdings sehr gewöhnlich in Agades unter der schwarzen
Bevölkerung, namentlich der männlichen, aber er ist
meist mit einer hohen, schlankeren Figur vereint, wie ich
sie fast nie an einem Manne von reinem Sonrhay-Blute bemerkte,
und ich schreibe diesen Umstand der Vermischung
mit den Berbern zu. Auch vermisst man in Agades das ei-
genthümliche Glänzende der Haut, welches man in vielen
Gegenden des mittleren sogenannten Niger bemerkt.
Es ist Schade, dass Leo über die zu seiner Zeit in Agades
geredete Sprache nichts angibt*); eine solche Angabe würde
*) In dem Bericht, welchen ich auf meiner Reise an die Englische Regierung
sandte und welcher in dem Journal der Königl. Geogr. Gesellschaft vom
Jahre 1851 abgedruckt und in der Zeitschrift der Berliner Geographischen