ten. Ich ergriff ein Schwert — unsere Schusswaffen waren ja
nicht geladen —, rief laut nach unseren Leuten und sprang
aus dem Zelte, aber Niemand war zu sehn. Ich umging mm
den Hügel, und als ich bei Herrn Richardson’s Zelt anlangte,
kam derselbe gerade halb angekleidet heraus und bat mich, den
Räubern nachzueilen, die mehrere seiner Sachen weggeschleppt
hätten. In der That waren einige von seinen Kisten aus dem
Zelte herausgezogen, aber nicht geleert worden. Yon seinen
Dienern war Keiner ausser Said zu sehn; alle Übrigen waren
davon gelaufen, ohne nur Lärm zu machen, so dass wir Alle
ruhig hätten hingemordet werden können.
Wie kränkend das Gefühl war, sich so unvorbereitet haben
überrumpeln zu lassen, so war die ganze Angelegenheit
doch ein Beweis der gnädigen Fürsorge der Vorsehung. Von
Werth war nichts verloren. — Die Räuber hatten gerade den
Augenblick gewählt, wo der Mond hinter den Felsen .verschwunden
und nun dem matten Lichte eine vollständige
Dunkelheit gefolgt war.
Es war fast beschämend, die sämmtliche männliche Einwohnerschaft
von Tintellust herauskommen und um unsere
Zelte sich drängen zu sehn, als ob wir nicht selbst Kraft
genug gehabt hätten, uns zu vertheidigen, — wären wir nicht
mit so arger Nachlässigkeit von der Vorsehung geschlagen
g e w e s e n . *
Aber unmittelbar nach diesem unerfreulichen Vorfälle erhielten
wir die unzweideutigsten Versicherungen wohlwollender
Gesinnung und aufrichtige Schutzzusicherung vom Sultan
von Agades sowohl, wie vom grossen Mällem Asöri, einer
höchst einflussreichen und angesehenen Person in diesem
Lande, von der ich im Verlaufe noch Weiteres zu erzählen
habe. Ich fing daher an, meinen schon lange gehegten Plan
zu einem Ausflug nach Agades bestimmter zu verfolgen, -und
trat mit dem Häuptling hierüber in’s Vernehmen. In der
Zwischenzeit hatte ich eine Menge von Nachrichten über das
Land erhalten, sowohl von einem Tauäter Namens 'Abd el
Kader (einem Anderen, als dem oben erwähnten Reisegenossen
auf unserem Marsche von Rhät), theils von Einigen der
Tinylkum, die, seitdem sie uns am Tage nach unserer Ankunft
in Tintellust verlassen, sich über die ganze Landschaft
zerstreut hatten, Einige, um ihre Kameele in den begünstigtesten
Thälern weiden zu lassen, Andere mit kleinen Handelsspekulationen
beschäftigt. Obgleich wir manchen Grund
hatten, mit ihnen unzufrieden zu sein, so waren uns doch die
Besuche, die uns bald der Eine, bald der Andere abstattete,
überaus willkommen.
Kleine Karawanen gingen und kamen; unter ihnen war
ein Trupp aus dem Sudan kommender Kaufleute, die fast
ihr ganzes Gepäck auf Packochsen fortschafften. Dies war
für uns ein ^überaus erfreulicher Anblick, der unsere Herzen
mit Wonne erfüllte; denn er gab uns den besten Beweis,
dass wir die öde Wüste nun hinter uns hatten, wo nur das
ausdauernde und nüchterne Kameel dem Menschen die Möglichkeit
gestattet, Verkehr zu treiben.
Von hier aus also konnten wir dehn beruhigende Briefe
an die Regierung und an unsere Freunde in Europa senden
und ihnen darin versichern, dass wir nun wohl den gröss-
ten Theil- der Schwierigkeiten überwunden hätten, welche
sich unserem Vordringen entgegenstellten, und dass wir uns
zu der Erwartung berechtigt glaubten, jetzt auf dem geraden
Wege zur Erreichung der Zwecke unserer Expedition zu sein.
Während wir aber in geistiger Beziehung im Ganzen reichlichen
Stoff zur Befriedigung fanden und uns den schönsten Hoffnungen
überlassen konnten, waren dagegen unsere materiellen
Verhältnisse nicht gerade die günstigsten; denn unsere
Mittel waren so unzulänglich, dass wir mit ihnen kaum
das Nothwendigste bestreiten konnten, und während Herr
Richardson ganz von dem Arabischen Kaufmanne Mohammed
e’ Ssfaksi abhing, waren Overweg und ich, besonders
Barth’s Reisen. I. g j