Sie soll nämlich eine sehr tiefe Kluft oder einen Bergkessel
bilden, in welchen ein ausserordentlich steiler, abschüssiger
Pfad von der Hochfläche hinunterfuhrt*), und welche jedenfalls
tiefer liegen muss als Egeri, so dass sie eine Einsenkung
bildet, wo alle Feuchtigkeit aus der Umgegend sich sammelt;
Die Oase wird, wie man sagt, von mehreren Quellen lebendigen
Wassers bewässert, deren reichste „Eferri” heisst. Die
Namen der drei dieses fruchtbare Thal belebenden Dörfer,
wie ich oben angeführt, sind: Selwas, Agähi und Elmehän.
Aber Djänet, obgleich wahrscheinlich die bevorzugteste Stätte
dieser Berglandschaft, scheint nicht die einzige, interessante
Örtlichkeit zu sein, welche am Fusse jenes hohen Kammes,
den wir überschritten hatten, gebildet wird, sondern an diesem
Erhebungssaum, der wahrscheinlich mit dem unten zu
beschreibenden Gebirgsknoten im Lande der Hogär zusammenhängt,
entlang scheinen mehrere tiefe Schluchten zu liegen,
wo das aus den Gebirgsmassen kommende Wasser in
tiefen Teichen sich sammelt, gross genug selbst für das Krokodil
temssah” Ifjjj Diese so überaus auffallende That-
sache ist mir nicht von einem Einzelnen, sondern von einer
Menge glaubwürdiger Leute bestätigt worden. Die bekannt
testen unter diesen kleinen Afrikanischen Alpensee’n sind:
„Mehara” — ein Punkt, den alle Beisenden, die die Strasse
von Rhät nach Tauät kennen, mit Rühmen nennen , näher
an Egeri das Thal „Eliarer” und eine Tagereise westlich davon
„Ahahar” —. eine Stätte, die gleichfalls von einem Quellborn
bewässert und stets bewohnt sein soll.
Es verursachte mir in der That tiefe Betrübniss, dass die
Ungewissheit unserer Beziehungen zu dem Lande und der
*) Von diesem im Lande weit und breit berüchtigten schwierigen Bergpass
erzählen die Einwohner als Beweis der Dummheit der Imrhäd die lustige Geschichte
von einem Manne, der, um seinem todmatten Esel die Bürde zu erleichtern,
sie demselben abnahm und auf seine eigenen Schultern lud, dann
aber selbst das unglückliche Thier bestieg.
unsichere Schutz, dessen wir genossen, uns nicht erlaubten,
Djänet zu besuchen. Nun aber wurde uns eine grosse
Gefahr angekündigt, als von eben diesem so anziehenden
Platze ausgehend und uns bedrohend. Es hiess nämlich, der
mächtige Häuptling von Djänet, Ssidi *) Djafel inek (der
Solm des) Ssakertäf, welchem ein grösser Theil der dort
umher wohnenden Imrhäd als Leibeigene untergeben ist,
habe einen Raubzug gegen uns vorbereitet.
Ich will liier nicht auf die Umstände dieser Anzeige, noch
auf ihre Folgen näher eingehn, da sie im Tagebuch des
verstorbenen Herrn Richardson schon genügend besprochen
sind. Nur so viel sei gesagt, dass uns dieser Umstand mit
jedem unserer neuen Freunde besser bekannt machte. In der
ICel-owi-Karawane, mit der wir uns verbunden und in deren
Hände wir den Erfolg unseres Unternehmens gelegt hatten,
waren drei Hauptpersonen, nämlich Annür — so sprechen
diese Leute den eigentlich Arabischen Namen E’ Nur aus .
Didi und Färredji. Annür war ein Verwandter des gleichnamigen
mächtigen Kel-owi-Häuptlings und wurde zur Unterscheidung
„Annür Karami” — „der kleine Annür” — genannt.
Er war ein hebenswürdiger Mann von angenehmen, einnehmendem
Äusseren und- gefälligen Manieren, aber ohne Energie
und nichts weniger als kriegerisch. Didi und Färredji
waren beide befreite Sklaven von gänzlich verschiedenem Aussehn
und Charakter. War jener schmächtiger Gestalt mit
stark markirten Zügen, die einen bedeutenden Grad vonSchlau-
heit und Verschmitztheit erkennen liessen, so war dagegen
der Letztere ein etwas mitersetzter Mann mit breiten, groben
*) Ssidi scheint eine ehrende Auszeichnung bei den Hogar zu sein, und der
Bote, welcher uns die Nachricht brachte, nannte gewöhnlich den Häuptling,
von welchem er sprach, nur mit dem Worte Ssidi. Auch Sultan Schüfo’s
Vater wird so genannt, ja der ganze Stamm der Uräghen scheint den Beinamen
Ssid-askar zu haben. Wie ungemein der Name Ssidi in Timbuktu
gemissbraucht wird, \yird sich im Verlaufe der Reise zeigen.