gerade flügge; ein loser, übermüthiger Bursche, der sieh zu
früh der mütterlichen Sorge entziehen wollte, ward ein
Opfer seiner jugendlichen Unbesonnenheit.
[Sonntag, 27sten Oktober.] Bei Allem, was ich bis jetzt
von dem Charakter der Stadt gesagt habe, mag es dem
Leser auffallend erscheinen, dass ich gerade das charakteristischste
Gebäude, das, wie ich oben bemerkte, schon von
unserer Terrasse aus einen höchst hervorragenden Gegenstand
bildete, doch noch nicht mit hinlänglicher Genauigkeit
untersucht habe. Ich meine die Me-ssalladje, das Bethaus
mit dem hohen, es überragenden Thurm.
Der Grund, warum gerade dies Gebäude, das berühmteste
und bemerkenswertheste in der Stadt, von mir bis jetzt nur
aus einer gewissen Entfernung und bloss im Vorübergehn beobachtet
worden ist, muss jedoch selbstverständlich sein. Der
Unterschied im Religionsbekenntniss musste mich davon zurückhalten,
und so lange die Stadt voll Fremder war, unter
denen Manche, ohne je mit Andersgläubigen in Berührung
gekommen zu sein, höchst fanatisch gesinnt waren,
schien es zu gefährlich für mich, diesem Gebäude zu nahe
zu treten.
Ich hatte mich häufig danach erkundigt, ob es nicht möglich
sein würde, den Thurm zu besteigen, ohne die eigentliche
Mesälla — das Bethaus -— selbst zu betreten, aber ich
hatte jedesmal zur Antwort bekommen, der Eingang sei verschlossen.
Sobald aber der Sultan abgezogen war und die
Stadt ruhig wurde, drang ich fortwährend in Hamma, mir die
Ersteigung jenes merkwürdigen Gebäudes möglich zu machen,
da dies eine Sache von höchster Wichtigkeit für mich sei.
Und es war auch wirklich so, da ich von der Spitze dieses
Thurmes herab im Stande gewesen wäre, nicht nur die von
mir verfolgte Strasse von Tintellust an durch einige Winkel zu
berichtigen, welche ich von den hauptsächlichsten Höhen in
der Nähe des Thaies Aüderas hätte nehmen können, sondern
auch eine Fernsicht über das Land gegen West und
Süd, das ich selbst nicht bereisen sollte, zu gewinnen..—
Heute nun versprach mir Hamma, Alles, was in seiner Macht
stände, zu thun, um zu meinem Ziel zu kommen.
Nachdem wir nochmals das belebte Haus Idder's besucht
hatten, nahmen wir unseren Weg über den Marktplatz, der
recht trübselig aussah. Die Geier schauten schmerzlich und
gierig von den Spitzen der verfallenen Mauern umher; denn
sie litten offenbar Mangel, weil, nachdem so viele der städtischen
Bewohner mit dem Heere ausgezogen waren, ihr An-
theil am Abfalle der täglichen Kost derselben ziemlich karg
geworden war. Es ist übrigens wahrscheinlich, dass auch
manche derselben ihren Mitbürgern gefolgt waren; dem diese
Thiere, wenn sie einen Zug Bewaffneter ausrücken sehn, pflegen
die Ahnung zu haben, dass dabei auch für sie etwas zu
naschen sein werde.
Da die Strassen von so wenig Menschen belebt waren,
sah die Stadt verfallener aus als je, und der grosse Schutthaufen,
welcher an der Südseite des Schlächtermarktes sich
angehäuft hatte, machte einen abschreckenderen Eindruck
auf mich als je zuvor. Wir hielten uns dann in der Hauptstrasse
zwischen Digi und Arrafia entlang, liessen den tiefen
Brunnen Scheduänka zur Rechten liegen und gegenüber auf
der anderen Seite eine Schule, welche durch die schrillen
Stimmen von etwa 50 Schulknaben den Beweis gab, dass
sie nicht verlassen sei. Mit enthusiastischer Energie wiederholten
diese Emgedesier Schulknaben die Verse des Kuran,
welche ihr Lehrer auf ihre kleinen Holztafeln geschrieben
hatte.
So erreichten wir den Platz vor der Moschee, „sarari-n-
Me-ssälladje”. Da Niemand zugegen war, der mich störte,
so konnte ich dies .einfache, aber merkwürdige Gebäude, das
im Verlauf meiner Reise noch erhöhteres Interesse erhielt, in
aller Ruhe betrachten. Ich fand nämlich, als ich im Juli 1854
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